Eine besonders heftige Variante der Vogelgrippe hat sich in Großbritannien verbreitet. Mehr als 750.000 Hennen mussten bereits getötet werden. Die Eier auf der Insel werden langsam knapp, es kommt zu Rationierungen im Supermarkt.

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Immerhin eine Frage ist schon zweifelsfrei geklärt: Diesmal ist das Problem eindeutig auf die Hennen zurückzuführen, nicht auf die Eier. Waren bei der letzten großen Eierkrise auf der Insel Ende der 1980er-Jahre Salmonellen im begehrten Grundnahrungsmittel der Grund für leere Supermarktregale, sind es diesmal die Hühner selbst.

Seit gut einem Jahr verenden britische Hühner nämlich tausendfach an einer besonders bösartigen Variante der Vogelgrippe. Hat es einmal ein einziges Exemplar in den überwiegend auf tausende Artgenossinnen ausgelegten Schuppen erwischt, muss der gesamte Bestand vernichtet werden. So haben die Züchter im Lauf der vergangenen Monate 3,8 Millionen ihrer Tiere verloren, immerhin etwa ein Zehntel des gesamten Bestands.

Eierindustrie klagt über Kosten

Hinzu kommt ein anderes Krisenelement. Der Rat der britischen Eierindustrie jedenfalls beklagt die galoppierenden Kosten für seine Mitglieder. Die werden wie in vielen anderen Branchen vor allem durch zwei Faktoren verursacht: die Energiekrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und den Arbeitskräftemangel, der nicht zuletzt auf das Konto des Brexits geht.

Schon im Frühjahr baten die Hühnerzüchter öffentlich um einen Aufschlag von 40 Pence gleich 15 bis 25 Prozent aufs Zwölferpaket, in dem Supermärkte die Eier vorwiegend anbieten. In Wahrheit sei der Preis durchschnittlich um 45 Pence gestiegen, rechnet der Verband vor. "Aber nur fünf bis zehn Pence sind beim Produzenten angekommen."

Die Klage von Lieferanten über die ungezähmte Macht britischer Supermärkte ist nicht neu. Allerdings verweist Andrew Opie vom Einzelhandelsverband BRC auch auf die schwierige wirtschaftliche Lage: "Unsere Mitglieder können mitten in einer Krise der Lebenshaltungskosten nur begrenzt den Konsumenten höhere Preise aufbürden."

Rationierungen sind die Folge

Mittlerweile haben viele Supermärkte das kostbare Gut rationiert. Höchstens zwei Packungen dürfen sich die Kunden bei Marks & Spencer und Asda in den Einkaufswagen legen, die deutschen Diskonter Aldi und Lidl sowie Marktführer Tesco erlauben immerhin drei. Glücklich darf sich schätzen, wer bei Sainsbury's oder Waitrose einkauft: Die beiden höherwertigen Ketten kommen einstweilen ohne Limits aus. Sainsbury's verkauft nämlich inzwischen auch italienische Eier. Das wiederum findet der britische Eierrat "sehr enttäuschend", was im englischen Sprachgebrauch einem schweren Tadel gleichkommt.

Weil die Briten aber nichts so gut können wie improvisieren, quellen die einschlägigen Internetseiten bereits über mit guten Ratschlägen, wie eifrige Weihnachtsbäcker die Notlage überbrücken können. Zu Apfelmus, zerdrückten Bananen oder Joghurt als Eierersatz rät beispielsweise das Konsumentenmagazin "Which". Und zum Frühstück sei gebratener Tofu-Scramble mit Zwiebeln beinahe so lecker wie das gewohnte Rührei.

Sorgen machen müssen sich aber auch all jene Briten, die zu Weihnachten die amerikanische Tradition eines gebratenen Truthahns als Festessen übernommen haben. Frische Exemplare werde es vor den Festtagen kaum geben, warnen Fleischhauer und raten dazu, vorsorglich in den Kühltruhen der Nation Platz freizuräumen. Hauptsache, die Stromversorgung funktioniert noch. (Sebastian Borger aus London, 29.11.2022)