Im November 2018 gab es zuletzt einen Warnstreik der Eisenbahner. Damals standen die Züge zwischen 12 und 14 Uhr still.

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Wien – Die hohe Inflation macht Streiks im traditionell arbeitskampfscheuen Österreich en vogue. In der ÖBB hofft man auf eine Verhandlungslösung, die Weichen werden aber vorsorglich auf Streik gestellt. Denn die Dienstleistungs- und Eisenbahnergewerkschaft Vida will hoch hinaus. Höher hinaus als Beamte und Metaller, deren Bezüge, Löhne und Gehälter im Schnitt um 7,32 beziehungsweise 7,44 Prozent angehoben werden.

Für die unteren Beschäftigungsgruppen bedeuten diese beiden Abschlüsse die Erhöhung der Bezüge um 9,14 Prozent bei den Beamten und zwischen 8,9 und 8,0 Prozent bei den Metallern.

Nun laufen Bemühungen, die Gewerkschaft Vida rund um ÖBB-Konzernbetriebsratschef Roman Hebenstreit, der zugleich Vida-Vorsitzender ist, "runter vom Baum zu holen", wie es in hochrangigen ÖBB-Kreisen heißt. Ein Abschluss über den von der Gewerkschaft Vida geforderten 400 Euro sei im Lichte der hohen Strompreise schlicht nicht leistbar.

Zwischen zwölf und 24

Eine Erhöhung der Bezüge um 400 Euro bedeute für die untersten Lohngruppen ein Plus von 24 Prozent. Das sei selbst in einem massiv öffentlich finanzierten Sektor nicht zu rechtfertigen, zumal die Eisenbahner krisensichere Jobs hätten, heißt es unter Verweis auf die Industrie, in der aufgrund der Energiekrise tausende Jobs von Kurzarbeit oder Kündigung wegen Produktionsstillständen bedroht sind. Geboten wurden von den Eisenbahnverkehrsunternehmen 7,5 Prozent, mindestens aber200 Euro – das wären für Niedrigverdiener plus zwölf Prozent.

Die Reaktion in der Vida fällt lapidar aus: "Wir haben viel aufzuholen gegenüber der Industrie. Es muss ein höherer Fixbetrag her", sagt ein Vida-Sprecher. Die vom Fachverband der Schienenbahnen gebotenen 200 Euro reichten nicht als "vertretbares Ergebnis". Man habe die Ziele ohnehin heruntergeschraubt, heißt es mit Verweis auf die ursprüngliche Forderung von 500 Euro zu Beginn der Lohnrunde.

Fronten verhärtet

Die von ÖBB-Generaldirektor Andreas Matthä am Montag angekündigte Anhebung der Bezüge der letzten 400 ÖBB-Bediensteten auf 2000 Euro beeindruckte in der Vida nicht. Ohne Gesichtsverlust aus dieser verfahrenen Situation wieder herauszukommen, dürfte für Vida-Chef Hebenstreit vor diesem Hintergrund nicht einfach werden. Wie ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian die Vorgänge beurteilt, war am Mittwoch nicht in Erfahrung zu bringen. Die Streikfreigabe erteilte der ÖGB am Mittwochabend jedenfalls wunschgemäß.

Grün dürften einander die Genossen bezüglich eines Arbeitskampfs dennoch nicht sein. Denn am 24. Oktober seien die Eisenbahner einer Einigung nahe gewesen. Dann wurde das Verhandlungsteam der Gewerkschaft handstreichartig umbesetzt, wie es in wohlinformierten Kreisen heißt. Die offizielle Version: Arbeitnehmer-Verhandlungsführer Günter Blumthaler, im Brotberuf Betriebsratschef des Teilkonzerns ÖBB-Infrastruktur, erkrankte. Als Leiter des Vida-KV-Verhandlungsteams wurde Gerhard Tauchner installiert.

Stimmung im Keller

Seither ging es nicht nur mit der Stimmung bergab. Die von den Arbeitgebern angebotene steuerfreie Einmalzahlung von tausend Euro pro Bahnbeschäftigten wurde ebenso vom Tisch gewischt wie die 200 Euro Mindesterhöhung. Zum Vergleich: Eine Einmalzahlung von 3000, die heuer steuerfrei ausbezahlt werden kann, würde umgerechnet auf ein Jahr 250 Euro pro Monat ausmachen. Hier in Richtung einer Erhöhung Druck aufzubauen, würde sich also auszahlen, denn die für die Lohnrunde maßgebliche Inflation (7,8 Prozent) stand mehr oder weniger außer Streit.

Aufgetischt wurde hingegen ein Warnstreik am Montag von null bis 24 Uhr. Über Unterhändler wird nun versucht, die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen. Ein Termin noch diese Woche wird gesucht.

So heiß wird in den anderen Lohnrunden noch nicht gekocht.

·Handel Warnstreiks am 2. und 3. Dezember stehen im Raum, die fünfte Verhandlungsrunde ist am 29. 11.

·Ordensspitäler In den sechs Wiener Ordensspitälern wurden Warnstreiks abgehalten. Die Gewerkschaft verlangt ein Plus von 500 Euro brutto pro Monat und 2000 Euro Mindestlohn. Die Spitäler bieten sozial gestaffelt bis zu 1000 Euro Einmalzahlung (netto) und das Vorziehen der nächsten Kollektivvertragsperiode um zwei Monate.

·Flughäfen Das Sicherheitspersonal an den Flughäfen Wien, Graz und Innsbruck hielt Betriebsversammlungen ab. Die Gewerkschaft fordert eine Annäherung an das deutsche Niveau, das 2023 – inklusive Zulagen und Sonderzahlungen – um etwa 50 Prozent über dem österreichischen liegen wird.

·Brauereien Nach drei Runden drohen auch die Brauer mit Arbeitskampf. Die Arbeitgeber boten für die rund 3500 Beschäftigten zuletzt eine Erhöhung um 100 Euro plus 300 Euro Einmalzahlung. Das liege weit unter der maßgeblichen Inflation von 6,9 Prozent. (Luise Ungerboeck, 24.11.2022)