Das reMarkable 2 ist ein digitales Notizbuch mit E-Ink-Display.

Foto: STANDARD / Mickey Manakas

Zugegebenermaßen war ich anfangs etwas skeptisch. Der einzige Sinn und Zweck des reMarkable 2 ist es, Papier zu imitieren. Es ist ein Tablet also, das die eigenen Notizen digitalisieren soll, um den eigenen Ideen keine Bäume mehr opfern zu müssen. Skeptisch deshalb, weil es stolze 350 Euro kostet. Will man einen Stift dazu, fallen (mindestens) weitere 79 Euro an. Das norwegische Start-up veranschlagt also Preise, um die man sich genauso gut ein iPad kaufen könnte – ohne vergleichbare Funktionen abzuliefern. Man kann ausschließlich Notizbücher anlegen, PDFs und E-Books lesen oder bearbeiten.

Wie schlägt sich das Premiumgerät also, wenn man es einige Wochen in den eigenen Alltag integriert? Macht es den Griff zum Notizbuch oder iPad obsolet, und ist es gar die effektiven Anschaffungskosten von mindestens 429 Euro wert? Das hat der STANDARD versucht herauszufinden.

Analoge Notizen, aber digital

Das reMarkable 2 versucht eine ganz spezifische Zielgruppe für sich zu gewinnen. Menschen, die zwar im digitalen Zeitalter angekommen sind, ihre Notizen aber weiterhin handschriftlich festhalten wollen. Auf die Weltbevölkerung gerechnet, dürften das nicht allzu viele Menschen sein. Google, Apple und auch Microsoft bieten mittlerweile Notizen-Apps mit Cloud-Funktionen an, die die Synchronisierung zwischen allerlei Geräten ermöglichen und gratis zur Verfügung stehen.

Unterwegs das Smartphone zu zücken ist natürlich intuitiver und schneller. Allerdings gehöre ich zu dieser kleinen Sparte von Menschen, die sich gerne handschriftliche Notizen machen. Und zwar dann, wenn kein unbedingter Zeitdruck besteht. Zu Hause am Schreibtisch oder im Büro während der Recherche zum Beispiel. Schreibt man auf Papier, wird der Nachteil sehr schnell klar: Irgendwann ist das Notizbuch voll. Außerdem ist es kaum noch möglich, ältere Niederschriften wiederzufinden. Hier kommt also das reMarkable ins Spiel.

Schaltet man das Tablet ein, landet man auf einer Übersichtsseite mit allen bisher angelegten Notizbüchern. Man kann sich dort Ordner anlegen, zum Beispiel um berufliche und private Dateien voneinander zu trennen oder spezifische Projekte wiederzufinden. Man kann sich also intuitiv durch das eigene Archiv navigieren, um genau den einen cleveren Gedanken wiederzufinden, den man leider vergessen hat.

Fast wie Papier

Das Schreibgefühl ist dabei erstaunlich angenehm, fühlt sich fast an wie ein Bleistift auf Papier. Das Display hat eine leichte Rauheit und bietet genau das richtige Maß an Widerstand, um nicht unangenehm künstlich zu wirken. Bei jedem Strich hört man ein leichtes Kratzen, was die angenehme Haptik auch akustisch untermalt. Im Gegensatz zum iPad kriegt man dadurch nie das störende Gefühl, gerade auf Glas zu schreiben. Zur Abrundung stehen insgesamt acht verschiedene Stiftarten zur Wahl: ein Kugelschreiber, ein Fineliner, ein Marker, ein Bleistift, ein mechanischer Bleistift, ein Pinsel, ein Highlighter und ein Kalligrafie-Füller. Die Auswahl bestimmt nicht nur die Strichstärke, sondern simuliert auch die spezifischen Charakteristika des jeweiligen Vorbilds. Der Highlighter erlaubt es außerdem, in PDFs und E-Books einzelne Textpassagen zu markieren.

