Der Buchtipp von Katharina Rustler verspricht einen trockenen und morbiden Schmäh.

Foto: Hedi Lusser / DER STANDARD

Regina Steinbruch ist nicht unbedingt eine liebenswürdige Person. Das sieht sie auch selbst so. Die etwa Vierzigjährige ist eigentlich grundunsympathisch. Sie ist egoistisch, unhöflich und geht über Leichen, wenn es sein muss. Scheiß der Hund drauf! Egal ob beruflich oder privat, die Expertin für zeitgenössische Kunst findet, dass sie die Beste ist, der Rest ist egal. Eigentlich wird ihr Leben von ihrer Arbeit als Chefkuratorin im fiktiven Museum Belvertina (!) dominiert. Nichts liebt sie mehr. Mit ihren unkonventionellen Ausstellungen möchte sie es bis zur Direktorin schaffen.

Norbert Maria Kröll, "Die Kuratorin".
€ 24,00 / 304 Seiten.
Kremayr & Scheriau, 2022

Schmäh und Schwangerschaft

Dass Die Kuratorin von Norbert Maria Kröll in Wien spielt, passt natürlich hervorragend. Der Schmäh ist trocken und morbid. Die Figuren bringen einen zum Verzweifeln, und zugleich würde man gerne mit ihnen eine Flasche Rotwein teilen und zu viele Zigaretten rauchen. Mit diesen ungesunden Hobbys muss Regina übrigens bald aufhören, da sie unerwartet und ungewollt schwanger wird.

So direkt wie der teils überzeichnete Charakter der Protagonistin ist auch der Beginn des Buchs – es wird nicht lange gefackelt. Bei einem schlechten One-Night-Stand mit dem Künstler Marvin Gangler (laut Regina ein Volltrottel) reißt das Kondom. Die Pille danach wirkt nicht, der Abtreibungstermin ist schnell organisiert. Doch noch vor dem Eingriff entscheidet sie, dem (fast) einzigen Menschen, der ihr etwas bedeutet, ein Geschenk zu machen. Ein sehr großes.

Kind zu verschenken

Ihre beste Freundin Sue und deren Ehefrau Jen warten seit Jahren verzweifelt darauf, ein Kind adoptieren zu können. Es scheint aussichtslos. Regina beschließt, das Baby auszutragen und ihnen ohne Verpflichtungen zu überlassen. Das verläuft zuerst reibungslos und führt dann aus vielerlei Gründen zu sehr heftigen Konflikten zwischen den drei Frauen (und Erzeuger Marvin). Eigentlich ändert sich ab dem Zeitpunkt alles, als Regina einmal auf Baby Tom aufpasst.

Erfrischend und ungewöhnlich schreibt Kröll über Mutterschaft, Frausein, Karriere und Kunstszene. Seite für Seite schenkt er Regina neue Facetten. Am Ende schließt man sie fast ins Herz. Sie würde es hassen. (Katharina Rustler, 1.12.2022)