Weil die Ergebnisse die "Erwartungen nicht erfüllt" hätten, tritt Staatspräsidentin Tsai Ing-wen am Samstag als Chefin ihrer Partei zurück.

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Taipeh – Nach einem Rückschlag bei den Kommunalwahlen in Taiwan ist Staatspräsidentin Tsai Ing-wen als Chefin ihrer Partei zurückgetreten. Tsai hatte die Wahlen am Samstag zur Abstimmung über den harten Abgrenzungskurs der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DFP) gegen die Volksrepublik China erklärt. Die DFP verlor jedoch den Kampf um das Bürgermeisteramt der Hauptstadt Taipeh gegen die Kuomintang (KMT), die größte Oppositionspartei im Parlament. Die KMT hat nach vorläufigen Ergebnissen Aussicht auf bis zu 13 der 21 zur Wahl stehenden Bürgermeister- und Bezirkschefposten im Land. In Taipeh war der einer kleineren Partei angehörende Bürgermeister nicht mehr zur Wahl angetreten.

"Die Ergebnisse haben unsere Erwartungen nicht erfüllt", räumte Tsai am Samstag ein. Sie gebe den Vorsitz der DFP ab, wolle jedoch ihre bis 2024 laufende Amtsperiode als Staatspräsidentin erfüllen. Ein Rücktrittsangebot von Su Tseng-chang, der ebenfalls der DFP-Parteiführung angehört, habe sie abgelehnt. Su erklärte sich nach Angaben seines Kabinetts angesichts der "schwierigen" innen- und außenpolitischen Lage zu einer Fortsetzung seiner Amtsgeschäfte bereit.

Gebietsansprüche Chinas

Taiwan kämpft wie andere Länder mit den Folgen der Corona-Pandemie und sieht sich den mit zunehmendem Nachdruck vertretenen Gebietsansprüchen der Volksrepublik China konfroniert. Diese betrachtet das die demokratisch regierte Inselrepublik als Teil ihres Staatsgebiets und hat dies zuletzt mit wiederholten Militärmanövern untermauert.

Zwar pochen sowohl die DFP als auch die KMT auf die Unabhängigkeit Taiwans. Die KMT hatte sich nach der Niederlage gegen die Kommunistische Partei im chinesischen Bürgerkrieg 1949 auf die Insel Taiwan zurückgezogen und dort die Republik China etabliert. Die KMT verfolgt allerdings einen konzilianteren Kurs gegenüber dem großen Nachbarn als die DFP, der sie eine übertriebene Konfrontationspolitik vorwirft.

KMT-Parteichef Eric Chu bekräftigte nach dem Wahlerfolg am Samstag, seine Partei bleibe bei ihrer Linie. "Wir werden auf der Verteidigung der Republik China und dem Schutz von Demokratie und Freiheit bestehen", sagte er. "Wir werden uns anstrengen, den regionalen Frieden zu bewahren."

Chinesische Regierung gibt Stellungnahme ab

Die chinesische Regierung sah in dem Wahlausgang einen Beleg dafür, dass die große Mehrheit der Bevölkerung auf Taiwan Frieden, Stabilität und Wohlstand wollten. Man werde weiter mit der Bevölkerung auf der Insel an friedfertigen Beziehungen arbeiten und lehne entschieden eine Unabhängigkeit Taiwans oder ausländische Einmischungen ab, hieß es in einer Stellungnahme des Außenministeriums.

Chinas Präsident Xi Jinping sieht in Taiwan einen abtrünnigen Teil Chinas und will die Insel wieder der Volksrepublik einverleiben. Die Regierung in Peking geht gegen alle Staaten mit diplomatischen oder wirtschaftlichen Mitteln vor, die Beziehungen zu Taiwan pflegen. Vor zwei Wochen hatte Xi bei einem persönlichen Treffen mit US-Präsident Joe Biden die Taiwan-Frage zur roten Linie erklärt. (Reuters, APA, 26.11.2022)