Hans-Peter Wipplinger lud zum "Wettbewerb".

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Wolfgang Sobotka betont seine "Nichteinmischung".

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So begrüßenswert die Integration von Kunst am Bau in das Sanierungsprojekt des Parlaments auch ist, in Fachkreisen will die Kritik nicht verstummen. Denn Wolfgang Sobotkas (ÖVP) rechtlich gedeckte Entscheidung, die Umsetzung ohne öffentliche Ausschreibung zu realisieren, hatte ein Auswahlverfahren zur Folge, das weitere Fragen aufwirft: sowohl zur Transparenz der Prozesse als auch zu Auffassungsunterschieden darüber, inwieweit verantwortliche Architekten einzubinden waren.

Wie berichtet wurde Hans-Peter Wipplinger, hauptberuflich Direktor des Leopold-Museums, im Jänner 2021 vom Nationalratspräsidenten zum Kurator bestellt. Trotz der langjährigen Bekanntschaft der beiden will er sich aber nicht als "Busenfreund" Sobotkas verstanden wissen, wie "Die Presse" wissen ließ.

Denn nebenberuflich stand der 54-Jährige bereits 2014 und 2015 im Dienste der Nationalratspräsidentinnen Doris Bures und Barbara Prammer (beide SPÖ). Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, die jetzt als Projektmanagerin fungierte, kümmerte sich Wipplinger in diesen Jahren um die temporäre Bespielung einiger Räumlichkeiten im Parlament.

Einkaufsbudget 1,8 Millionen

Bestückt sind solche Ausstellungen mit Leihgaben, die für die Dauer der Präsentation von Künstlerinnen oder Galeristen kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Aber nun ging es um Ankäufe, um etwas Bleibendes, das der "Selbstdarstellung Österreichs als eine der weltweit herausragenden Kulturnationen" dienen sollte, wie es in Wipplingers Konzept heißt.

Das Einkaufsbudget liegt in einer Größenordnung von "rund 1,8 Millionen Euro" oder "knapp 0,5 Prozent" der gesamten Sanierungskosten. Es geht also um öffentliche Gelder, die in diese Kunst am Bau fließen. Welche österreichischen oder in Österreich lebenden Künstlerinnen und Künstler sich an dieser repräsentativen Aufgabe beteiligen durften, entschied allein Hans-Peter Wipplinger. In einem "geladenen Wettbewerb", wie er mitteilt.

Wie viele Repräsentanten der zeitgenössischen Szene insgesamt überhaupt Entwürfe lieferten und wer genau, bleibt auch auf Anfrage unbekannt. Eine vom STANDARD erbetene Liste der Eingeladenen steht für den Kurator "nicht zur Debatte", die "Künstlerinnen würden sich sehr bedanken, wenn sie ihre Namen in der Zeitung lesen, dass ihre Projekte nicht zur Umsetzung gebracht wurden".

Alles üblich

Wie es zur Auswahl der nun im Parlamentsgebäude installierten Kunstwerke kam? Zum besseren Verständnis: Bei dem auch von Wipplinger ins Spiel gebrachten Vorbild des Deutschen Bundestags ist dafür nicht ein einzelner Kurator, sondern ein Fachbeirat zuständig. Ein solches Gremium, das den Anschein eines demokratischen Entscheidungsprozesses gewahrt hätte, war jedoch weder für Sobotka als Auftraggeber noch für "seinen" Kurator Thema.

Warum nicht? "Es lag nicht an mir, das Framing des Projektverfahrens zu bestimmen", argumentiert Wipplinger, der die Endauswahl traf: Die Parameter dafür seien die üblichen gewesen, etwa "inhaltliche und formale Überzeugungskraft, technische Umsetzbarkeit", weiters "Funktionalitätskriterien bei der täglichen Benutzung des Gebäudes" oder auch die "finanzielle Machbarkeit".

Die verantwortlichen Architekten wurden allerdings in das Auswahlverfahren gar nicht oder nur peripher eingebunden. Wipplinger meint: Bis 2020 habe sich überhaupt niemand für Kunst am Bau starkgemacht, eine frühzeitige Berücksichtigung wäre "fruchtbarer gewesen".

Kein Kommentar

Die Architekten Jabornegg & Pálffy wollen "diese Angelegenheit zurzeit nicht kommentieren", da man "aktuell an eine vertragliche Verschwiegenheitsvereinbarung gebunden" sei. Etwas mehr ist über die vom Nationalrat beauftragte Architektenjury in Erfahrung zu bringen. Der Zankapfel? Die neuen Stiegenhäuser, die gezielt "mit den Mitteln der gestalterischen Reduktion als architektonische Haltung" spielen und für die Wipplinger "tapetenartige, großflächige Wandinterventionen" wählte, die das architektonische Konzept völlig relativieren, wie es in Stellungnahmen im Frühjahr hieß.

Sobotkas Reaktion ließ auf sich warten, die Entwürfe von Esther Stocker, Peter Kogler und Martina Steckholzer waren längst umgesetzt: Er habe sich noch nie in die "künstlerische Gestaltung eingemischt" und werde jetzt nicht damit anfangen, das oblag dem Kurator, wischte er Bedenken der Architektenjury im September vom Tisch. (Olga Kronsteiner, 30.11.2022)