Am Dienstag sollen laut Wirtschaftskammer-Fachverband die nächsten Schritte besprochen werden.

Foto: APA/EVA MANHART

Wien – Die fünfte Verhandlungsrunde zu einem neuen Bahn-KV ist am Sonntag gescheitert. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter gaben sich gegenseitig die Schuld am nun kommenden ganztägigen, österreichweiten Warnstreik der Eisenbahner am morgigen Montag. Nur Busse und kommunale Verkehrsbetriebe sind unterwegs, aber keine Regional-, Fern- und Nachtzüge oder S-Bahnen. Neue Gesprächstermine werden vor Dienstag wohl nicht gefunden. ÖBB-Chef Andreas Matthä kritisierte die vida für ihren "mutwilligen Streik.

Bereits im Vorfeld warnte die ÖBB, dass bei einem Streik der gesamte Bahnverkehr in Österreich am Montag zum Erliegen kommt. Sie ersuchten die Fahrgäste, nicht notwendige Fahrten zu verschieben bzw. alternative Reisemöglichkeiten zu wählen. Es kann bereits ab Sonntagabend bzw. bis Dienstagfrüh zu Ausfällen bei den Nightjet-und EuroNight-Verbindungen kommen. Die Bahn werde im Streikfall Details zu Einschränkungen, Verzögerungen oder Ausfällen auf oebb.at/streik, den ÖBB-SocialMedia-Kanälen sowie in der Fahrplanauskunft Scotty bekanntgeben. Alle Bahnunternehmen versuchen laut Scheiber, die Fahrgäste so gut es geht zu informieren und die Tickets zu ersetzen oder weiter gelten zu lassen.

Auch der City Airport Train (Cat) von Wien-Mitte zum Flughafen Wien in Schwechat und retour wird am Montag stehen. Es werde ein Schienenersatzverkehr angeboten, teilte der Airport am Sonntagnachmittag mit. Zudem sei die Autobusverbindung Vienna Airport Lines (Informationen unter www.viennaairportlines.at) planmäßig unterwegs. An Passagiere erging der Rat, ausreichend Zeit für die Anreise zum Flughafen einzuplanen.

Reaktionen: Stadt Wien und ÖAMTC

Wien Bildungsdirektor Heinrich Himmer hat indes auf Twitter bekanntgegeben, dass Pädagoginnen und Pädagogen, Schülerinnen und Schüler sowie Verwaltungsbedienstete von Wiener Schulen, die vom Streik betroffen sind, am Montag entschuldigt werden. Die Wiener Linien betonten ebenfalls auf Twitter, dass der Fahrplan der U-Bahnen, Straßenbahnen und Bussen unverändert aufrecht bleibt. Es wird allerdings mit einem "verstärkten Verkehrsaufkommen" gerechnet und daher die Nutzung der U-Bahnen empfohlen.

Der ÖAMTC prophezeite für den Montag in den Ballungsräumen "massive Verkehrsbelastungen". Der Autofahrerklub appellierte an die Pendler, Fahrgemeinschaften zu bilden oder Homeoffice zu nutzen. Es drohten aber trotzdem Schwierigkeiten, das Fahrzeug ganztags legal abzustellen. Daher gab es einen Appell in Richtung der Städte mit Parkraumbewirtschaftung, die Kurzparkzonen für diesen Montag aufzuheben. Zumindest sollte die Überwachung der Höchstparkdauer ausgesetzt werden, so der Vorschlag.

Gewerkschaft: "Acht Euro wenden keinen Warnstreik ab"

Die Gewerkschaft vida kritisierte nach den gescheiterten Verhandlungen, dass die Arbeitgeberseite der Wirtschaftskammer ihr ursprüngliches Angebot von plus 200 Euro (und Einmalzahlung von 1.000 Euro) zuletzt nur um acht Euro erhöht hätten. "Acht Euro wenden keinen Warnstreik ab", wurde vida-Chefverhandler Gerhard Tauchner in einer Aussendung zitiert. Die Arbeitgeber teilten hingegen mit, dass sie ihr Angebot von einem Plus von acht Prozent auf plus 8,44 Prozent erhöht hätten. Sie gaben der Gewerkschaft die Schuld einen Streik vom Zaun zu brechen und dabei einem Drehbuch zu folgen.

"Die Verantwortung für diesen Warnstreik, für die Auswirkungen auf die Pendlerinnen und Pendler sowie für den wirtschaftlichen Schaden liegt damit ausschließlich bei der Wirtschaftskammer. Hätte sie sich in den letzten zwei Monaten bewegt und ernsthaft verhandelt, hätten wir schon lange einen Abschluss", sagte Tauchner.

Forderungen laut Arbeitgeberseite unrealistisch

Die Arbeitgeber warfen den Arbeitnehmern vor, ihre Forderung weiter erhöht zu haben, was Tauchner gegenüber der Nachrichtenagentur APA in Abrede stellte. Arbeitgeber-Chefverhandler Thomas Scheiber fragte, warum niedrigere Gehaltsabschlüsse von der vida in anderen Branchen "abgefeiert" werden, aber bei der Bahn gestreikt werde. "Die Gewerkschaft nimmt mit ihren unrealistischen Forderungen die gesamte Branche und ihre Kunden in Geiselhaft", sagte Scheiber. "Wir haben uns in jede Richtung bewegt und zuletzt ein Angebot auf den Tisch gelegt, das höher ist, als sämtliche KV-Abschlüsse in diesem Jahr in allen anderen Branchen", betonte der Arbeitgeber-Vertreter.

