Die GH6 richtet sich ganz klar an Videografen.

Foto: Panasonic

Mehr als 14 Jahre ist es mittlerweile her, dass Panasonic die erste spiegellose Micro-Four-Thirds-Kamera präsentiert hat. Bis heute setzt das Unternehmen auf die kleinsensorigen Fotoapparate, die dank großer Leistung und eines kompakten Gehäuses eine feste Fanbasis für sich gewonnen haben. Unter Videografen sehr beliebt war lange Zeit die GH5, bietet diese doch zahlreiche Bewegtbildfunktionen, die sonst nur in deutlich teureren Geräten zu finden waren.

Doch die Konkurrenz hat nicht geschlafen. Fast alle Hersteller bieten mittlerweile hochpotente Hybridkameras an, die sowohl Foto- als auch Videografen anlocken sollen. Panasonic antwortet auf diese Entwicklung mit der Lumix GH6, der nächsten Generation an Videofunktionen. Um nur 2.000 Euro ermöglicht diese anamorphe Aufnahmen mit einer Auflösung von bis zu 5,8K – und 4K-Slowmotion mit bis zu 120 Bildern pro Sekunde.

Das Gesamtpaket hat es in sich – zumindest dann, wenn man zu einer immer spitzer werdenden Zielgruppe gehört. Immerhin kämpft die Micro-Four-Thirds-Kamera mittlerweile gegen Vollformatgeräte aus dem eigenen Hause, die mitunter eine gleichwertige Ausstattung bieten. Da stellt sich die Frage: Wie schlägt sich die GH6 im Alltag? Und sollte man sie auch dann kaufen, wenn man sich nicht nur fürs Filmen, sondern auch fürs Fotografieren interessiert?

Eine ganz klare Zielgruppe

Den Fokus auf Videografie sieht man der Kamera schon aus der Ferne an. Das Gehäuse ist für einen Micro-Four-Thirds-Sensor relativ groß, dadurch konnte ein aktives Kühlungssystem samt sichtbarer Kühlergrills untergebracht werden. Außerdem thront ein roter Recording-Button nicht nur auf der Ober-, sondern auch auf der Vorderseite. Dadurch sollen Nutzerinnen und Nutzer wahrscheinlich möglichst viele Möglichkeiten haben, die Aufnahme auch dann zu starten, wenn einzelne Teile des Gehäuses durch Accessoires wie einen externen Bildschirm oder ein Mikrofon verdeckt sind.

Foto: STANDARD / Manakas

Der oberseitig angebrachte Button ist eigentlich immer gut erreichbar. Vor allem wenn man umgreift, um möglichst stabile Videoaufnahmen zu tätigen. Etwas irritierend ist hingegen die Platzierung des zweiten Aufnahmeknopfes, der sich auf der linken unteren Vorderseite befindet. Bei der Nutzung des ausschwenkbaren Bildschirms ist dieser nämlich verdeckt. Um ihn zu erreichen, muss man also ungeschickt darunter durchgreifen.

Nicht alles ist rosig

Ansonsten ist das Bedienkonzept etwas durchwachsen. Es gibt drei Kontrollrädchen, wovon eines die Belichtungszeit und ein weiteres die Blende steuert. Will man den ISO-Wert, den Weißabgleich oder die Belichtungskorrektur anpassen, muss man eine der drei zugehörigen Tasten auf der Oberseite drücken – und dann das rückseitige Rädchen drehen. Das ist umständlich und wird von den meisten Herstellern deutlich intuitiver gelöst. Negativ fällt außerdem die Ausarbeitung des Joysticks auf, der zusätzlich zum Steuerkreuz zur Navigation durch Menüs und zum Setzen des Fokuspunkts genutzt werden kann. Er hat einen relativ undefinierten Druckpunkt, was die Bedienung oft schwammig macht.

Störend für den Arbeitsfluss war außerdem die Tatsache, dass der Objektivrelease entweder mit der linken Hand bedient werden muss oder ein Umgreifen notwendig macht. Kameras werden üblicherweise mit der rechten Hand gegriffen, meistens kann man somit relativ simpel den lösenden Knopf drücken und das Objektiv mit der linken Hand austauschen. Bei der GH6 geht das nicht. Wer unterwegs ist und während eines Shootings rasch eine neue Brennweite braucht, dem steht also einem umständliches Prozedere bevor.

Es ist aber nicht alles schlecht. Wirklich gut bedienbar sind die drei primären Kontrollrädchen. Sie haben einen guten Druckpunkt, der einem stets ermöglicht, genaue Einstellungen vorzunehmen. Einzig Videografen müssen im Fall des Belichtungsrädchens etwas aufpassen, da sich dieses leicht verstellen lässt. Stabilisiert man die Kamera auch von hinten, kann es so passieren, dass man die Belichtungszeit umstellt. Ist man sich dieser Schwäche erst einmal bewusst, kann man sie allerdings gut umgehen. Will man sichergehen, kann man außerdem einen "Lock"-Schalter umlegen. Dieser blockiert wahlweise alle oder einzelne Bedienelemente, darunter auch die Belichtungszeit.

