Trump hatte vor seiner Sperre im Jänner 2020 knapp 90 Millionen Follower. Auf diese kann er dieser Tage wieder zugreifen.

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Zuletzt musste Donald Trump umstrittene Rapper wie Kanye West oder den Antisemiten Nick Fuentes privat in sein Anwesen in Mar-a-Lago laden. Demnächst können sich die überzeugten Verbreiter von Falschinformationen auch wieder auf dem Nachrichtendienst Twitter versammeln und ihre Hassbotschaften an ein Millionenpublikum verteilen. Der Grund dafür ist die von Neo-Twitter-Chef Elon Musk ausgerufene "Generalamnestie", die alle gesperrten Accounts dieser Tage reaktiviert.

Volk hat gesprochen

Egal ob Unruhestifter, Hassredner oder Anhänger von Aussagen wie "die Erde ist eine Scheibe", alle sind sie dank Musk wieder herzlich willkommen, ihre Meinungen unters Volk zu mischen. Eine Harvard-Dozentin warf Musk deshalb kürzlich vor, damit ein "Tor zur Hölle" aufzumachen. Musk putzt sich ab, schließlich hat nicht er selbst entschieden. In seinem Wahn eine angebliche Demokratie auf Twitter einzuführen, lässt er mittlerweile über solche Themen seine drei Millionen Follower in von ihm erstellten Umfragen abstimmen. 72,4 Prozent sprachen sich in einer dieser Umfragen für die Generalamnestie für gesperrte Accounts aus. "Das Volk hat gesprochen", kommentierte Musk das Ergebnis.

Kein Mensch weiß, wer hier wirklich abgestimmt hat. Das Bot-Problem, wegen dem Musk kurzzeitig aus dem Kaufvertrag aussteigen wollte, besteht noch immer. Accounts von nicht existierenden Personen sind noch immer zahlreich auf der Plattform vertreten, obwohl Musk hier eigentlich Besserung versprochen hat. Stattdessen entschied er sich dazu, etwa 75 Prozent der Belegschaft vor die Tür zu setzen – auch große Teile jener Abteilungen, die bisher für das Auffinden, Löschen und Sperren von Falschinformationen oder offen formulierter Hassrede waren.

Nicht zu unterschätzende Relevanz

Während die Reichweite der Plattform in Österreich überschaubar ist, darf man die Relevanz von Twitter weltweit nicht unterschätzen. Allein Trump hatte vor seiner Sperre im Jänner 2020 knapp 90 Millionen Follower. Interessensgruppen finden sich hier schnell, dank einheitlicher Hashtags katapultiert man Themen rasant in die Trends der Plattform. Ohne Kontrolle ein Irrsinn. Einen roten Faden, an dem man sich orientieren kann, gibt es nicht. Einzige Konstante: Wer Musk beleidigt, fliegt raus. Alle anderen können offenbar bleiben.

Gut, dass zumindest zahlreiche Werbekunden diesen Höllenritt nicht mitmachen wollen. Egal ob Verizon oder Jeep, die Hälfte der Top-Anzeigenkunden haben ihr Engagement auf Twitter in den letzten Wochen ruhend gestellt. Ob Musk das mittelfristig zum Einlenken bewegen wird ist zu bezweifeln. Allein im Oktober konnte er 14 Millionen neue Nutzerinnen und Nutzer auf der Plattform begrüßen. Manche mögen es offenbar heiß. (Alexander Amon, 28.11.2022)