Der hochgehypte Künstler Amoako Boafo baut aktuell ein Atelierzentrum in seiner Heimat Ghana auf. Sein Einfluss auf jüngere Kollegen ist offensichtlich.
Foto: Jorit Aust / Bildrecht Wien / Shariat Collections

Als Initialzündung galt die Ausstellung Das schwarze Modell – Von Géricault bis Matisse im Pariser Musée d’Orsay.Florian Steininger, Direktor der Kunsthalle Krems, nahm diesen inspirierenden Besuch 2019 zum Anlass, ein ähnliches Projekt in der Heimat zu entwickeln – mit Gegenwartsbezug.

In einer Dreieckskonstellation mit dem britischen Kurator Ekow Eshun – einem Experten für afrikanische Gegenwartskunst – sowie dem Wiener Amir Shariat – aus dessen Sammlung sich die Präsentation speist – konzipierte der Direktor The New African Portraiture. Shariat Collections in Krems. Diese betrachtet aktuelle Tendenzen figurativer Malerei aus Afrika und rückt den schwarzen Körper ins Zentrum. Zentrales Anliegen war es, das "Schwarze Porträt" als Zeichen für "Black Identity" zu beleuchten.

Obwohl sich die Kunsthalle in den letzten Jahren eher mit Künstlerinnen um Diversität bemühte, ist sie – mit Ausnahme des Südafrikaners Robin Rhode – bisher wenig für ihre Ausstellungen mit nichtwestlichen Positionen oder Werken von People of Colour bekannt. Das soll sich in Zukunft ändern, für 2024 ist eine Einzelschau des Bildhauers Thomas J. Price geplant. Ein wichtiger, wenngleich strategischer Schachzug, der den Zeitgeist trifft und sich dem Hype um Kunst aus Afrika und der Diaspora fügt.

Spielbälle auf dem Markt

Bekanntester Name in der neuen Gruppenschau ist der in Ghana geborene Amoako Boafo, der zuletzt eine rasante Karriere hinlegte: Vom Studenten an der Akademie der bildenden Künste Wien, die er 2019 ohne Abschluss verließ, wurde der 38-Jährige binnen kürzester Zeit zum Kunststar hochgehypt und zum Spielball des Kunstmarkts.

Seine Gemälde gelangten in die Sammlung des Guggenheim-Museums und in Form einer Schenkung einer Arbeit auf Papier 2021 in den Bestand des Leopold-Museums in Wien. Anders als der Künstler auf seiner Webseite behauptet, nennt die Albertina derzeit aber noch kein Boafo-Werk ihr Eigen. Ein Direktankauf beim Künstler käme mittlerweile vermutlich günstiger als Shoppen auf dem Sekundärmarkt: Vom Auktionsrekord von knapp drei Millionen Euro für Hands up Ende 2021 bei Christie’s in Hongkong abgesehen, wechseln jüngere Werke derzeit nicht unter 300.000 Euro bei Auktionen den Besitzer.

Ein beachtlicher, aber gefährlicher Aufstieg des Künstlers, an dem auch Amir Shariat beteiligt war. Shariat bewegt sich auf dem internationalen Parkett in unterschiedlichen Rollen: Mal ist er Künstlermanager, dann wieder Sammler oder auch Berater, zwischendurch auch Kunsthändler. In letzterer Funktion war er einer der Akteure in der jüngst rund um André Heller bekannt gewordenen Causa: Shariat verkaufte den gefälschten Rahmen 2018 für 800.000 Euro an einen unbekannten Sammler und fädelte jetzt auch die Rückabwicklung ein.

Bewährtes Rezept

Zurück nach Krems: Dass Künstlerinnen und Künstler aus Ghana einen Großteil in der Ausstellung ausmachen, scheint kein Zufall zu sein. Einerseits zieht die wachsende Kunstszene der Hauptstadt Accra seit einiger Zeit internationales Interesse auf sich. Andererseits unterstützt Boafo, der selbst wieder dort lebt, andere Künstler durch ein ins Leben gerufenes Artist-in-Residence-Projekt. Aktuell lässt er ein von dem Stararchitekten David Adjaye entworfenes Atelierhaus errichten.

