Die Glastafel des Anstoßes: Der Name eines Kriegsverbrechers wurde kurzerhand überklebt.

Werner Dedl

Linz – Der schwarze Schriftzug "Den Gefallenen zur Ehr, den Lebenden zur Mahnung" ziert die gläserne Tafel auf dem Ortsfriedhof von Peuerbach. Darunter sind 328 Namen von Menschen eingraviert, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben lassen mussten. So weit, so gewöhnlich. Wobei sich bei näherer Betrachtung doch durchaus Ungewöhnliches auftut. Inmitten der Gedenktafel findet sich nämlich ein weißes Klebeband. Darunter verborgen ein Name, der bis zum November 2020 in der Region offensichtlich niemanden gröber irritierte: Ferdinand Sammern-Frankenegg.

Vollblut-Nazi

Der Sohn der Gemeinde hat eine überaus dunkle Lebensgeschichte. 1897 in Grieskirchen geboren, war Sammern-Frankenegg ab 1929 Anwalt in Peuerbach und einschlägig politisch aktiv. 1932 trat er der SS bei, im März 1933 der NSDAP. Er war Ortsgruppen- und Bezirksleiter, Gauredner, Mitglied im Lebensborn e.V. Vor allem aber war Sammern-Frankenegg SS- und Polizeiführer im Distrikt Warschau, zuständig für die Deportation der jüdischen Bevölkerung. Das Warschauer Ghetto wurde ab Juli 1942 im Rahmen der "Endlösung der Judenfrage" aufgelöst, 350.000 Bewohnerinnen und Bewohner wurden in Vernichtungslager geschickt. In einem Brief an die Kreishauptämter ordnete Sammern-Frankenegg im März 1943 an, dass "sofort mit größter Energie" die bis dato nicht erfassten Juden "festzustellen und der Gendarmerie zur Liquidierung zuzuführen sind". Als Prämie wurde ein Drittel des Vermögens der gemeldeten Juden ausgelobt. Über Monate ließ Sammern-Frankenegg Menschen zum Abtransport zusammentreiben, bis zu 15.000 pro Tag.

Im September 1944 starb Sammern-Frankenegg nach einem Gefecht an den Folgen einer Verwundung durch eine Panzerabwehrkanone in Banja Luka. Ein Platz auf der örtlichen Ehrentafel fand sich für den NS-Kriegsverbrecher dennoch. Selbst als das Kriegerdenkmal am Peuerbacher Stadtplatz einem Friedensdenkmal weichen musste und 2008 auf den Friedhof verlegt wurde, störte sich niemand an dem Namen des NS-Schergen.

Lokaler Unwille

Erst der Recherche eines jungen Studenten aus dem Ort ist es zu verdanken, dass vor gut zwei Jahren zumindest ein wenig Bewegung in die heikle Angelegenheit kam. Der damalige Bürgermeister setzte dann mit dem Theologen und ehemaligen Leiter des Bildungshauses Schloss Puchberg, Wilhelm Achleitner, mit Elisabeth Schmidauer, Cousine der Frau des Bundespräsidenten sowie aus Peuerbach stammend, und der Peuerbacher Künstlerin Elisabeth Kramer eine Arbeitsgruppe ein.

Doch zwei Jahre und einen Bürgermeisterwechsel später scheint man von einer adäquaten Aufarbeitung der eigenen Ortsgeschichte und einer Neugestaltung des Denkmals weit entfernt zu sein. Einzige Maßnahme bisher: Vonseiten der politischen Verantwortlichen wurde der Name auf der Gedenktafel überklebt. "Man rennt gegen Mauern in dieser Sache. Ganz egal, wohin man sich wendet – ob Pfarre, Gemeinde, Bürgermeister. Offensichtlich ist man nicht gewillt, sich der eigenen Geschichte kritisch zu stellen, eine entsprechende Aufarbeitung anzustreben und letztlich das Denkmal neu zu gestalten", ärgert sich Achleitner im STANDARD-Gespräch.

Elisabeth Schmidauer hat Deutsch und Geschichte studiert, unterrichtet und lebt heute in Wien. Mit ihrer Heimatstadt Peuerbach hat sich die Pädagogin in den vergangenen Monaten aber intensiv beschäftigt. Herausgekommen ist eine umfassende Broschüre, die sich der braunen Vergangenheit im Allgemeinen und im Speziellen mit Ferdinand Sammern-Frankenegg auseinandersetzt. Auch Schmidauer ortet nicht den großen Veränderungswillen auf politischer Ebene: "Es scheint eine Angst vorzuherrschen, dass plötzlich gegen Familien von Alt-Nazis gehetzt wird. Dass es letztlich um eine späte Abrechnung geht." Gewünscht wäre vonseiten der Arbeitsgruppe eine "historische Aufarbeitung der Geschichte Peuerbachs während der NS-Zeit". Den Wunsch will man aber im Rathaus so nicht erfüllen. Dennoch sei eines klar: "Sammern-Frankenegg war ein Überzeugungstäter, der gewusst hat, was er tut. Das muss man auch der Bevölkerung vermitteln."

Überprüfung aller Namen

Natürlich sollte man vor einer Neugestaltung des Denkmals auch alle anderen Namen überprüfen: "Das müsste man sich im Archiv in Berlin anschauen. Was natürlich sehr zeitintensiv wäre. Aber abgesehen davon könnte man ja als Gemeinde sagen: ‚Was war denn da so los in Peuerbach?‘. Es gibt nämlich auch Opfer – Menschen, deren Angehörige etwa in Hartheim ermordet wurden. Oder man könnte aufrufen, dass Menschen, die Interesse haben, ihre Geschichte erzählen." Aber die Gemeinde habe "überhaupt kein Interesse", sich der eigenen Stadtgeschichte zu stellen. Schmidauer: "Der Bürgermeister sagt halt, das sei nicht ‚sein Ding‘, und nach über einem Jahr hat er sich immer noch nicht zumindest ein wenig eingelesen. Das ist doch eine Ausrede."

Was man im Peuerbacher Rathaus durchaus erbost zurückweist. "Seitens der Gemeinde sind wir sehr wohl bemüht, eine für alle passende Lösung für die Umgestaltung der Tafel zu finden", erläutert Bürgermeister Roland Schauer. Angedacht sei etwa eine "geschichtliche Erläuterung via QR-Codes", die an der Gedenktafel angebracht werden könnten. (29.11.2022; Markus Rohrhofer)