Vida-Gewerkschaftschef Roman Hebenstreit, zugleich ÖBB-Konzernbetriebsratschef, treibt die Eisenbahnbetreiber mit dem Bahnstreik vor sich her.

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Es gibt ihn doch. Nach wochenlangem Schweigen und auf Tauchstation trat Roman Hebenstreit am Tag des Warnstreiks an die Öffentlichkeit, um sich zu erklären. Die Begründung des Chefs der Gewerkschaft Vida für den 24-stündigen Arbeitsausstand ist einigermaßen originell. Denn, so meinte der im Hauptberuf als Vorsitzender der ÖBB-Konzernvertretung tätige gelernte Maschinenschlosser im ORF-Radio: Es gebe viel aufzuholen bei den Löhnen und Gehältern in der Eisenbahn.

Immer mehr Menschen kämen mit ihrem Einkommen nicht mehr aus, weil die Teuerung so hoch ist. Damit liegt der oberste Eisenbahner-Vertreter nicht daneben. Das gilt aber auch für hunderttausende Beschäftigte in Metallindustrie, Handel, Brauereien, Spitälern – und natürlich die Staatsdiener.

Es stellt sich die Frage, warum dies den Interessenvertretern der Werktätigen erst jetzt auffällt. Was haben die in der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida vereinten Kräfte, denen Hebenstreit seit 2016 vorsitzt, bei den Kollektivvertragsverhandlungen in den vergangenen Jahren übersehen? Darauf gibt es keine schlüssigen Antworten.

Über die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, das sogenannte Rahmenrecht, wollte Hebenstreits Abgesandter Gerhard Tauchner im Arbeitnehmer-Verhandlungsteam allerdings explizit nicht verhandeln. Es gehe einzig um 400 Euro mehr im Monat, erklärte er stereotyp. Und weil diesem Begehren bis dato nicht nachgekommen wurde, stand die Eisenbahn für 24 Stunden still.

Erfahrung mit Streiks

Mit Streiks hat der gebürtige Feldbacher Hebenstreit Erfahrung. Er war 2004 beim dreitägigen Bahnstreik gegen die große ÖBB-Reform unter Schwarz-Blau dabei, damals einer der Jungs rund um den mächtigen ÖBB-Betriebsratschef Willi Haberzettl, mit dem sich Hebenstreit später zerkrachte. Im November 2018 wurde erneut gestreikt, allerdings nur für zwei Mittagsstunden an einem Montag. Damals saß Hebenstreit bereits im Führerstand von Vida und ÖBB-Konzernbetriebsrat. Als Lokführer weiß er genau, wo im Stellwerk zu drehen ist, damit alle Räder stillstehen.

An die Spitze?

Nun scheint der Zielbahnhof eine Etage höher. Der verheiratete Vater eines Sohnes wolle der alteingesessenen Führungsriege im ÖGB zeigen, wie Lohnverhandlungen zu führen sind, sagen Weggefährten. Der stets besonnen auftretende, aber machtbewusste 51-Jährige rüttelt damit an ehernen Gesetzen der Sozialpartnerschaft.

Dass in ÖGB und Teilgewerkschaften 2023 Präsidenten- und Führungswechsel anstehen, befeuert augenscheinlich den Ehrgeiz. Gut möglich, dass ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian genau deshalb eine Ehrenrunde dreht und doch noch länger bleibt. (Luise Ungerboeck, 28.11.2022)