Die Personalsuche im Heeresgeschichtlichen Museum bleibt eine kontroversielle Angelegenheit. Die militärhistorische Sammlung des HGM zählt zu den wichtigsten Europas.

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Die Debatte um eine zeitgemäße Neuaufstellung des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) in Wien schleppt sich bereits seit 2019 dahin, als erstmals Kritik an der Ausrichtung und Führung des Hauses laut wurde. Zwei wissenschaftliche Evaluierungskommissionen stellten inhaltliche Mängel fest, der Rechnungshof sah große Probleme, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bekannte sich zu einem Neuanfang. Doch der lässt nicht nur auf sich warten, kritische Stimmen zweifeln zunehmend an der Ernsthaftigkeit dieser Ansage.

Christian Ortner, seit 2005 Direktor des Hauses, führt das HGM nach Auslaufen seines letzten Vertrags bereits zwei Jahre interimistisch. Dass sich sein Name nun nach einer Neuausschreibung des Postens erneut auf einem Dreiervorschlag an die Ministerin befindet und intern sogar erstgereiht sein soll, stößt auf Kritik aus der Politik sowie von Historikern und der musealen Fachwelt.

Gegen Ortner waren letzte Woche in einem via Gewerkschaft an die Ministerin gerichteten Schreiben zudem Mobbingvorwürfe von Mitarbeitenden des HGM erhoben worden (DER STANDARD berichtete). Sätze wie "Du bist ein Krebsgeschwür, das man herausschneiden muss", "Du bist ein Feind des Museums" oder "Das Abwehramt weiß alles, was du sagst, ich habe sie schon informiert", sollen gefallen sein, außerdem seien nicht genehmigte Urlaube als Bestrafungsmaßnahme eingesetzt worden. Ortner bestreitet die Vorwürfe vehement, das Ministerium will sie prüfen.

"Schritt zurück" gefordert

Kritik am gesamten Prozedere kam von SPÖ-Kultursprecherin Gabriele Heinisch-Hosek: Es sei "nicht nachvollziehbar, wie ein Direktor, gegen den sowohl wissenschaftliche Einwände und solche des Rechnungshofes bestehen als auch seine Führungsqualitäten angezweifelt werden, in dem Dreiervorschlag des Ministeriums landen konnte". Tanner müsse jetzt einen "Schritt zurück machen" und den Bewerbungsprozess neu starten. "Die vollständigen Bewerbungsunterlagen müssen nochmals unter Einbeziehung der Expertise des wissenschaftlichen Beirats gesichtet werden", fordert Heinisch-Hosek.

Dieser Beirat, Ende 2021 gegründet, hat den geltenden Regularien zufolge keinerlei Befugnis bei der Auswahl der Museumsleitung. Der Dreiervorschlag, der aus insgesamt 18 Bewerbungen erfolgte, wurde letztlich – wie im Ausschreibungsgesetz vorgesehen – von einer intern besetzten Kommission des Ministeriums erstellt. Dass sich in dieser keinerlei wissenschaftliche Expertise befindet, zieht nun auch Kritik aus der Wissenschaft nach sich.

In einem offenen Brief, den bis Redaktionsschluss mehr als 20 Unterzeichnende aus dem museologischen und historischen Fachgebiet unterfertigten, werden eine "Neuausschreibung und ein Berufungsverfahren, das öffentlich und unter Einbeziehung in- und ausländischer ExpertInnen stattfindet und den Weg zur grundlegenden Erneuerung des Museums öffnet", gefordert. Zu den Unterzeichnern gehören der Museologe Gottfried Fliedl, die Historikerinnen Heidemarie Uhl und Verena Moritz, Hanno Loewy (Direktor des Jüdischen Museums Hohenems) oder die Kulturwissenschafterin Elena Messner, die die zivilgesellschaftliche Initiative HGM neu denken ins Leben rief.

Ruf nach Neuausschreibung

Historikerin Verena Moritz, Mitglied der beiden Untersuchungskommissionen zum HGM, formulierte ihre Kritik in einem Statement an den STANDARD so: "Die Hoffnungen auf ein Museum, das sich nach außen öffnet, kritische Stimmen nicht als Bedrohung, sondern als Einladung zum Gespräch wahrnimmt, und das Militärgeschichte entlang wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Diskurse des 21. Jahrhunderts betreibt, nicht zugunsten einer allzu offensichtlich gesteuerten Personalpolitik zu begraben, sollte auch ein Anliegen des Verteidigungsministeriums sein."

Heidemarie Uhl von der Akademie der Wissenschaften sowie stellvertretende Vorsitzende der militärhistorischen Denkmalkommission plädiert für die Einsetzung einer unabhängigen und fachlich geeigneten Findungskommission: "Warum? Weil sich im Wissen um die strukturelle Problematik dieses Museums viele geeignete KandidatInnen erst gar nicht beworben" hätten, wie Uhl meint. Manche Kritiker meinen zudem, dass aussichtsreiche Bewerbende aus ideologischen Gründen aussortiert worden seien.

Bleibt es beim aktuellen Dreiervorschlag, so soll Ministerin Tanner durchaus Sympathien für den Grazer Historiker Georg Hofmann haben, der neben Dominik Kimmel vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz ebenfalls im Dreiervorschlag aufscheint. Ortner aber dürfte im ministerialen Umfeld Tanners sowie in der ÖVP mehr Unterstützung genießen, Sympathien bei Ex-Kanzler Sebastian Kurz und womöglich auch bei Nachfolger Karl Nehammer, der selbst Milizoffizier ist, werden ihm nachgesagt.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums hält gegenüber dem STANDARD fest, dass die Ausschreibung gemäß derzeitiger gesetzlicher Regelung erfolgt ist. Wenn man Findungskommissionen oder externe Wissenschafter in die Entscheidungsgremien mit einbeziehen wolle, müsse dafür das Ausschreibungsgesetz geändert werden oder das HGM nach Vorbild der Bundesmuseen aus dem Ministerium ausgegliedert werden. Beides aber war politisch bisher nicht gewollt. (Stefan Weiss, 29.11.2022)