Selbst wenn am Montag doch nicht gestreikt wird: Einzelne Zugausfälle sind aufgrund der Vorlaufzeiten programmiert.

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Wien – Aufzuhalten ist der für kommenden Montag angekündigte Eisenbahner-Warnstreik eigentlich nicht mehr. Denn was immer in den nächsten drei Tagen zwischen Fachverband Schienenbahnen und Gewerkschaft Vida ausverhandelt werden mag: Fixiert werden kann ein Kollektivvertragsabschluss nach Lesart der Eisenbahner- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida nur nach Zustimmung der Basis. Und so ein Votum kann bekanntlich dauern.

In der Praxis hat diese Gleichung noch viele Unbekannte, zu viele, wie in Sozialpartnerangelegenheiten geübte Praktiker anmerken. So sei es wohlgeübte Praxis, dass die betroffenen Unternehmen mindestens drei Tage vor Beginn von Arbeitsniederlegungen informiert würden. Diese Frist steht zwar nicht im Arbeitsverfassungsgesetz, als Richtschnur gilt aber eine Betriebsvereinbarung der ÖBB. Diese sieht vor, dass Betriebsversammlungen mindestens drei Tage im Voraus anzumelden sind, um Fahrplanausfälle klein zu halten und Schienenersatzverkehr organisieren zu können, sagt ein mit der Materie vertrauter Bahngewerkschafter. Und: "Welches Pouvoir haben die Vida-Verhandler, wenn sie ihre Mitglieder fragen müssen, ob ihnen der Abschluss genehm ist?"

Streik noch nicht offiziell

Beobachter schließen nicht aus, dass der für 24 Stunden anberaumte Warnstreik auf zwei oder drei Stunden zur Mittagszeit eingedampft wird.

Wie auch immer es ausgeht: Bis Donnerstagnachmittag waren die Arbeitgebervertreter rund um Thomas Scheiber, Chef der Innsbrucker Verkehrsbetriebe, über den von der Vida angekündigten Warnstreik nicht einmal offiziell informiert. Gut möglich, dass diese Information hinfällig wird. Denn im Ö1-Mittagsjournal erklärte Arbeitnehmer-Chefverhandler und Vida-Funktionär Gerhard Tauchner, "gemeinsam" nach einem Verhandlungstermin vor Montag zu fahnden. Das war zu diesem Zeitpunkt mit den Arbeitgebern nicht abgesprochen. Er könne ausschließen, dass es eine Anfrage oder auch nur einen Terminvorschlag gebe, betonte Scheiber – hörbar entnervt – auf Anfrage des STANDARD.

Druck im Kessel

Bewegung in die Sache dürfte Druck von mehreren Seiten gebracht haben. Denn bei den Eigentümervertretern der Staatsbahn ÖBB ist das Verständnis für die Verhandlungsführung der Arbeitnehmer endenwollend. Das Angebot sei nicht schlecht und ein 24-Stunden-Streik nicht verhältnismäßig, argumentiert man im Verkehrsministerium.

Auf Kosten der Steuerzahler

Ein Streik der überwiegend von der öffentlichen Hand finanzierten Eisenbahner für höhere Gehaltserhöhungen, als sie Beamte und Metaller bekommen, stößt zunehmend auch im ÖGB auf Unverständnis. In Teilgewerkschaften rümpft man bereits die Nase darüber, dass den Eisenbahnern ein durchschnittliches Gehaltsplus von acht Prozent zuzüglich 1000 Euro Einmalzahlung ungenügend ist – obwohl die zugrunde liegende Mindesterhöhung um 200 Euro in unteren Beschäftigungsgruppen ein Plus von zwölf Prozent bringt (im Durchschnitt neun Prozent) – bei einer Inflation im maßgeblichen Zeitraum von 7,5 Prozent. Die Ankündigung der ÖBB, auch die niedrigsten Gehälter auf 2000 Euro brutto pro Monat zu erhöhen, ist da noch gar nicht eingerechnet.

Die Vida forderte am Donnerstag unverändert 400 Euro – und nimmt Einschränkungen im Berufsverkehr bewusst in Kauf. Selbige scheinen aufgrund langer Vorlaufzeiten im Bahnverkehr unvermeidlich. Vida-Chef und ÖBB-Konzernbetriebsratschef Roman Hebenstreit sagte zur Causa prima: nichts.

"Kana da"

In der Produktionsgewerkschaft Proge, die am Montag ihrerseits bei den Brauereien einen Streik abhält, schäumt man. Solidarität bräuchten die 500.000 Handelsangestellten, nicht die Eisenbahner, sagte ein Metallgewerkschafter, der anonym bleiben wollte. Von der ÖGB-Führung war nichts zu vernehmen. ÖGB-Chef Wolfgang Katzian weilte in Zürich, und eine hundertköpfige ÖGB-Delegation war überhaupt weit weg vom Schuss, nämlich beim Weltgewerkschaftstag in Melbourne in Australien.

"Kana da", ätzte ein Funktionär in Anspielung auf den Ausbruch der Bawag-Spekulationskrise. Damals war ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch in Kanada auf Urlaub und tagelang nicht erreichbar. (Luise Ungerboeck, 25.11.2022)