Wenn es im Bauch zwickt, kann eine Lebensmittelunverträglichkeit dahinter stecken. Anders als bei einer Allergie – gegen Erdnüsse etwa – sind die Symptome aber oft diffus. Auch Stress oder eine vermeintliche gesunde Ernährungsweise können die Symptome auslösen.

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Es zwickt im Bauch, wenn man Milch oder Käse konsumiert. Laktoseintoleranz! Zu viel Obst sorgt für Verdauungsstörungen – der böse Fruchtzucker. Ein Buttersemmerl, schon bekommt man Krämpfe. Wegen des Glutens. Gefühlt jede zweite Person hat zumindest ein Problem mit dem Essen, manchmal sogar mehrere. Social Media ist voll von Berichten über Intoleranzen, meist gepaart mit Werbung für Unverträglichkeitstests oder Rezepten, wie man sie in den Griff bekommt. Angesichts der Fülle an nicht klar definierten Beschwerden könnte man den Eindruck gewinnen, eine Unverträglichkeit sei fast schon "chic".

Das ist, zugegeben, etwas polemisch. Und es stimmt auch nicht. Niemand hat gerne Bauchschmerzen nach dem Essen. Aber dass die Beschwerden allein daran liegen, dass man Bestandteile in den Nahrungsmitteln nicht verträgt, ist zu kurz gegriffen. Tatsächlich ist oft auch unser Lifestyle dafür verantwortlich.

Aber von vorn: Was ist überhaupt eine Unverträglichkeit? Man muss nämlich unterscheiden zwischen Allergie und Unverträglichkeit, das wird oft vermischt. "Bei einer Allergie reagiert das Immunsystem überschießend auf Proteine in Lebensmitteln, die an sich ganz normal verträglich wären", erklärt Karin Spiesz, Diätologin am Uniklinikum Salzburg. Die häufigsten Nahrungsmittelallergien treten schon im Kindesalter auf, die Beschwerden sind oft heftig, von Hautreaktionen, Erbrechen, Durchfall, Atemnot bis zum anaphylaktischen Schock – etwa bei einer Erdnussallergie, weshalb Lebensmittel, die Spuren von Erdnüssen enthalten, mit Warnhinweis versehen sein müssen. Auch im Erwachsenenalter können noch Allergien auftreten, das sind dann meist Kreuzreaktionen aufgrund einer Pollenallergie. Menschen, die eine Nahrungsmittelallergie haben, wissen das aber im Normalfall – wegen der starken Beschwerden und weil es verlässliche Testverfahren gibt.

Diffuse Symptome

Anders ist die Lage bei Unverträglichkeiten. Auslöser sind da nicht Proteine, sondern meist Zuckerstoffe, etwa Milchzucker, also Laktose, oder Fruchtzucker. Die Symptome sind auf den Verdauungstrakt konzentriert und oft diffus, von Zwicken über Krämpfe bis zu Durchfall. Und es gibt noch einen wichtigen Unterschied, betont Spiesz: "Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind nicht lebensgefährlich. Und sie lösen auch keine weiteren Krankheiten wie etwa Morbus Crohn aus."Unangenehm bis hin zu massiv die Lebensqualität mindernd sind sie aber schon.

Die Ursachen für Unverträglichkeiten sind unterschiedlich, bei Laktose etwa gibt es eine genetische Komponente. Bei Fruchtzucker ist oft eine übermäßige Zufuhr das Problem, weil er vielen Produkten und Getränken zugesetzt ist oder auch weil man viele Smoothies trinkt. Beide Unverträglichkeiten können über einen Atemtest festgestellt werden. Bei Gluten ist nicht ganz klar, ob es tatsächlich dieses Getreideprotein ist, das man nicht verträgt. Einen Test gibt es nicht, es wird über Ausschlussverfahren diagnostiziert. Tatsächlich fühlen sich viele Menschen wohler, wenn sie Weizen weglassen, aber das könnte auch an bestimmten Enzymen oder Spritzmitteln liegen, die man dann nicht mehr konsumiert.

