Wer radelt, gibt auch gern und gutes Geld aus, wie eine Innsbrucker Studie zeigt. Doch es fehlt an guten Rahmenbedingungen.

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Innsbruck – Im Rahmen des "Radmasterplans 2030" hat die Tiroler Landeshauptstadt eine repräsentative Studie zum Thema Verkehrsmittelwahl und Kaufkraft durchführen lassen. Das Linzer Meinungsforschungsinstitut Spectra hat dazu mithilfe des sogenannten Stichtagsmodells im Juli und August dieses Jahres insgesamt 600 Menschen aus Innsbruck und 25 Umlandgemeinden befragt. Ziel der Studie ist, die Debatte über Mobilität nach Innsbruck und ihre Auswirkungen auf Handel und Gastronomie auf evidenzbasierte Beine zu stellen.

Die Ergebnisse zeigen, dass pro Woche rund 73.000 Menschen aus Innsbruck und dem näheren Umland – befragt wurden Personen von Wattens bis Kematen – die Innenstadt besuchen. Viele davon mehrfach, weshalb die Studie von knapp einer Viertelmillion Besuchen pro Woche ausgeht. Etwa die Hälfte (49 Prozent) dieser Besucherinnen und Besucher erledigt Einkäufe, 39 Prozent gaben an, die Gastronomie zu besuchen. Insgesamt werden von ihnen pro Woche rund 3,4 Millionen Euro in der Innsbrucker Innenstadt ausgegeben.

Wer Auto fährt, gibt mehr aus

Betrachtet man nun die Verkehrsmittel, die diese Besucherinnen und Besucher nutzen, so ergibt sich ein differenziertes Bild, was die konsumfreudigsten Gruppen angeht. Von den 2,65 Millionen Euro, die pro Woche im Handel ausgegeben werden, stammen 31 Prozent von Nutzerinnen und Nutzern öffentlicher Verkehrsmittel, ebenso viel wie von Pkw-Fahrerinnen und -Fahrern (31 Prozent). Wobei aber deutlich mehr Menschen (15.550) hinter den 31 Prozent der Öffis stecken als hinter jenen 31 Prozent der Pkws (8.490). Immerhin 24 Prozent dieser Ausgaben im Handel gehen auf Radlerinnen und Radler zurück. Diese Gruppe ist von der Anzahl (6.470 Personen) im Verhältnis zu dem Viertel der Ausgaben am ehestens mit jener der Pkws zu vergleichen. Weitere 4.600 Menschen gehen zu Fuß zum Shoppen und sorgen für zwölf Prozent des Umsatzes.

Bei der Gastronomie wiederum, wo wöchentlich gut 760.000 Euro in der Innenstadt ausgegeben werden, hat ebenfalls das Auto die Nase vorn. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) dieser Ausgaben kommt nämlich von den 8.040 Personen, die angaben, mit dem Pkw zum Lokalbesuch in die Innenstadt gefahren zu sein. 21 Prozent des Umsatzes in der Gastro kamen von den 10.940, die Öffis nutzten, 14 Prozent von den 5.040 Fußgängerinnen und Fußgängern. Für nur elf Prozent des Umsatzes sorgten jene 4.220 Personen, die ins Lokal radelten. Hier scheint also eine deutliche Präferenz beim Pkw zu liegen. Ob dies an schlecht getakteten Öffis und mangelnder Radinfrastruktur liegt, wird nicht beantwortet.

Radeln und zu Fuß gehen hätten mehr Potential

Somit sind Autofahrerinnen und Autofahrer zwar jene Gruppe, die durchschnittlich am meisten Geld pro Gastronomiebesuch und beim Einkaufen ausgibt. Denn in absoluten Zahlen sind die Öffi-Nutzerinnen und Öffi-Nutzer, die täglich die Innenstadt besuchen, voran. Betrachtet man aber den Anteil an Personen pro Verkehrsmittel, die zum Einkauf oder Gastrobesuch in die Innenstadt kommen, so liegt das größte Potenzial bei Fußgängerinnen und Fußgängern, von denen 64 Prozent einkaufen und 69 Prozent die Gastro besuchen. An zweiter Stelle folgen die Radlerinnen und Radler, von denen 69 Prozent den Innenstadtbesuch zum Einkaufen nutzten und 45 Prozent ein Lokal besuchten.

Zum Vergleich: Nur 38 Prozent der Autofahrerinnen und Autofahrer gaben an, in die Innenstadt gefahren zu sein, um dort einzukaufen. Und nur 36 Prozent kehrten im Zuge ihrer Fahrt in einem Lokal ein. Bei den Öffis sind es immerhin noch 54 Prozent, die einkaufen, und 38 Prozent, die ein Lokal besuchen.

"Zu gefährlich" als Hauptargument gegen Radfahren

Besonders interessant ist nun, dass auch erhoben wurde, warum Menschen eben nicht das Fahrrad für einen Besuch in der Innenstadt wählen. "Ist mir zu gefährlich" lautete der am häufigsten angegeben Grund, vor allem bei Frauen. Gefolgt von "Ist mir zu weit weg", was vor allem bei Personen aus Umlandgemeinden als Hinderungsgrund angegeben wurde. Das deutet darauf hin, dass es vor allem an sicherer Radinfrastruktur und schnellen Radverbindungen mangelt. Vor allem in der kalten Jahreszeit besteht in Innsbruck und Umgebung noch viel Handlungsbedarf, wie an dieser Stelle schon mehrfach berichtet wurde.

