Seit der Nacht zum Sonntag geht die Türkei im Nordirak und in Nordsyrien mit Luftangriffen gegen die YPG und die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vor.

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Damaskus/Istanbul/Wien/Ankara/Amman – Die türkische Luftwaffe hat in der Nacht zum Donnerstag Anlagen zur Ölförderung der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) im Nordosten des Nachbarlandes angegriffen. Das teilten drei mit den Vorgängen vertraute Personen in der betroffenen Region mit. Demnach wurden Ziele nahe der Stadt Kamschli und im ölreichen Gebiet Rumeilan mit Drohnen bombardiert. Laut SDF-Angaben wurden dutzende Menschen getötet, darunter elf ihrer Milizionäre. Es sei das erste Mal, dass die Türkei systematisch Ölfelder unter Kontrolle der SDF angreift.

Der türkische Verteidigungsminister Hukusi Akar sagte am Donnerstag nach Angaben seines Ministeriums nach einem Telefonat mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu, sein Land wolle terroristischen Gefahren aus dem Norden Syriens dauerhaft vorbeugen. Am Mittwoch hatte Russland die Türkei aufgefordert, auf die angekündigte Bodenoffensive gegen die SDF zu verzichten.

USA forderten Deeskalation

Die USA warnten noch in der Nacht zum Donnerstag, mit dem Luftschlägen im Norden Syriens würden auch US-Soldaten gefährdet. Eine sofortige Deeskalation sei nötig, um den Kampf gegen die Extremistengruppe "Islamischer Staat" (IS) aufrecht und die Sicherheit der Amerikaner zu erhalten, forderte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Washington, Pat Ryder. Die USA haben rund 900 Soldaten in Syrien im Einsatz, die meisten im Nordosten. Sie arbeiten dort mit den SDF im Kampf gegen den IS zusammen.

Die Türkei rechtfertigt ihr militärisches Vorgehen als Vergeltung für den Bombenanschlag in der Innenstadt Istanbuls. Sowohl die PKK als auch die SDF haben erklärt, nichts mit dem Bombenanschlag in Istanbul zu tun zu haben. Bereits am Wochenende hatte die türkische Luftwaffe nach eigenen Angaben Stützpunkte der SDF und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in Syrien und im Irak bombardiert. Bisher hat die Türkei seit Sonntag eigenen Angaben zufolge hunderte Ziele angegriffen und dabei insgesamt "254 Terroristen neutralisiert".

Aktivisten berichten von Angriffen

Die Türkei hat zudem Aktivisten zufolge erneut kurdische Ziele im Norden Syriens angegriffen. Türkische Streitkräfte hätten am Donnerstag mehrere Dörfer beschossen sowie ein Gebiet per Drohne attackiert, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Berichte über Tote oder Verletzte gab es zunächst nicht. Auch ein Militärstützpunkt der syrischen Regierungskräfte in der Nähe von Kobanê soll bombardiert worden sein.

Ernst-Dziedzic warnt vor Erdoğan als "Sicherheitsrisiko"

Der IS profitiere von den türkischen Luftangriffen auf kurdische Stellungen in Syrien und im Irak: Davon ist die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, überzeugt und warnt vor einer Gefahr auch für Europa. Denn jene, die die IS-Kämpfer in den Kurdengebieten in Schach hielten, würden bombardiert. "Eine fragile Situation", sagte sie am Donnerstag zur APA. Erdoğan sei ein "Sicherheitsrisiko". (APA, Reuters, red, 24.11.2022)