Die Gewerkschaft fordert ein Gehaltsplus von 8,5 Prozent mit einem Mindestbetrag in Höhe von 200 Euro.

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Wien – Nach dem Eisenbahnerstreik droht auch im Handel ein Arbeitskampf mitten in der Adventzeit. Die fünfte Verhandlungsrunde für einen neuen Kollektivvertrag entscheidet, ob es zu Warnstreiks kommt oder nicht. Seit 11 Uhr verhandeln die Sozialpartner in der Wirtschaftskammer. Vorsorglich hat sich die Gewerkschaft aber eine Streikfreigabe vom ÖGB geholt. Kommt es heute zu keiner Einigung, legen die Handelsangestellten am Freitag und Samstag die Arbeit nieder.

Streikbeschlüsse von 300 Unternehmen

In mehr als 300 Unternehmen gebe es Streikbeschlüsse aus dortigen Betriebsversammlungen, so die Gewerkschaft. Darunter befinden sich große Handelsketten – auch aus der Lebensmittelbranche –, Textilketten, Buchhändler, Großhändler und Baumärkte. "Sollte die Verhandlung heute platzen, können jederzeit Betriebsversammlungen aufgenommen werden, die dann in Warnstreiks übergehen", sagte Gewerkschafts-Chefverhandlerin Helga Fichtinger zur APA. Ein Warnstreik ist im Unterschied zu einem Streik zeitlich befristet.

Zunächst wären nur Betriebe, die einen Betriebsrat haben, dabei. Aber das Streikrecht sehe auch Möglichkeiten für Beschäftigte von Handelsfirmen ohne Betriebsrat vor. "Der Streik kann nur abgewendet werden, wenn sich die Arbeitgeberseite heute tatsächlich bewegt", stellte Fichtinger klar.

Die Gewerkschaft fordert ein Gehaltsplus von 8,5 Prozent mit einem Mindestbetrag in Höhe von 200 Euro, sodass die untersten Gehaltsstufen eine zweistellige Erhöhung bekommen. Die Arbeitgeber schlagen eine steuerfreie Prämie vor, die den Beschäftigten großteils noch heuer ausbezahlt werden soll, und bieten fünf Prozent Erhöhung auf die kollektivvertraglichen Mindestgehälter.

Gehaltssprünge statt Einmalzahlung gefordert

Die Arbeitnehmervertreter lehnen Einmalzahlungen ab und wollen angesichts der hohen Inflation ordentliche Gehaltssprünge sehen. "Sollte die Einmalzahlung nicht vom Tisch kommen, dann werden die Verhandlungen heute sehr kurz sein", kündigte Gewerkschafterin Fichtinger im Vorfeld an.

Arbeitgeber-Chefverhandler Rainer Trefelik zeigte sich optimistisch, dass die Gewerkschaft nicht "justament" streiken möchte. "Ein Warnstreik ist eine Situation, die niemand haben möchte, die sich niemand wünscht. Wir kommen im Handel aus einer sehr schwierigen Situation", so Trefelik mit Blick auf die vielen Lockdowns der vergangenen zwei Jahre. Die derzeitige Forderung der Gewerkschaft liege sogar höher als die ursprünglich geforderten zehn Prozent Gehaltsplus. "8,5 Prozent und ein Mindestbetrag, das macht 11,1 Prozent", rechnete der Handelsvertreter vor.

"Es kann à la longue nicht sein, dass man jede Runde etwas mehr erwartet. Sonst ist man nach 20 Runden irgendwo bei 15 Prozent. Das geht sich für den Handel rechnerisch nicht aus", sagte Trefelik. Die Rentabilität im Handel sei deutlich niedriger als etwa bei den Metallern.

