Deckenlampen ohne Lichtschalter oder Kühlschränke, die mit dem Smartphone kommunizieren. So etwas bringt auch digitale Nachzügler nicht mehr aus der Fassung. Dass Daten direkt aus der Wand kommen, konkret von einem intelligenten Dübel, ist aber neu. Genau in diese Richtung will der deutsche Dübel-Weltmarktführer Fischer künftig ziehen. Wozu? Im Vordergrund stehe der Sicherheitsgedanke. Unterlegscheiben bekommen Sensoren, und smarte Dübel melden in Echtzeit eigenständig Überlastungen in Wänden, Gebäuden oder anderer kritischer Infrastruktur wie Windrädern.

In der Digitalisierung der Baubranche steckt viel Potenzial und noch viel mehr Geld. Hört man sich in der Branche um, sind technische Neuerungen aber schwer umzusetzen, Bauarbeiter reagierten oft skeptisch auf digitale Tools. Außerdem ging es der Baubranche in den vergangenen Jahren wirtschaftlich gut – Neuerungen in solchen Zeiten durchzubringen sei meist noch schwieriger, heißt es in Expertenkreisen.

Am Bau wehren sich Menschen anfangs oft gegen Digitalisierung, doch Firmen investieren Milliarden.
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Roboter gegen Mangel

Ein Problem, das alle haben, ist der Fachkräftemangel. Dass sich die Situation am Arbeitsmarkt zeitnah entspannt, erwartet kaum jemand. Ein Mitgrund, warum Fischer nach digitalen Alternativen sucht, um dem Fehlen der Arbeitskräfte entgegenzuwirken.

Eine erste Lösung fand Fischer mit dem österreichischen Unternehmen Baubot. Das Wiener Start-up hat einen Roboter gebaut, der auf Baustellen vollautomatisch in bis zu fünf Metern Höhe Löcher bohrt und Dübel setzt. Im besten Fall soll das 1,2 Tonnen schwere Vehikel gleich viele Dübel setzen wie fünf Menschen in derselben Zeit.

Baubot übernommen

Vergangenes Jahr hat Fischer das Start-up zu 75 Prozent übernommen und begonnen, gemeinsam neue Modelle zu entwickeln. Wie üblich wird über den Kaufpreis geschwiegen. Anfang 2023 startet der Baustellen-Testbetrieb mit drei Robotern. Man erhofft sich viel von dem 90 Zentimeter breiten Gerät, das Stiegen steigen kann und sich mittels Lasers eigenständig auf einer Baustelle zurechtfindet. "Der Roboter soll Menschen anstrengende und hochrepetitive Tätigkeiten abnehmen", sagt Baubot-Gründer Herwig Hengl. Der Akku halte einen Arbeitstag lang, und der Roboterarm bohre auf den Millimeter genau.

In bis zu fünf Metern Höhe bohrt der Baubot Löcher und setzt eigenständig Dübel.
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Im ersten Schritt schickt Fischer Mitarbeiter mit auf die Baustelle, die den Roboter überwachen – und übernimmt selbst die Haftung. Auf lange Sicht sollen die Roboter auch verleast oder verkauft werden.

Langsam aber doch

Wenn auch langsamer als in anderen Branchen, bahnt sich der digitale Umbruch an und auch Fischers Hauptkonkurrenten von Hilti und Würth investieren kräftig in die Modernisierung. Hilti setzt ebenfalls auf Roboter, und Würth eröffnete heuer ein Innovationszentrum für 75 Millionen Euro.

Robotik gilt für Fischer nur als ein neues Standbein. Umringt von Nadelbäumen im Nordschwarzwald, gleich in der Nähe des Firmenhauptsitzes, hat Fischer 2019 einen Innovationscampus eröffnet, wo 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frei vom klassischen Kerngeschäft an neuen Ideen basteln. "Wir wollen denken wie im Silicon Valley, in Europa ist das aber nicht so einfach", meint Innovationschef Marco Thiess. "Die wahre Konkurrenz kommt aus den USA und China. Dass Fischer, Würth und Hilti gemeinsam etwas entwickeln, um Europa zu stärken, ist aber undenkbar." In den USA sei das möglich.

Geld ist da, wie viel genau in die Innovationssparte fließt, bleibt aber geheim. Die Rede ist von 15 Prozent des Ebit (Gewinn vor Steuern). So viel steht fest: Fischer macht 2022 erstmals über eine Milliarde Euro Umsatz, viele Familienunternehmen dieser Größe gibt es in Deutschland nicht.

Modulares Bauen hat für Klaus Fischer große Zukunft. Für den aktuellen Baustil würden künftig auch die Ressourcen fehlen.
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Sanieren und Recyclen

"Es gibt viele Problemfelder, in denen die Baubranche hinterherhinkt. Die Digitalisierung wird uns dabei helfen", sagt Fischer-Eigentümer Klaus Fischer im Gespräch mit dem STANDARD. Sanierung und Recycling werde in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. "Werden Häuser abgerissen, sind sie heute zu 90 Prozent Sondermüll, das geht so nicht weiter. Es wird in Zukunft nicht einmal theoretisch genug Sand für solch einen Baustil geben", sagt der 72-Jährige. Modulares Bauen zähle zu den großen Zukunftstrends, ohne vorgefertigte Teile werde es nicht gehen.

Ein Blick in die Fertigungshallen im Schwarzwald zeigt, dass ohne Automatisierung auch heute nichts mehr ginge. Zahllose Maschinen werfen im Sekundentakt Dübel und Schrauben aus. Gerade ist das Unternehmen dabei, alle Maschinen digital miteinander zu vernetzen, um die Produktivität zu steigern. Zwölf Millionen Dübel produziert Fischer täglich, dazu werden jeden Tag 15 Tonnen Rohmaterial verarbeitet. (Andreas Danzer aus Waldachtal, 29.11.2022)