Diktatoren belügen einfach alle, ist Witold Szabłowski überzeugt. Natürlich auch ihre Frauen, und erst recht ihre Minister. "Wahrscheinlich gibt es nur zwei Menschen, die sie nicht belügen", sagt der Journalist aus Polen: "Ihren Leibarzt und ihren Koch."

Weltpolitik hin, Intrigen und Gewaltherrschaft her: Wenn es ums eigene leibliche Wohl geht, müssen die Karten offen auf den Tisch. Deshalb sind auch Köchinnen und Köche an den Autokraten dieser Welt oft so nah dran wie sonst kaum jemand. Und deshalb hat Szabłowski auf vier Erdteilen einige von ihnen aufgespürt und sie in den Mittelpunkt eines Buches gestellt, das er vorige Woche im Polnischen Institut Wien vorstellte.

Der Autor Witold Szabłowski bei der Vorstellung seines Buches im Polnischen Institut Wien.
Foto: Gerald Schubert

"Wie man einen Diktator satt bekommt" ist natürlich keine Gebrauchsanweisung für Tyrannenköche in spe. Eher schon ein wilder Ritt durch die Lebensgeschichten von Menschen, die bei einigen der berüchtigtsten Diktatoren fürs Essen zuständig waren: beim Comandante der kubanischen Revolution, Fidel Castro; bei Idi Amin, dem Gewaltherrscher von Uganda; beim irakischen Machthaber Saddam Hussein; beim Diabetiker Enver Hoxha, der sich als kommunistischer Anführer Albaniens sogar von Moskau und Peking abwandte und sein Land in die Isolation trieb; und bei Pol Pot, Diktator in Kambodscha und steinzeitkommunistischer Führer der Roten Khmer.

Ständige Angst

Szabłowski, der vor seiner Journalistenkarriere in Kopenhagen als Koch gearbeitet hat, hat sie alle gefunden – in mühevoller Arbeit und mit Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Manche, so schien es ihm, hatten immer noch Angst, über ihre Erlebnisse von damals zu sprechen. "Das perfekte Szenario war daher: gemeinsam kochen, gemeinsam essen, ein bisschen etwas zusammen trinken, und dann einfach plaudern", erzählt Szabłowski. Und das immer wieder, jeweils über mindestens zehn Tage hinweg.

Dabei ist Furcht längst nicht das alleinige Motiv in all den Erzählungen. Im Gegenteil: Stets schwingt auch Stolz darauf mit, viele Jahre so nah an der Macht verbracht zu haben. Schmeichelhaftes Lob vom Herrscher und exzessive Gewalterfahrung im unmittelbaren Umfeld lagen oft nah beieinander – zumal auch die meisten Diktatoren in ständiger Angst leben, vergiftet zu werden, was wiederum gefährlich für die Köche ist.

Belehren, sagt Szabłowski, wollte er seine Gewährsleute aber nicht. "Ich wollte ihnen nicht sagen, was sie denken sollen, sondern ihnen zuhören." Leicht sei das nicht immer gewesen. Vor allem bei der Köchin von Pol Pot, die dem brutalen Herrscher auch viele Jahre nach seinem Tod treu ergeben ist: "Dauernd hörst du, dass der Mann, der etwa drei Millionen Menschen umbringen ließ, der beste und charmanteste Kerl der Welt war. Das war sogar mir zu viel." (Gerald Schubert, 23.11.2022)