Man kann aus vielen verschiedenen Vorlagen wählen, darunter auch Checklisten.
Foto: STANDARD / Manakas

Auch längere Texte kann man so problemlos herunterschreiben. Grund dafür ist auch der Formfaktor des Markers. Dieser erinnert an den Apple Pencil, ist also aus Kunststoff gefertigt und an einer Seite abgeflacht. Das bietet einerseits eine Ablagefläche für den Zeigefinger, andererseits ermöglicht es die magnetische Befestigung am Gehäuserand. Aufgeladen werden muss er nicht. Er ist also immer einsatzbereit, auch wenn man ihn wochenlang herumliegen lässt.

Nachkauf vorprogrammiert

Geschrieben wird auf kleinen, austauschbaren Plastikspitzen. Austauschbar deshalb, weil sie sich abnutzen. Warum, kann man nur mutmaßen. Vielleicht aber deshalb, weil das Display nicht so glatt ist wie bei herkömmlichen Tablets. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass man nicht drumherumkommt, immer weiter Geld auszugeben. Ein Paket aus neun Spitzen kostet stolze 14 Euro. Will man gleich 25 Stück erwerben, sind es 39 Euro. Tatsächlich sieht man dem Pencil nach nur einem Monat bereits Abnutzungsspuren an. Die ursprünglich abgerundete Stiftspitze zeigt also klare Kanten. Die Funktionalität beeinflusst das bisher zwar nicht, legt aber nahe, dass der Austausch relativ regelmäßig passieren muss.

Geschickt ist hingegen, dass die Rückseite als Radiergummis genutzt werden kann. Zumindest dann, wenn man den "Marker Plus" kauft. Statt 79 Euro kostet dieser 129 Euro. Bedenkt man die sonstige Ausstattung, sucht man vergeblich nach einer Rechtfertigung für den happigen Aufpreis. Außer einer anderen Farbe und einem leicht höheren Gewicht (19 statt 15 Gramm) listet selbst das Unternehmen keinen Unterschied. Auf die Spitze treibt es reMarkable aber mit der Tatsache, dass offenbar nicht mal der Marker des reMarkable 1 kompatibel sein soll. Das ist auch deshalb erstaunlich, weil sogar Dritthersteller-Hardware einwandfrei funktioniert.

Wer über die Preisgestaltung hinwegsehen kann, dürfte mit dem Pencil aber Freude haben. Die Latenz ist mit nur 21 Millisekunden erstaunlich gering. Sieht man ganz genau hin, kann man die Verzögerung zwar sehen, sonderlich störend ist sie in der Praxis aber nicht. Klar, mit einem iPad Pro samt Apple Pencil ist die Leistung nicht vergleichbar. Das muss es dank der unterschiedlichen Zielgruppen aber nicht sein. Während sich das iPad an visuelle Künstlerinnen und Künstler richtet, zielt das reMarkable 2 auf Schreiberlinge ab. Beide Geräte haben in Wirklichkeit Features, die das Gegenüber niemals liefern kann.

Zahlreiche Vorlagen

Apropos Features: Die Notizbücher kann man fast beliebig an die eigenen Vorlieben anpassen. Will man ein weißes Papier vor sich? Eine To-do-Liste? Oder einen karierten, halb karierten, linierten oder gepunkteten Hintergrund? Erstellt man ein neues Dokument, stehen unzählige Vorlagen zur Wahl. Darunter sogar Storyboards zur Planung eines Films oder Theaterstücks. Aber auch Notenblätter für Musikerinnen und Musiker, die ihre eigenen Stücke komponieren wollen.

Im Text selbst werden einem zwar begrenzte, aber nützliche Funktionen geboten. Zum Beispiel kann man die Strichstärke individuell einstellen oder die Exportfarbe von Markierungen individualisieren. Will man den Inhalt einer ganzen Seite löschen, geht dies mit zwei Klicks. Das Lasso-Tool ermöglicht außerdem sehr zuverlässig, einzelne Textpassagen zu markieren und zu verschieben. Wer will, kann außerdem im Sinne der besseren Organisation bestimmte Tags anlegen, um Notizen in Kategorien zu ordnen.