Überzeugende Videoleistung

Ihre wahren Stärken zeigt die Panasonic GH6, sobald man sich mit den umfangreichen Videofunktionen auseinandersetzt. Aufnahmen sind mit einer Auflösung von bis zu 5,8K bei 60 Bildern pro Sekunde (anamorph) möglich. Außerdem gibt es zahlreiche Optionen für 4K-Video, darunter Slowmotion mit 120 FPS. Wählt man 1080p, sind sogar 240 FPS möglich. In allen Modi erhält man 10-Bit-Farbe, wenn gewünscht kann man außerdem im flachen V-Log-Format aufzeichnen. All jene, die in Besitz eines HDMI-Recorders von Atomos sind, können sogar RAW-Videos mit 12-Bit-Farbe aufnehmen.

Foto: STANDARD / Manakas

Die Kamera liefert aber auch in der Praxis ab. Die Dateien lassen sich dank hoher Auflösungen, 10-Bit-Farbe und einer Bitrate von bis zu 800Mbps sehr gut nachbearbeiten. In den angefertigten Testaufnahmen konnten keine störenden Artefakte entdeckt werden. Auch der Rolling-Shutter-Effekt ist sehr schwach, selbst dann, wenn man die Kamera stärker hin- und herschwenkt.

Nur die ISO-Einstellung muss man im Auge behalten. Wegen des kleinen Sensors sollte man den Wert möglichst niedrig halten, was dank des Bildstabilisators problemlos möglich sein sollte. Laut Panasonic kann dieser bis zu 7,5 Blendenstufen ausgleichen. Tatsächlich ermöglicht er – zumindest mit einem 50-mm-Objektiv – allerlei Aufnahmen aus der Hand, die bei manchen anderen Herstellern ein Stativ oder Gimbal benötigen würden. Ist man vorsichtig und bewegt sich langsam, kann man sogar gehend Aufnahmen anfertigen, ohne allzu große Ruckler festzustellen.

Kein Weg vorbei am manuellen Fokus

Unterstützt werden diese Features durch allerlei Hilfssysteme. So kann man beispielsweise einstellen, dass das Display rot umrandet wird, sobald eine Aufnahme startet. Nutzt man manuellen Fokus, kann man sich außerdem eine Lupe auf die Suchermitte legen, die immer dann eingeschaltet wird, wenn man den Fokusring dreht. Mit dem passenden Videoobjektiv und in Kombination mit einem Fokuszebra macht das die Einstellung sehr präzise und einfach.

Das ist insbesondere deshalb wichtig, weil man um die Nutzung des manuellen Fokus nicht herumkommt. Panasonic setzt weiterhin exklusiv auf Kontrastautofokus. Fehlt ebendieser Kontrast, beginnt das System ziemlich schnell mit einer hilflosen Suche. Die Kamera kann sich also nicht festlegen, worauf sie sich konzentrieren soll – und wenn doch, dann entscheidet sie sich häufig für den Bildhintergrund statt für das eigentliche Subjekt. Für professionelle Videografen dürfte das kein allzu großes Problem sein, da sie sowieso volle Kontrolle über den Fokus haben möchten. Anders sieht es in der Fotografie aus, aber dazu später mehr.

Foto: STANDARD / Manakas

Möchte man bei einem Dreh oder Ausflug sowohl Video- als auch Fotoaufnahmen anfertigen, muss man aufpassen. Einstellungen des Farbprofils sind nicht voneinander getrennt. Wählt man also zum Filmen V-Log aus und macht anschließend Fotos, erhält man diese im entsprechend flachen Bildprofil. Das bedeutet wiederum mehr Arbeit in der Nachbearbeitung. Es wäre eine sinnvolle Entwicklung, mit der Umstellung zwischen Video- und Fotomodus auch die Einstellungen zu verändern. Zum Beispiel könnte die zuvor genutzte Verschlusszeit gespeichert werden, sodass man schneller zur Aufnahme zurückkehren kann.

Nichts für Fotografinnen

Auf der Suche nach einer Fotografiekamera ist man bei der GH6 hingegen falsch. Sie liefert dank des neuen 25-Megapixel-Sensors zwar solide Ergebnisse ab, es gibt am Markt aber deutlich bessere Optionen – auch aus dem Hause Panasonic selbst. Gerade für Fotografinnen und Fotografen lohnt es sich, zu einer Vollformatkamera zu greifen, um möglichst hochauflösende, detaillierte Aufnahmen abliefern zu können.