Und der Ausbau der Radinfrastruktur könnte gerade für die Wirtschafstreibenden von großem Vorteil sein, wie der hohe Anteil der Radlerinnen und Radler beim Einkaufen und den Gastrobesuchen in der aktuellen Studie zeigt. Ein Blick über den Tellerrand, etwa in die Niederlande, zeigt, dass eine gut ausgebaute Radinfrastruktur auch mehr Konsumentinnen und Konsumenten dazu bringt, den Pkw stehen zu lassen. Was wiederum Mehrwert für alle bringt, die die Innenstadt nutzen, und auch für jene, die dort ihre Produkte feilbieten.

Freude bei Grünen, Kritik von ÖVP und FPÖ

Bürgermeister Georg Willi und Verkehrsstadträtin Uschi Schwarzl (beide Grüne) wollen die Studienergebnisse als Argumentationshilfe für künftige Verkehrsvorhaben in der Innsbrucker Innenstadt nutzen. Willi betonte anlässlich der Präsentation, dass die Reduktion von Schadstoffen in Zukunft Priorität haben muss, zugleich sei ihm aber wichtig, auf die Sorgen und Vorbehalte der Kaufleute einzugehen und diese mit Fakten zu überzeugen. Schwarzl erklärte, dass die Studie "eine objektive Basis für die Diskussionen über Mobilitätsprojekte" darstelle und zudem belege, "dass dem Fahrradverkehr auch wirtschaftlich eine wachsende Bedeutung zukommt"."

Die Verkehrsstadträtin sieht die "laute Lobby", die "bisher erfolgreich das falsche Bild gezeichnet hat, dass das Geld nur mit dem Auto in die Stadt kommen würde" durch die Studie widerlegt. "Das Gegenteil ist aber der Fall: sechs von zehn Autos fahren, ohne einen Cent in Handel und Gastronomie zu lassen, wieder raus aus der Stadt. Zwei Drittel der Innenstadt-Einnahmen kommen von Radfahrenden, zu Fuß gehenden und Öffi-fahrenden Menschen. Damit ergibt sich nicht nur aus klima-, sondern auch aus wirtschaftspolitischen Gründen die dringende Notwendigkeit, sich gemeinsam stärker um diese zahlungskräftigen KundInnen zu kümmern", ist Schwarzl überzeugt. Politischen Gruppierungen, die etwas für die Kaufleute tun wollen, empfiehlt sie daher, dabei mitzuwirken, "diesen wunderbaren Trend durch Straßenraumgestaltungen, Verkehrsberuhigung, Geschwindigkeitsredution und andere Maßnahmen weiter zu verstärken".

Kritik kommt aber von ÖVP und FPÖ. VP-Gemeinderätin Mariella Lutz bemängelte gegenüber dem ORF Tirol, dass die Ergebnisse ein verzerrtes Bild liefern würden, da die Befragung in den Sommermonaten stattgefunden habe und damit die Winterzeit, in der deutlich weniger Radfahrerinnen und Radfahrer unterwegs sind, die aber aus Kaufleutesicht umsatzstärker ist, nicht berücksichtigt werde. Die FPÖ wiederum sah in der Studie einen Angriff auf die Autofahrerinnen und Autofahrer an sich, die dadurch als "die Bösen" dargestellt würden. Worauf sich diese Behauptung bezieht, ist allerdings unklar, weil derartige Bewertungen der Verkehrsmittel in der Studie gar nicht nicht vorkommen. Einig waren sich Schwarz wie Blau darin, dass die in der Studie erhobene Kaufkraft eindeutig für Pkws sprechen würde.

Mehr Fahrräder, weniger Pkws

Wobei eben der direkte Vergleich zwischen Pkw und Fahrrad zeigt, dass die Nutzerinnen und Nutzer beider Verkehrsmittel ähnlich viel ausgeben. Nur dass mangels sicherer und gut ausgebauter Radinfrastruktur viele nicht aufs Fahrrad umsteigen wollen. Dabei wäre genau das ein Schritt in Richtung von mehr Lebensqualität in der Innenstadt. Und genau das wünschten sich wiederum die Befragten: mehr Parks und Grünflächen, mehr Radwege und weniger Autoverkehr.

In Sachen Fahrradstadt sehen jedenfalls viele noch Luft nach oben. Innsbruck wird vom Großteil der Befragten als "mittelmäßig" eingestuft, sowohl was die Radfreundlichkeit als auch die Sicherheit für Radfahrer angeht. In den vergangenen Jahren hat sich nur wenig gebessert, sagten die meisten. Wobei die Radlerinnen und Radler selbst die Veränderungen positiver beurteilten als jene, die selten bis gar nie aufs Fahrrad steigen. (Steffen Kanduth, 30.11.2022)