Der neue Rising Star: Der in Wien lebende Alexandre Diop verwendet gefundene Materialien für seine Porträt-Assemblagen. Hier sein: "Autoportrait qui baise la loi Showing the Authority the Middler Finger", 2021.
Foto: Alexandre Diop / The Shariat Collections / Jorit Aust

Dass er vielen jungen Kollegen nicht nur Studios zur Verfügung stellt, sondern auch als unmittelbares Vorbild gilt, verraten Werke von Millicent Akweley oder Aplerh-Doku Borlabi. Das Rezept scheint bewährt: monumentale Figuren, bunte Kleidung, Betonung der Hautfarbe. In den von Schiele beeinflussten Werken Boafos sind es mit den Fingern gemalte Brauntöne, bei Akweley Patchworkarbeiten und bei Borlabi Kokosnussschalen. Ein "Signature-Style", der sich bei den in den letzten zwei Jahren entstandenen Arbeiten widerspiegelt. Durch die Nachfrage am Markt scheint Boafos Stil längst zur Marke geworden. Kunst und Markt seien nicht zu trennen, so Direktor Steininger.

Dies bestätigt auch die Tatsache, dass – anders als bei einer Präsentation einer Privatsammlung in einer öffentlichen Einrichtung üblich – der Großteil der gezeigten Werke erst während der Entstehung der Ausstellung angekauft wurde. Nur von einem Teil der insgesamt 24 Künstler habe Shariat Werke vor dem Projekt besessen, sagt Steininger. Der Rest kam 2021 oder erst 2022 dazu. Bis auf wenige Ausnahmen entstanden die ausgestellten Porträts auch erst in den letzten zwei Jahren. Ein Fakt, der den Anschein einer Verkaufsshow verstärkt. Zwar wird beteuert, die Werke stünden aktuell nicht zum Verkauf, da Krems die erste Station einer Tour sei. Der dadurch steigende Wert der Sammlung steht aber außer Frage.

Der nächste Rising Star

Etwa im Falle von Alexandre Diop. Mit mehreren neuen Werken ist der Künstler mit senegalesischen Wurzeln in der Schau prominent vertreten. Seine Porträt-Assemblagen aus gefundenen Materialien gelten als lokales Highlight, der 1995 in Paris geborenen Künstler als neuer Rising Star. Diesen begann sein Manager bereits vor einigen Monaten in Rundrufen bei Investoren und Museumskuratoren anzupreisen.

Von 5000 bis 10.000 Euro je Werk soll damals die Rede gewesen sein, von einer Okkasion angesichts des bevorstehenden internationalen Durchbruchs. Das für eine Benefiz-Aktion für das Norton Museum of Art zur Verfügung gestellte Le Revendikateur blieb bei einem Schätzwert von 18.000 bis 27.000 Euro jedoch unverkauft. Es ist der vorerst einzige Eintrag zu Alexandre Diop in einer Kunstpreisdatenbank. In welcher Größenordnung seine Werke derzeit hinter den Kulissen gehandelt werden, ist unbekannt. Auch die Albertina lässt sich nur bedingt in die Karten schauen. Den Ankauf seines Triptychons Il était une fois le Mouton Noir finanzierte man aus den Mitteln des Fundraising-Dinners im September, das rund 324.000 Euro einspielte.

Diops Werk soll "deutlich weniger als ein Drittel" dieser Einnahmen gekostet haben, also rund 100.000 Euro. Für die bekannte amerikanische Sammlerfamilie Rubell fiele das garantiert in die Kategorie Schnäppchen. In deren Museum in Miami ist Alexandre Diop gerade Artist-in-Residence, so wie schon Boafo vor ihm. Es ist nicht die einzige Parallele der beiden Absolventen der Akademie der bildenden Künste, deren Stil von der Wiener Moderne inspiriert ist. Diops Manager? Der Sammler Amir Shariat. (Katharina Rustler, Olga Kronsteiner, 25.11.2022)