Der GH6 sieht man den kleinen Sensor in mehrerlei Hinsicht an. Unter anderem dann, wenn man in Bilder hineinzoomt. Aber auch dann, wenn man den ISO-Wert hochschrauben will. Das Bildrauschen macht sich bereits bei ISO 1.600 bemerkbar und ist bei ISO 3.200 deutlich erkennbar. Dreht man den Regler gar auf 6.400, legen sich die Artefakte wie eine dicke Schicht über das Bild. Um eine Rauschreduzierung kommt man dann kaum noch herum, von noch höheren Werten ganz zu schweigen. Wenn man keine schnell beweglichen Motive vor der Linse hat, kann man dieses Problem dank Bildstabilisator aber meist umgehen. Bei Nutzung eines 50-mm-Objektivs waren – mit sehr ruhiger Hand – Belichtungen von bis zu einer Sekunde möglich, noch einfacher war es bei 24 mm.

Serienaufnahmen sind bei Nutzung des mechanischen Verschlusses mit maximal 14 Bildern pro Sekunde möglich – allerdings nur mit Einzel- oder manuellem Fokus. Will man Serienaufnahmen mit fortlaufender Fokussierung, bleiben acht Bilder pro Sekunde übrig, bei Nutzung des elektronischen Verschlusses sogar nur noch fünf.

Auch der Autofokus ist bei der Fotografie mehr schlecht als recht, vor allem dann, wenn man ihn mit den Systemen von Sony, Canon oder Nikon vergleicht. Hat ein Motiv keinen ausreichenden Kontrast, kommt es durchaus vor, dass die Kamera überhaupt keinen Fokus findet, weder im Vorder- noch im Hintergrund. In anderen Situationen wählte sie statt der gewünschten Person in der Bildmitte die Bäume dahinter, wohlgemerkt bei Nutzung eines mittigen Fokuspunkts. Ein Problem also, das Fotografen eher zur Konkurrenz lenken dürfte.

Was sonst noch wichtig ist

Den Fokus auf Videografie kann man auch an der technischen Ausstattung erkennen. Verbaut wurden ein Kopfhörer- und ein Mikrofonanschluss, ein USB-C- und ein vollwertiger HDMI-Port für die Verbindung von externen Recordern. Aufnahmen können sowohl auf einer SD- als auch auf einer CFExpress-Type-B-Karte abgespeichert werden. Letztere haben besonders schnelle Schreib- und Lesegeschwindigkeiten, die vor allem für das Filmen notwendig sind. Einzig die Abdeckkappen der Anschlüsse könnten etwas hochwertiger sein.

Foto: STANDARD / Manakas

Der OLED-Sucher löst mit 3,68 Millionen Pixeln auf und hat eine Bildwiederholrate von 60 FPS. Das schwenk- und drehbare Display hat hingegen ein Seitenverhältnis von 3:2 und eine Auflösung von 1,84 Millionen Bildpunkten. Trotz der eigentlich passablen Auflösungen können beide nicht begeistern. Die Farben wirken matt, teils unterscheidet sich die Anzeige des Livebilds vom anschließend geschossenen Foto. Sogar die Schwarzwerte sind nicht sonderlich gut, obwohl ein OLED-Panel zum Einsatz kommt. Ein Punkt also, an dem bei einem Nachfolger nachgebessert werden sollte.

Fazit

Die Panasonic GH6 ist keinesfalls perfekt. Vor allem die Bedienung, also die Platzierung mancher Knöpfe, sollte bei der Weiterentwicklung eines möglichen Nachfolgers überdacht werden. Der kleine Sensor macht sie außerdem zur falschen Wahl für Fotografinnen und Fotografen. Selbst Panasonic selbst ist mit den Vollformatkameras der S-Linie eine bessere Wahl für ebendiese.

Die Kamera kann jedoch fast alle diese Mängel mit ihren umfangreichen Videofunktionen wettmachen. Die Möglichkeit anamorpher Aufnahmen, aber auch 4K/120 FPS und RAW-Video bei Benutzung eines externen Recorders eröffnen Videografen zahlreiche Möglichkeiten. Dank des Bildstabilisators können einige Szenen sogar aus der Hand geschossen werden, unterstützt durch unterschiedliche Hilfsmittel für den manuellen Fokus und die Aufnahme im Allgemeinen.

Diese Ausstattung ist deshalb so besonders, weil die GH6 "nur" etwa 2.000 Euro kostet. Ein Preis, für den die Konkurrenz oft ihre Einstiegsmodelle anbietet. In Kombination mit der mittlerweile ziemlich großen Auswahl an Micro-Four-Thirds-Objektiven, die am Gebrauchtmarkt zu passablen Preisen gehandelt werden, liefert Panasonic hier ein wirklich rundes Paket ab. Wer überlegt, in die Videografie einzusteigen und auch in den kommenden Jahren nicht upgraden will, ist mit der GH6 also gut bedient. Dasselbe gilt aber auch für jene Menschen, die schon länger in der Branche arbeiten und eine kompakte Videokamera für kleinere Aufträge brauchen. Ein vergleichbares Preis-Leistungs-Verhältnis hat kaum ein Konkurrent. Ein Urteil, das auch von der mittelmäßigen Bedienbarkeit und dem langsamen Autofokus nicht getrübt werden kann. (Mickey Manakas, 26.11.2022)