Jens Spahn, ehemaliger Gesundheitsminister in Deutschland, hat großen Erklärungsbedarf bezüglich des Kaufs seiner Villa.

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Im Berliner Südwesten, in Dahlem, lässt es sich gut leben. Es ist ruhig und grün, ein schönes Einfamilienheim reiht sich an das nächste. Gefallen hat das auch dem ehemaligen deutschen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und seinem Ehemann Daniel Funke, der für den Burda-Verlag ("Focus", "Bunte") arbeitet.

Im Sommer 2020 kaufte das Ehepaar eine Villa in Dahlem. Das Eigenheim wurde im Jahr 1922 erbaut und hat 285 Quadratmeter Wohnfläche mit Wintergarten. Die Kosten: 4,125 Millionen Euro. Rechnet man die Grunderwerbssteuer von sechs Prozent und eine Maklercourtage von 7,14 Prozent noch dazu, dann wären es rund 4,6 Millionen Euro.

Woher kommt das Geld?

Das fragen sich seit mehr als zwei Jahren immer wieder deutsche Medien wie "Zeit", "Spiegel" oder der Berliner "Tagesspiegel". Den Kaufpreis hatten sie bald herausgefunden, dagegen ging Spahn gerichtlich vor, bekam aber letztendlich vom Hamburger Oberlandesgericht beschieden, er müsse als "als einer der profiliertesten deutschen Politiker hinnehmen, dass in deutlich weiterem Umfang" über ihn berichtet werde als über Privatpersonen. Hochrangige Politiker müssten sich "als Repräsentanten des Staates schon grundsätzlich eine kritische Befassung mit ihren finanziellen Verhältnissen gefallen lassen", zumal im Falle Spahns von einer "ungewöhnlich teuren Immobilie" zu sprechen sei, "die für durchschnittliche Verdiener außerhalb jeder Reichweite ist und auch mit der Vergütung eines Bundesministers nicht ohne Weiteres zu bezahlen ist".

Also wurde auch bekannt, wie Spahn und Funke die Villa finanziert haben: Eine Grundschuld von 1,75 Millionen Euro übernahm die Sparkasse Westmünsterland, die Hausbank des Ministers, bei der er – ein gelernter Bankkaufmann – lange im Verwaltungsrat saß. Für 313.000 Euro sprang die Provinzial Nordwest Lebensversicherung ein. Dies, berichteten Medien, gehe aus der Grundbuchakte hervor.

Zwei Millionen fehlten

Doch es fehlten noch zwei Millionen Euro. Diese, so schreiben "Zeit" und "Spiegel", sollten ursprünglich ganz woanders herkommen: von der Raiffeisenbank Attersee-Süd in Oberösterreich. Laut "Zeit" veranlassten Spahn und sein Mann ihre Notarin am 14. August 2020 (einem Freitag), die Grundschuld auf die neue Immobilie einzutragen. Dann berichtete erstmals "Business Insider" über den Villenkauf. Drei Tage später, am Montag, 17. August, wurde der Antrag zurückgezogen, die österreichische Bank war aus dem Spiel. Es übernahm doch wieder die Sparkasse Westmünsterland.

"Die Zeit" recherchierte weiter und schrieb schließlich im Mai 2021: "Zunächst hatten Spahn und Funke geplant, diese Lücke über die Raiffeisenbank Attersee-Süd aus Nußdorf in Österreich zu schließen, bei der eine Erbschaft Funkes verwaltet wird." Immer wieder sei aus dem Umfeld Spahns versichert worden, Ehemann Funke habe von seinem 2019 verstorbenen Vater geerbt, das Geld liege in Österreich. Spahn und Funke hätten nie dementiert.

Kein Vermögen

Nun aber berichtet der "Spiegel" unter dem Titel "Der Schatz vom Attersee", dass die Geschichte mit der Erbschaft nicht stimmen könne. Das Magazin hat im Umfeld von Daniel Funkes verstorbenem Vater Thomas Funke recherchiert, der in Baden-Württemberg Lehrer war. Dem "Spiegel" wurde von mehreren Befragten versichert, Funke habe kein Vermögen und auch mit Österreich "null Komma nix am Hut" gehabt.

Mit diesen Aussagen konfrontiert, erklärte ein Sprecher Spahns dem "Spiegel": "Dass Herr Funke Senior nicht vermögend war und nie in Österreich gelebt hat, ist dem Ehepaar Funke/Spahn bekannt."

Und "Die Zeit" erhielt folgende Antwort: "Die Darstellung, dass bei der Raiffeisenbank Attersee-Süd in Österreich eine Erbschaft verwaltet würde, ist nicht zutreffend. Wie es zu dieser Darstellung kam, kann Herr Spahn nicht nachvollziehen."

Keine Angaben

Laut "Zeit" wollten sich Spahn und Funke nicht zum Geld am Attersee äußern. Im Umfeld der beiden sei zu hören, dass Funke in Österreich ein Konto und auch ein Depot eröffnet habe, um dort Wertpapiere zu verwalten. Funke und Spahn hätten unter anderem Immobilienerlöse in Wertpapiere investiert. Die Papiere im Depot in Österreich seien über die Zeit deutlich im Wert gestiegen. Im Jahr 2020 habe Funke das Depot schließlich geschlossen. Die Wertpapiere seien in ein Depot bei der Sparkasse Westmünsterland verschoben worden. Steuern seien nicht angefallen. Mit dem Geld habe alles seine Richtigkeit.

"Der Spiegel" bot Spahn und Funke an, Belege auf den Tisch zu legen und sicherte Vertraulichkeit zu. Beide lehnten ab. Spahn hat vor kurzem ein Buch veröffentlicht. Es heißt "Wir werden einander viel verzeihen müssen". Der Titel ist eine Anlehnung an eine Aussage Spahns im April 2020, als er für die Corona-Schutzmaßnahmen der deutschen Regierung warb. In dem Buch äußert er sich auch zum Kauf der Villa. Den bereue er nicht. Aber der Zeitpunkt des Kaufes, mitten in der Corona-Pandemie, nannte er "politisch unklug, unsensibel". (Birgit Baumann aus Berlin, 25.11.2022)