Abweichendes Angebot

Wifo-Experte Benjamin Bittschi sieht im Handel noch Luft nach oben. "Was auffällig ist, nachdem wir jetzt doch schon einige Abschlüsse in dieser Herbstlohnrunde haben, ist, dass das, was auf dem Tisch liegt, doch etwas abweicht von den Abschlüssen, die wir zum Beispiel bei den Metallern, im öffentlichen Dienst oder auch in der Sozialwirtschaft gesehen haben", sagte Bittschi laut Ö1-"Mittagsjournal." Bei den anderen Abschlüssen habe es Reallohnerhöhungen in Bezug auf die Inflation der letzten zwölf Monate gegeben, und die Komponente "Einmalzahlung" habe keine Rolle gespielt.

Der Handels-KV ist einer der größten Kollektivverträge in Österreich und betrifft rund 430.000 Angestellte und Lehrlinge im Einzel-, Groß- und Kfz-Handel. 70 Prozent aller Beschäftigten im Handel sind Frauen. Mehr als ein Drittel davon arbeitet Teilzeit. "Gerade noch als Krisenheldinnen beklatscht, trifft sie die Teuerungskrise nun mit voller Härte. Die ÖGB-Frauen sprechen daher ihre volle Unterstützung für einen fairen KV-Abschluss im Handel aus", so ÖGB-Frauenvorsitzende Korinna Schumann am Dienstag in einer Aussendung.

Lohnsteigerung auch für Handelsarbeiter gefordert

Neben den Kollektivvertragsverhandlungen für die Angestellten und Lehrlinge im Handel stehen auch die Abschlüsse für die Arbeiterinnen und Arbeiter im Handel noch aus. Die Gewerkschaft fordert eine deutliche Lohnsteigerung über der rollierenden Inflationsrate von 6,9 Prozent und eine Anhebung der Zulagen. Einmalzahlungen lehnt sie ab. Der erste Verhandlungstermin hätte heute stattfinden sollen, wurde aber abgesagt. Neuer Termin ist der 6. Dezember.

Als Reaktion auf die Absage hat die Gewerkschaft Vida am Dienstag eine Betriebsräte-Konferenz abgehalten. "Es ist wirklich ungeheuerlich, wie die Arbeitgeber hier mit den Kolleginnen und Kollegen umgehen", kritisierte Christine Heitzinger, Vorsitzende des Fachbereichs Dienstleistungen in der Gewerkschaft Vida, am Dienstag in einer Aussendung.

Brauereien: Warnstreiks in kleinen Dosen

Die Warnstreiks bei den Brauereien im Zuge der laufenden Kollektivvertragsverhandlungen finden in kleinen Dosen statt. Während gestern, Montag, die großen Betriebe wie Ottakringer (Wien), Wieselburger und Egger (NÖ), Stiegl (Sbg.) und Puntigamer sowie Gösser in der Steiermark stundenweise betroffen waren, sind es heute Murauer (Stmk.) und das Augustiner Bräu (Sbg.). Morgen streikt die Brauunion Tirol, so die Gewerkschaft PRO-GE.

Am Donnerstag ruht die Arbeit am Gerstensaft stundenweise in der Brauunion Villach und Klagenfurt sowie bei Hirter und Schwechater. Warnstreiks sind die Vorstufe von Streiks und sozusagen die Rute im Fenster der Arbeitgeber. Am Montag haben auch die Eisenbahner einen Warnstreik abgehalten, allerdings bundesweit und 24 Stunden lang. Heute wird im Handel über den Kollektivvertrag (KV) 2023 weiterverhandelt, auch hier haben die Gewerkschaften bereits Warnstreiks angekündigt, sollte es heute keine Einigung geben.

Bei den Warnstreiks der Brauereimitarbeiter gestern in Graz hieß es unter anderem auf Plakaten: "Für die Aktionäre gibt es Krügerl, für uns bleiben nur die Seidel übrig." Dem Protest waren vier erfolglose Verhandlungsrunden vorangegangen. Auf dem Tisch liegt die Forderung der Arbeitnehmer von elf Prozent, die Arbeitgeber bieten 6,5 Prozent. (APA, red, 29.11.2022)