Fragwürdige Onlinetests

Der Schluss, dass ein Lebensmittel schuld an einem Unwohlsein ist, liegt nahe, weil ja der Verdauungstrakt betroffen ist. Er ist aber trügerisch. Liefert ein Test keine klare Antwort, greifen deshalb viele zu Heimtestkits, die meist online angeboten werden. Die klingen vielversprechend, je nach Test muss man lediglich ein paar Blutstropfen oder eine Speichelprobe einsenden. Die Auswertung zeigt, welche Nahrungsmittel man weglassen soll, dazu das unterschwellige Versprechen, dass das Bauchgrimmen damit vorbei wäre. Nur haben solche Tests im Bereich der Nahrungsmittel keine Aussagekraft, sagt Spiesz: "Meist sind das sogenannte IgG-Tests, die die Immunantwort auf bestimmte Stoffe prüfen. Schlagen die an, zeigt das im Grunde nur, dass das Immunsystem mit einem Stoff Kontakt hatte, aber es zeigt keine Unverträglichkeit."

Viele, die glauben, Unverträglichkeiten zu haben, essen einfach falsch. Dann rebelliert der Bauch.

Anders sehen das, naturgemäß, die Anbieter solcher Tests. Bianca Gasser vom Anbieter Kiweno betont: "Bei Unverträglichkeiten reagiert das Immunsystem, auch wenn das keine schweren Symptome hervorruft. Aber wenn die Körperabwehr ständig getriggert wird, dann fällt es dem Körper einfach schwer, ganz fit zu sein." So ein Test, sagt sie, kann eine Hilfestellung bieten, was man nicht so gut verträgt. Das lässt man dann eine Weile weg und schaut, ob es sich bessert. Aber Gasser betont auch: "Die Ernährung ist sicher ein wichtiger Teil. Doch dreht man nur an dieser Schraube und ändert sonst nichts im Leben, wird das nicht viel bewirken. Wir leben in einer Stressgesellschaft. Der Darm reagiert auf Stress prinzipiell sensibel, und das spüren viele Menschen." Die Unverträglichkeiten seien ein Symptom, das aufzeigt, man müsse prinzipiell etwas am Lebensstil ändern.

Wenn Smoothies Bauchweh machen

Dass Stress ein großes Thema ist, bestätigt auch Diätologin Spiesz: "Es gibt bei Unverträglichkeiten Graubereiche, wo eine Diagnose schwierig ist. Da hilft es, wenn man sich den Lebensstil der Person genauer anschaut." Aber sie weist auch auf einen Auslöser hin, der vor allem bei jüngeren, gesundheitsbewussten Menschen häufig ist: eine vermeintlich gesunde Ernährung. "Viele, die glauben, Unverträglichkeiten zu haben, essen einfach falsch. Wenn man morgens Haferflocken mit Kokosjoghurt und Banane isst und dann stundenlang nichts, fehlen Eiweiß und Fette, es ist normal, dass der Bauch rebelliert." Unruhe in den Darm bringt auch exzessives Smoothietrinken: "Da wird in kurzer Zeit so viel Fruktose aufgenommen, das kann der Darm gar nicht verarbeiten." Weitere Problemverursacher: ständiges Snacken oder Nebenbeiessen, beim Fernsehen oder am PC.

Ein allgemeingültiges Rezept hat auch Spiesz nicht, man müsse jede Person individuell beraten und Ernährungsmuster analysieren. Aber ein paar simple Tipps hat sie: "Langsam und bewusst essen, gut kauen, und das in Ruhe, nicht nebenher. Macht man das, ist schon sehr viel gewonnen. Dann kann man die Listen mit all den Dingen, die man weglassen soll, entsorgen, denn die kosten nur Lebensqualität. Und Essen sollte doch in erster Linie Genuss und Freude bereiten." (Pia Kruckenhauser, 26.11.2022)