In der Wissenschaft braucht es oft einen langen Atem. Manchmal müssen sich Forschende in Geduld üben, bis endlich die entscheidende Technik verfügbar ist. Oder es fehlen die Forschungsmittel. Im Fall von Ingo Potrykus war es keines von beidem. Der heute 88-jährige Biologe präsentierte im Jahr 2000 eine Entwicklung, die einen wichtigen Beitrag leisten könnte, um Mangelernährung zu bekämpfen. Viele wollten aber nichts davon wissen. Und so dauerte es über 20 Jahre, bis nun auf den Philippinen die weltweit erste große Ernte der Pflanze eingeholt wird: Golden Rice.

Woher der Name "Golden Rice" stammt, ist auf den ersten Blick zu erkennen: Der höhere β-Carotin-Gehalt verleiht den Körnern eine leuchtend gelbe Farbe (im Bild rechts).
Foto: International Rice Research Institute

Die Geschichte des genetisch modifizierten Golden Rice zeigt geradezu beispielhaft, wie zerrüttet das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft in manchen Bereichen ist. Es ist auch eine Geschichte, die deutlich macht, wie wichtig der offene Dialog zwischen Forschenden und Gesellschaft ist, um die Akzeptanz von Wissenschaft zu steigern.

Zusätzliche Vitamine

Bereits Anfang der 1990er-Jahre entwickelte Ingo Potrykus (Eidgenössische Technische Hochschule Zürich) gemeinsam mit seinem Kollegen Peter Beyer (Universität Freiburg) die Idee, Reis gentechnisch so zu verändern, dass die Reiskörner mit erhöhten Mengen an β-Carotin, also Provitamin A, angereichert sind. Die transgene Pflanze bringt durch das zusätzliche β-Carotin viel gelblichere Reiskörner hervor, was zum Namen "Golden Rice" führte.

Viel wichtiger als die Farbe ist aber der Nährstoffgehalt: Provitamin A wird im menschlichen Körper zu Vitamin A umgewandelt. Gerade in Entwicklungsländern, wo hauptsächlich Reis gegessen wird, leidet ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung unter Vitamin-A-Mangel. Die Folgen sind dramatisch: Vitamin-A-Mangel schädigt die Augen, kann zu kognitiven Beeinträchtigungen führen und schwächt das Immunsystem, was insbesondere bei Kindern die Sterblichkeit stark erhöht. Könnte eine angepasste Reispflanze das Problem verringern?

Hindernisse und Widerstände

Als rund um die Jahrtausendwende erste Arbeiten zur erfolgreichen Züchtung von Golden Rice vorlagen, war das Echo zunächst euphorisch. Potrykus und seine Pflanze zierten etwa das Cover des "Time"-Magazins mit der Headline: "Dieser Reis könnte jedes Jahr Millionen Kindern das Leben retten".

Doch die Erfolgsgeschichte sollte nicht so schnell in Gang kommen wie erhofft. Zunächst zeigte sich, dass der Provitamin-A-Gehalt der ersten Golden-Rice-Variante geringer war als ursprünglich angenommen. Das konnte in einer Weiterentwicklung verbessert werden, indem statt einem Gen der Narzisse ein Gen der Maispflanze in den Reis eingeschleust wurde. Doch für die Umsetzung brauchte es erst Partner aus der Industrie, die das Projekt jenseits von Gewinninteressen zu unterstützen bereit waren.

Als größtes Hindernis sollten sich aber die gesellschaftlichen Widerstände und restriktive rechtliche Regulierungen darstellen. Für Potrykus nährten sich die Vorbehalte gegen Golden Rice aus der besonders in Europa verbreiteten Skepsis gegenüber Agrarkonzernen wie Monsanto. "Seitdem Monsanto versucht hat, transgene Nutzpflanzen in Europa einzuführen, wird nicht mehr sachlich über das Thema diskutiert", sagt Potrykus.

Trojanisches Pferd?

Die Proteste gegen Golden Rice gingen so weit, dass Aktivistinnen und Aktivisten Versuchsfelder vernichteten und versuchten, Saatguttransporte zu stoppen. "Da sind ganz irre Sachen passiert", sagt Ortrun Mittelsten Scheid vom Gregor-Mendel-Institut der Akademie der Wissenschaften in Wien, die selbst nicht in die Entwicklung von Golden Rice involviert ist. Insbesondere die Umweltschutzorganisation Greenpeace machte vehement gegen die gentechnisch veränderte Reissorte mobil.