Die Lederhülle sieht zwar schick aus, sollte bei einem Preis von 159 Euro aber besser verarbeitet sein.
Foto: STANDARD / Mickey Manakas

Nicht zuletzt hat man die Option, handgeschriebene Notizen in Text umzuwandeln und per E-Mail zu verschicken. Eine Funktion, die erstaunlich gut funktioniert – wenn sie denn funktioniert. Die Texterkennung ist erstaunlich akkurat, selbst schlecht leserliche Wörter wurden richtig erkannt. Nur manchmal wurden zum Beispiel ein kleines T mit einem F verwechselt. Schade ist es deshalb, dass im Test immer wieder eine Fehlermeldung angezeigt wurde oder gar nichts passierte. Wichtig anzumerken ist außerdem, dass die Konvertierung nur mit aktiver Internetverbindung funktioniert und es keine Möglichkeit gibt, das Ergebnis am Tablet selbst abzuspeichern. Es steht ausschließlich der E-Mail-Versand zur Wahl.

E-Books am Notizbuch

Arbeitet man mit importieren PDFs, kann man auf dem reMarkable 2 handschriftliche Notizen einfügen oder Textpassagen markieren. Diese werden beim Drüberfahren automatisch erkannt, Markierungen werden dann bereinigt. Im Test funktionierte das sehr zuverlässig. Selbst wenn man sehr ungenau ist, wird immer die richtige Zeile erkannt. Dasselbe gilt für E-Books im offenen ePub-Format. Der Import funktioniert übrigens direkt über das Smartphone oder die Desktop-App des Herstellers. Hat man eine Datei am Handy gespeichert, kann man sie über das Sharing-Menü im Handumdrehen an das Tablet schicken. Bei aktiver Internetverbindung wurde diese innerhalb weniger Sekunden angezeigt und war für weitere Bearbeitungen bereit.

Theoretisch kann man außerdem das eigene Dropbox-, Google-Drive- und Onedrive-Konto mit dem reMarkable verknüpfen. Über die Webseite des Unternehmens funktioniert das zwar rasch und zuverlässig, die tatsächliche Implementierung wirft aber Fragen auf. Tatsächlich kann man sich nämlich alle dort gespeicherten Dateien anzeigen lassen – diese aber nur über Umwege öffnen oder bearbeiten. Konkret muss man eine Kopie anfertigen und lokal speichern, was den Arbeitsprozess unnötig umständlich macht. Einfacher geht es andersrum. Handschriftliche Notizen können im Handumdrehen in die eigenen Clouddienste hochgeladen werden und tauchen dort als PDF auf.

Zusätzlich betreibt reMarkable einen eigenen Clouddienst namens Connect. Um 2,99 Euro pro Monat ermöglicht dieser eine dauerhafte Synchronisierung von Notizen mit den Companion-Apps für Smartphone und PC. Will man nicht bezahlen, wird einem der Zugang zu Dateien abgeschnitten, die man seit 50 Tagen nicht mehr geöffnet oder synchronisiert hat. Diese sind dann nur noch am Tablet selbst abrufbar. Wirklich notwendig ist das Feature allerdings nicht. Die Integration anderer Services ist gratis, ebenso wie die Handschrifterkennung und der E-Mail-Versand von Dokumenten. Was dann fehlt, ist nur die Möglichkeit, einzelne Notizen am Handy anzusehen.

Ausreichend Power

Angetrieben wird das reMarkable 2 von einem Zwei-Kern-ARM-Prozessor mit einer Taktrate von 1,2 GHz und einem Gigabyte Arbeitsspeicher. Acht Gigabyte Speicherplatz bieten zudem ausreichend Platz für unzählige Dokumente. Das Touchdisplay ist 10,3 Zoll groß und kann, wie bei E-Ink üblich, keine Farben darstellen. Die Auflösung beträgt 1872 x 1404 Pixel bei 226 DPI, was angesichts des Anwendungszwecks allemal ausreicht. Die Kapazität des Akkus gibt reMarkable nicht bekannt, er soll aber bis zu zwei Wochen reichen. Eine Prognose, die bei unregelmäßiger Nutzung sogar übertroffen werden kann.

