Rockenschaub’sche Formenpalette: Auf grellem Mobiliar darf man Platz nehmen, der Körper braucht Ruhe für die bewusste Reizüberflutung.
Foto: Johannes Stoll / Belvedere Wien

Es muss Anfang der Nullerjahre gewesen sein, als Gerwald Rockenschaub zwei Konzerte mit seinem Club "the audioroom", den er 1995 gemeinsam mit Michael Meinhart gegründet hatte, im damals ungenutzten Schwanzer-Pavillon im Schweizergarten gab. Das ehemalige 20er Haus war bereits ins Museumsquartier abgewandert, das Belvedere 21 noch nicht gegründet. Der heute 70-jährige Künstler und Techno-DJ, der einst an der Hochschule für angewandte Kunst Wien studierte, kennt diese moderne Architekturikone der Nachkriegsmoderne also nur zu gut.

Für seine neue Ausstellung circuit cruise / feasible memory/regulator (Schreibweise beachten!) im Belvedere 21 nimmt er konkret auf die rasterhaften Formen des Hauses Bezug, bestückt den offenen Raum mit seinem reduzierten Vokabular und färbt ihn mit Rockenschaub’scher Farbpalette ein: Zwei grellgrüne Balken und ein pinkes Stehpult schieben sich da zwischen die Säulen und wollen benutzt werden – auf ausdrücklichen Wunsch des Künstlers soll man aber nicht darauf stehen.

Typisch Rockenschaub!

Wie immer bindet Rockenschaub das Publikum in seine Ausstellungsinstallationen mit ein, verwickelt es in die Architektur und schafft so ganz neue Zugänge. Bei seinem Beitrag auf der Biennale in Venedig 1993 installierte er eine Industriestiege im österreichischen Pavillon und ließ die Besucher und Besucherinnen aus den Dachfenstern blicken. In der Secession baute er 2012 eine quietschgelbe Plattform, auf der man dem Beethovenfries von Gustav Klimt ungewohnt nahekam.

Bezüge zur Malerei: Wie Gemälde fädeln sich klassisch gehängt vier mal sechs Bildschirme an den Wänden auf.
Foto: Johannes Stoll / Belvedere Wien

Typisch Rockenschaub, könnte man sagen. Doch die Ausstellung im Belvedere 21 ist zurückhaltender, fast subtil, möchte man sagen. Dort lässt der 1952 in Linz geborene Künstler das Zentrum komplett frei und verstellt die Glasfronten nur teils mit eingezogenen Wänden. Diese sind eigenständige Skulpturen und fungieren zugleich als Untergrund für seine Bilder. Bilder?

Bewegte Bilder

Obwohl Rockenschaub seit 1987 keine abstrakt-geometrischen Ölgemälde mehr schafft, die der Neo-Geo-Bewegung zuzuordnen sind, spielt die Malerei immer noch eine wichtige Rolle in seinem Werk. Wie Gemälde fädeln sich klassisch gehängt vier mal sechs Bildschirme an den Wänden auf. In diesen "bewegten Bildern" laufen insgesamt 24 selbstprogrammierte Animationen, die ebenfalls auf das Formen- und Farbenrepertoire des Künstlers zurückgreifen und trotz ihres minimalistischen, digitalen Jargons (Selbst-)Porträts oder Abstraktion zitieren.

Zwischen geometrischen Formen wie rosa Kreisen, lila Balken oder gelben Quadraten hüpft die Kontur des Künstlerkopfes selbst hüpft auf und ab.
Foto: Johannes Stoll / Belvedere Wien

Da fliegen rosa Kreise, drehen sich lila Balken oder rotieren gelbe Quadrate. Sie überlagern, verdrängen oder jagen einander, manchmal scheinen sie miteinander zu tanzen. Dazwischen zucken auch rot-weiß-rote Streifen als Österreichfahne oder die Kontur des Künstlerkopfes selbst hüpft auf und ab. Obwohl Rockenschaub seine Werke – seien sie aus Plexiglas, PVC oder Pixel – maximal reduziert, schlägt er gekonnt eine Brücke zwischen Vereinfachung und Komplexität. Seine Installationen seien stets "on point" – nicht zu viel und nicht zu wenig, sagt Kurator Axel Köhne. Nichts werde dem Zufall überlassen.

Sex für die Augen

Die maximal neun Sekunden dauernden und in Endlosschleife laufenden Videos ergeben einen gemeinsamen Rhythmus, der überraschenderweise völlig stumm auskommt. Rockenschaub verfolgt eine strenge Trennung zwischen seiner Musik und seinen "visuellen Soundtracks". Zum Winterfest des Belvedere 21 im Jänner spielt er aber live!

Beides wäre wahrscheinlich wirklich too much, die Augen sind beschäftigt, den unterschiedlich schnellen Bewegungen zu folgen und die sehr hellen und intensiven Farben zu verarbeiten. Nicht ohne Grund trug eine frühe Ausstellung Rockenschaubs den Titel Augensex. Ein Indiz für den Humor, der wie ein unsichtbares Sahnehäubchen auf den Werken des Künstlers sitzt. Dieser bezeichnet sich übrigens selbst als "funky minimalist". (Katharina Rustler, 29.11.2022)