Solange es bei der Eisenbahn noch 40-Stunden-Jobs gäbe, wie im Nachtzug, wo Kolleginnen und Kollegen lediglich 1.356 Euro netto im Monat als Einstiegsgehalt bekämen, gäbe es im Kollektivvertrag noch massiven Aufholbedarf, so Tauchner. "Wir fordern weiterhin einen monatlichen Fixbetrag in Höhe von 400 Euro auf KV- und Ist-Löhne, weil dieser insbesondere die niedrigen und mittleren Einkommen in Zeiten der anhaltenden Rekordinflation von inzwischen 11 Prozent (Oktober, Anm.) stützt", bekräftigt Tauchner.

Weitere Vorgehensweise wird am Dienstag besprochen

Der Gewerkschafter sagte auf Nachfrage der Nachrichtenagentur APA, wie und wann es denn jetzt mit Gesprächen weitergehen werde, wo die Situation besonders verfahren erscheint: "Wir haben angeboten, dass sich die Experten am Dienstag wieder zusammen setzen und schauen, was wir machen können. Danach haben wir rasch neue Termine als Ziel." Das war vorerst laut Tauchner aber noch nicht fixiert. Der zuständige Wirtschaftskammer-Fachverband teilte auf Nachfrage mit, dass man am Dienstagnachmittag zu einer "Vollversammlung/Erweiterte Ausschusssitzung" lade, um die Mitglieder zu unterrichten und die weitere Vorgehensweise zu beraten. Vor der Sitzung werde es keine neuen Terminvorschläge an die Gewerkschaft geben.

Man habe auch keine Forderung erhöht, wie dies die Arbeitgeber nun darstellten, sagte Tauchner. Es sei nur darum gegangen, wie die 400-Euro-Forderung genau ausgestaltet werden könne. Hierbei spielt die angebotene Einmalzahlung der Arbeitgeber eine Rolle.

Die ÖBB bedauerten am Sonntag die Nicht-Einigung der Sozialpartner. "Mir fehlt jedes Verständnis für diesen Streik", kritisierte ÖBB-Chef Matthä die Gewerkschaft vida in einer Stellungnahme ganz offen. "Die Arbeitgeberseite hat mit 8,44 Prozent das höchste Angebot aller Branchen gestellt", bekräftigte er. "Es ist ganz klar, ein mutwilliger Streik der Gewerkschaft. Es schmerzt mich, dass unsere Fahrgäste dermaßen in Mitleidenschaft gezogen werden." Matthä entschuldigte sich wie die Verhandler beider Seiten bei den betroffenen Fahrgästen. "Die ÖBB werden alles daran setzen, den Betrieb so rasch wie möglich wieder hochzufahren."

Die Forderung der Gewerkschaft hätte ihr zufolge eine durchschnittliche Erhöhung der Ist- und KV-Löhne von rund 12 Prozent bedeutet. Die Arbeitgeber sprachen von gut 13 Prozent, die die Gewerkschaftsforderung bedeute. In den unteren Gehaltsklassen handle es sich um fast ein Viertel mehr.

Forderung der Westbahn

Die mehrheitlich private Westbahn – deren Eigentümerin gehört zu 49,9 Prozent der Haselsteiner Familien-Privatstiftung, zu 32,7 Prozent der schweizerischen August Holding AG und zu 17,40 Prozent den französischen Staatsbahnen SNCF – zeigte sich "erschüttert, dass der Streik nicht vermieden wurde". Sie nutzte die Vorgänge, um eine Forderung zu stellen: "Eine grundlegende Voraussetzung, um solche untragbaren Situationen für die Zukunft bestmöglich zu vermeiden, ist die Entflechtung von Infrastruktur und Personenverkehr."

Die Infrastruktur – die gehört in Österreich den staatlichen ÖBB und wird von der Westbahn genützt -, müsse zwar in staatlicher Hand bleiben. Es müsse aber möglich sein, den Betrieb für die Reisenden aufrecht zu erhalten, selbst wenn die Sozialpartner hart verhandelten: "Mittels Infrastrukturbereitstellung durch eine staatliche Behörde, unabhängig von den ÖBB, können Situationen wie die, auf die sich Bahnreisende morgen einstellen müssen, künftig vermieden werden", so Posch und der weitere Westbahn-Manager Florian Kazalek am Sonntag in einer Aussendung. Schweden haben vorgezeigt, wie es gehe, in Deutschland gebe es dahingehend eine Diskussion.

Aus der Gewerkschaft hatte es geheißen, dass die Streikbereitschaft in allen Betrieben, also auch bei Westbahn-Mitarbeitenden, groß ist. Die Westbahn stellt die Situation in ihrem Betrieb so dar, als würde sie fahren, wenn sie denn die Infrastruktur nutzen könnte. (APA, red, 27.11.2022)