Als Ministerinnen sind aus dem Team Kurz nur mehr Susanne Raab (ganz rechts) und Karoline Edtstadler (links von Kurz) übrig.

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Der Mittwochnachmittag verlief überraschend – auch für viele innerhalb der ÖVP: Parteichef und Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) holte den Kurz-Intimus Gerald Fleischmann als Parteisprecher zurück, obwohl gegen diesen nach wie vor ermittelt wird. Die Entscheidung dürfte im kleinen Kreis getroffen worden sein. Auch bei durchaus gewichtigen ÖVP-Vertretern sorgte sie für Verwirrung, erwartete man innerhalb der Partei doch eine schrittweise Abgrenzung von der Ära Sebastian Kurz.

Das Comeback von Fleischmann ist das Gegenteil davon. Zwar war der 49-jährige Burgenländer schon Pressesprecher für die ÖVP Niederösterreich und die Bundespartei, als von Kurz noch keine Rede war – die 2010er-Jahre verbrachte Fleischmann jedoch eng an der Seite des Integrationsstaatssekretärs, Außenministers und Bundeskanzlers.

Er gehört zu jenem eingeschworenen Team, das Aufgaben im sogenannten Projekt Ballhausplatz übernahm; also in Kurz' Plan, das Kanzleramt zu erobern. Die Authentizität der Unterlagen, die auch der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vorliegen, wurde stets bestritten. Sie zeigen jedoch in so hohem Detailgrad Planungen der damals frischen Türkisen, dass sie von einem Insider stammen müssen.

Wie steht es eigentlich um die anderen sieben Vertrauten, die dort genannt werden?

Neben Fleischmann galt Stefan Steiner als Chefstratege der Türkisen. Er begann seine politische Karriere im Innenministerium, wurde dann Sektionschef bei Kurz im Integrationsstaatsekretariat und später Generalsekretär der ÖVP. Unter Kurz war Steiner hochdotierter Berater der ÖVP. Das ist er nach wie vor, sein Vertrag soll allerdings zu Jahresende 2022 auslaufen. Laut "Presse" nahm Nehammer Steiners Dienste bislang nur selten in Anspruch. Theoretisch hätte Steiner ein Rückkehrrecht in die Verwaltung, darauf soll er jedoch keine Ambitionen hegen. Steiner ist übrigens der Schwager von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, sein Bruder Thomas Steiner ist im Direktorium der Nationalbank.

Großspender und Wahlkampfpartner

Für "interne Abläufe" und "Finanzen" war in den Unterlagen zum Projekt Ballhausplatz Axel Melchior vorgesehen. Er war Kurz' stellvertretender Kabinettschef im Außenamt, dann Bundesgeschäftsführer und Generalsekretär der ÖVP. Melchior ist nach wie vor Abgeordneter zum Nationalrat, beruflich wechselte er zu ÖVP-Großspender Klaus Ortner.

Ihren Wechsel in die Privatwirtschaft kündigte im August auch Lisa Wieser an, die frühere persönliche Assistentin von Sebastian Kurz. Als Generalsekretär im Kanzleramt zurück trat Bernd Brünner, er ist nun nur noch Abteilungsleiter.

Die langjährige Digitalchefin des Teams Kurz, Kristina Rausch, landete beim Campaigning Bureau von Philipp Maderthaner, mit dem man schon in der Ära Kurz eng zusammengearbeitet hatte. Maderthaner war es übrigens auch, der einst Fleischmann in der ÖVP Niederösterreich eingestellt hatte – das ist aber schon antike Geschichte.

Von Kurz deutlich emanzipierter verliefen die Karrieren der weiteren zwei Männer, die im Projekt Ballhausplatz genannt wurden: Der erfahrene Diplomat Christian Ebner beriet Kurz bis zu dessen Kanzlerschaft außenpolitisch, wurde 2018 jedoch Botschafter in Spanien, jetzt ist er in Belgrad tätig. Stefan Schnöll, der Kurz als JVP-Chef nachfolgte, wurde 2018 Landesrat in Salzburg und ist das nach wie vor.

Business Angel und Investoren

Vollständig wird das Team Türkis im "Projekt Ballhausplatz" nicht abgebildet. Einige Verbündete hatten bereits genug mit ihren eigenen politischen Jobs zu tun, andere stießen erst später dazu. Eine große Rolle spielte für Kurz in seiner Kanzlerschaft sein langjähriger Vertrauter Bernhard Bonelli – die beiden lernten einander schon 2005 auf dem Weg zum Forum Alpbach kennen. Bonelli leitet die Cocoon Capital Advisory GmbH, einen Start-up-Fonds.

Kurz, Fleischmann, Frischmann und Bonelli – einst ein eingespieltes Team.
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Spät zu Kurz stieß Markus Gstöttner, der zuletzt als Kabinettschef von Karl Nehammer wirkte. Er ist weiterhin Gemeinderatsmitglied in Wien und soll sich derzeit beruflich neu orientieren. Weiterhin im ÖVP-Parlamentsklub arbeitet Johannes Frischmann, der von 2017 bis zur Causa Umfragen im Herbst 2021 Sprecher von Sebastian Kurz war. Etienne Berchtold, der für Kurz außenpolitisch als Sprecher wirkte, ist mittlerweile Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Politisch waren vor allem Gernot Blümel und Elisabeth Köstinger stets nah an Sebastian Kurz. Beide sind mittlerweile in Unternehmen von Investor Christian Baha gelandet: Blümel ist als CEO von Superfunds tätig, er soll vor allem in Zürich leben. Köstinger ging mit ihrem Kabinettschef Gernot Maier zu Bahas Mountain View.

Und der "Chef" selbst? Kurz tat sich mit ÖVP-Spender Alexander Schütz zusammen, gemeinsam haben die beiden eine Investmentfirma. Die Familie Schütz steht hinter der umstrittenen Plattform "Exxpress", die auch von Eva Hieblinger-Schütz geleitet wird. Die Anwältin war einst Kollegin von Thomas Schmid im Kabinett des Finanzministeriums. Außerdem ist Kurz bekanntlich für den deutsch-amerikanischen Milliardär Peter Thiel aktiv.

Ministerkarrieren mit türkisen Farbtupfern

Politisch ist die Ära Kurz somit so gut wie abgewickelt. Das einzige noch aktive Regierungsmitglied, das schon unter Türkis-Blau tätig war, ist Karoline Edtstadler. Die Salzburgerin schaffte ihren Aufstieg allerdings mehr parallel zu als durch Kurz. Sie arbeitete schon im Kabinett des damaligen Justizministers Wolfgang Brandstetter, der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer gilt als großer Fan.

Schon früh mit Kurz zu tun hatte Susanne Raab, einst Abteilungsleiterin im Außenministerium. Sie ist nach wie vor Ministerin im Kanzleramt und dort zuständig für Medien, Frauen und Integration. Auch Alexander Schallenberg machte aus dem Außenministerium heraus politisch Karriere, seit 2019 leitet er das Ressort. Die Ära Kurz als (durchaus erfreulichen) Abschnitt ihrer politischen Karriere sahen freilich viele schwarze Politiker, die nach wie vor in hohen Positionen tätig sind: etwa Klubchef August Wöginger oder Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. (Fabian Schmid, 24.11.2022)