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In der Provinz Jiangxi wird konventioneller Reis angebaut, die Zulassung von Golden Rice in China wird aber vorbereitet.
Foto: Picturedesk / AP / Huang Yang

"Golden Rice ist von beiden Seiten als Paradebeispiel benutzt worden", sagt Mittelsten Scheid. "Es gab die Seite der Wissenschaft, die in Golden Rice eine verbesserte Nutzpflanze gesehen hat, mit der man Gesundheitsrisiken reduzieren kann. Und es gab die andere Seite, für die Golden Rice nur ein trojanisches Gentechnik-Pferd war, das den Großkonzernen nutzt."

Die Befürchtung, der transgene Reis könnte sich unkontrolliert ausbreiten oder eine andere Gefahr darstellen, weist die Molekularbiologin Mittelsten Scheid zurück: "Ich würde behaupten, die nun angebaute Golden-Rice-Variante ist eine der bestuntersuchten Sorten der Welt. Und wir reden hier von einer Kulturpflanze, die uns braucht, um zu überleben. In der Umwelt hätte sie keinen Selektionsvorteil."

Humanitärer Zweck

Auch die Wahrnehmung, Gentechnik sei etwas Neues, Unerprobtes, sei wissenschaftlich nicht haltbar, sagt die Molekularbiologin. "Eigentlich betreiben wir seit 10.000 Jahren Gentechnik, seit wir sesshaft geworden sind", sagt Mittelsten Scheid. "Denn mit jeder Kreuzung, in jeder neuen Sorte, vermischen wir die Genome von verschiedenen Pflanzen und erhalten dabei völlig neue Kombinationen. Von dieser Erweiterung der genetischen Vielfalt, die eine uralte Kulturtechnik ist, profitieren wir alle."

Und die Unternehmen, die die Entwicklung möglich machten? Die Erfinder Potrykus und Beyer einigten sich mit diesen auf einen humanitären Zweck und eine lizenzfreie Abgabe für Kleinbauern, die das Saatgut selbst vermehren können und nicht auf Ankauf angewiesen sind. Finanzielle Unterstützung für das humanitäre Golden-Rice-Projekt gab es unter anderem von der Rockefeller Foundation, der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit und der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung.

Nobelpreisträger-Appell

Doch der Protest gegen das Golden-Rice-Projekt ließ nicht nach. 2016 sahen sich mehr als 100 Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger dazu veranlasst, Greenpeace in einem Brief dazu aufzufordern, die Kampagne gegen das Golden-Rice-Projekt einzustellen. Sie argumentierten mit Zahlen der Uno, wonach jährlich zwei Millionen Todesfälle auf Vitamin-A-Mangel zurückzuführen seien. Greenpeace bleibt bis heute beim ablehnenden Kurs.

Folgenschwerer war die restriktive Gesetzgebung: Lange wurde in keinem Land, dessen Bevölkerung von dem Reis mit höherem Provitamin-A-Gehalt profitieren könnte, eine Zulassung zum Anbau in größerem Maßstab erteilt. Erst 2021 war es auf den Philippinen so weit.

"Gerade noch geschafft"

Im Sommer 2022 folgte dann die erste große Aussaat. Und in diesen Tagen wurde nun die erste Golden-Rice-Ernte eingeholt, rund 70 Tonnen. Greenpeace verurteilte die Zulassung als "abscheuliche Entscheidung" und sprach von einem "monumentalen Verrat an den philippinischen Reisbauern".

Das staatliche philippinische Reisforschungsinstitut stufte die Pflanze als unbedenklich für Mensch und Umwelt ein, 2021 wurde der Reis auf den Philippinen zum Anbau zugelassen.
Foto: AFP / International Rice Research Institute

Potrykus freut sich angesichts seines Alters und der vielen Hürden, die erste Ernte noch zu erleben. "Ich habe es gerade noch geschafft", sagt er dem STANDARD. Für Mittelsten Scheid ist es "eine äußerst gute Nachricht in mehrfacher Hinsicht": Golden Rice könne helfen, Gesundheitsschäden zu reduzieren. Zudem sei die Züchtung ein "fantastisches Beispiel für den sinnvollen Einsatz der transgenen Technik in der Pflanzenzüchtung". Außerdem zeigt die Geschichte für die Forscherin, "dass schlussendlich wissenschaftliche Daten doch überzeugen können". (David Rennert, Tanja Traxler, 28.11.2022)