Auch Design und Verarbeitung können überzeugen. Das Gehäuse besteht aus Aluminium und Glas und ist mit gerade mal 4,7 mm erstaunlich dünn. Hier wackelt nichts, der oberseitig angebrachte An/Aus-Knopf hat einen angenehm festen Druckpunkt, und die Bildschirmränder sind sehr schmal. Das Gerät wirkt dadurch modern, ohne allzu stark an herkömmliche Tablets zu erinnern. Von diesen wurden dennoch einige der sinnvollsten Features übernommen. So zum Beispiel eine Reihe von Wischgesten für eine einfachere Navigation durch Dokumente und Menüs.

Die Stiftspitzen müssen regelmäßig ausgetauscht werden.
Foto: STANDARD / Manakas

Packt man das reMarkable hingegen in eine der separat erhältlichen Hüllen, könnte man es auf den ersten Blick mit einem Notizbuch verwechseln. Gefertigt aus Kunstfaser kostet dieses 99 Euro, die Lederversion stolze 159 Euro – was den Preis des Tablets weiter in die Höhe treibt. Man kann ihr allerdings nicht absprechen, dass sie schick aussieht und das Gerät schützt. Zumindest an der langen Seite steht sie etwas über den Geräterand hinaus, was bei Stürzen hilft und den magnetisch befestigten Stift stabilisiert. Die Verarbeitung lässt hingegen zu wünschen übrig. Konkret sind die Kanten im Test rasch ausgefranst, was so nicht passieren sollte. Wer sparen will, sollte also auf das Angebot von Drittherstellern ausweichen.

Fazit

Nach etwa einem Monat hinterlässt mich das reMarkable 2 zwiegespalten. Die Kernfunktionen, also die Digitalisierung von Notizen, meistert das Gerät hervorragend. Das Schreibgefühl erinnert an Papier und macht Lust auf Schreiben. Die Latenz ist so gering, dass einem flüssigen Schreibablauf nichts im Wege steht. Abgerundet wird all das von hochwertiger Hardware, die sich gut anfasst und die man gerne überallhin mitnimmt. Auch deshalb, weil sie die Möglichkeit bietet, Gedanken niederzuschreiben, ohne von Benachrichtigungen oder irgendwelchen Apps abgelenkt zu werden.

Wie bereits ausführlich beschrieben, mangelt es aber auch an Kritikpunkten nicht. Allen voran Problemen bzw. Einschränkungen in Sachen Konnektivität. Die Integration von Clouddiensten ist so umständlich, dass sie für einige Userinnen und User sogar unbrauchbar sein dürfte. Wer nahtlos auf die eigenen Notizen zugreifen will, kommt kaum drumherum, nochmals Geld für das unternehmenseigene Abonnement auszugeben.

Viele Menschen dürfte am Ende aber die Preisgestaltung abschrecken. Beim Kauf des Tablets, einer Lederhülle und des "Premium"-Stifts ist man exakt 637 Euro ärmer. Das ist vor allem deshalb ärgerlich, weil das reMarkable 2 ohne Letzteren fast unbrauchbar ist. Gute E-Book-Reader findet man bei der Konkurrenz für einen Bruchteil des hier verlangten Geldes. Es wird also ein essenzieller Bestandteil des Produkts als optionales Accessoire dargestellt, was – freundlich formuliert – frech anmutet.

Für wen ist das Gerät also richtig? Eigentlich für alle, die ein wirklich großartiges digitales Notizbuch wollen – und nicht davor zurückscheuen, sehr tief in die Tasche zu greifen. Zumindest dann nicht, wenn sie in Sachen Konnektivität ein Auge zudrücken können. (Mickey Manakas, 30.11.2022)