Im Jahr 1968 zerstörte ein Erdbeben das sizilianische Gibellina. Der Künstler Alberto Burri betonierte die Ruinen der Stadt ab 1984 in großen Blöcken ein.
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Wenn wir heute von Nachhaltigkeit sprechen, dann haben wir vor allem die Ökologie im Blick: nachhaltig heißt umweltverträglich. Der Begriff kommt aus der Forstwirtschaft und beschreibt das einfache sowie wirksame Prinzip, nicht mehr Bäume zu fällen als im gleichen Zeitraum nachwachsen. Nachhaltigkeit hat also oft etwas mit Zeit und Geschwindigkeit zu tun.

Vergänglichkeit und Dauerhaftigkeit

Die Tagung "Nachhaltig vergänglich", die Mitte November in Salzburg stattfand, brachte künstlerische, kulturwissenschaftliche und historische Perspektiven zusammen und stellte dabei die Frage: Wie dauerhaft oder vergänglich ist Nachhaltiges? Tatsächlich stecken in der Nachhaltigkeit ganz unterschiedliche Zeitlichkeiten: Nachhaltige Geräte sind besonders beständig und lassen sich immer wieder reparieren. Nachhaltige Verpackungen wiederum lösen sich möglichst schnell und spurlos auf.

"Vergänglichkeit und Dauerhaftigkeit stehen in einem zunehmend komplexeren Verhältnis", sagten Yorick Berta und Jasmin Mersmann von der Kunstuniversität Linz und Romana Sammern von der Paris-Lodron-Universität Salzburg in der Einleitung zu der von ihnen organisierten Tagung. Einen extrem raschen gesellschaftlichen Prozess beschrieb der Umwelt- und Wirtschaftshistoriker Reinhold Reith.

Weg in die Wegwerfgesellschaft

Er zeigte, dass im Mittelalter zahlreiche Berufe explizit dem Instandhalten von Gegenständen dienten. Erst in den 1950er-Jahre verschwanden diese Reparaturspezialisten. Was uns heute selbstverständlich und unumgehbar erscheint, nämlich dass wir Dinge wegwerfen, anstatt sie wiederzuverwenden, haben wir also in rasanter Geschwindigkeit gelernt. "Es war eine Knappheitsgesellschaft, die wusste mit wenigen Ressourcen umzugehen", sagte Reith und gab zu bedenken, dass wir auch heute in einer solchen leben und uns danach verhalten sollten.

Mit einem besonders plakativen Verfallsprozess, nämlich dem Schmelzen von Eis, arbeiten die Aktionen, die die Kunsthistorikerin Anne Hemkendreis beforscht. Sie sprach über eine Eisskulptur, die medienwirksam am Londoner Trafalgar Square aufgestellt wurde – eine langsam vor sich hin schmelzende Greta Thunberg –, sowie über die Performance des Kollektivs Legs on the Wall, die vor wenigen Wochen im Hafen von Sydney aufgeführt wurde.

Schwindendes Eis in der Kunst

Hier schwebte ein tonnenschwerer Eisbrocken, mit massiven Stahlseilen gehalten, über dem Wasser und wurde zur Bühne für gewagte Luftakrobatik. Das nicht aufzuhaltende Schmelzen kann zum starken Symbol für Klimaschutz werden. Gleichzeitig müsse man aufpassen, kein altes Schauspiel zu reinszenieren, betonte Hemkendreis: Der Kolonialismus von europäischen Helden, die das "ewige Eis" als "leere Bühne", als "Bewährungsprobe" und als zu "bezwingende, unbewohnte Natur" verstanden, war schließlich einer der Ursachen für die diversen Krisen, denen wir heute begegnen. Und auch dieses "Wir" muss hinterfragt werden, schließlich schmilzt nicht allen Menschen gleichermaßen der Boden unter den Füßen weg.

Über ein älteres Beispiel aus der Kunst, in dem Vergänglichkeit und Dauer in ein komplexes Wechselspiel geraten, sprach die Kunsthistorikerin Monika Wagner. Sie erzählte die unglaubliche Geschichte der sizilianischen Kleinstadt Gibellina. 1968 wurde sie von einem Erdbeben fast völlig zerstört und dann einige Kilometer weiter als "Gibellina Nuova" wiederaufgebaut. Viele zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler wurden eingeladen, um den neuen Ort, der nicht so gut angenommen wurde wie erhofft, attraktiver zu machen.

Ein betretbares Denkmal

Unter ihnen war auch der italienische Künstler Alberto Burri, der als ehemaliger Kriegsarzt seine Erlebnisse auch in seiner Kunst thematisierte. Anstatt der Attraktivierung von "Gibellina Nuova" wollte Burri sich lieber des in Trümmern liegenden "Gibellina Vecchia" annehmen: 1984 begann er den Kern des zerstörten Orts Stück für Stück in großen Blöcken einzubetonieren. "Das war die Hochzeit der Debatten rund um Erinnerungskultur", erklärte Wagner. Burri wollte mit dem WerkCretto,also "Riss", einen kollektiven Erinnerungsort schaffen – ein flaches, sich weit erstreckendes, betretbares Monument.

Heute blicken wir unweigerlich auch mit einer ökologischen Perspektive aufCretto. Beton genießt keinen guten Ruf, und auch das Einzementieren von Resten einer Stadt wird in einer Zeit, in der wir zumindest versuchen sollten, möglichst wenig zu hinterlassen, unterschiedlich bewertet, sagte Wagner. Sie strich die interessanten Fragen hervor, die in puncto Instandhaltung des Werks auftauchen: Auf Burris Blöcken wächst nämlich immer mehr Grünzeug.

"Es ist wahrscheinlich, dass in diesen Beton viel Recyclingmaterial eingeflossen ist, wodurch er auch leichter zerfällt." Dass man vor einigen Jahren die wildwachsenden Pflanzen ausriss, die Fugen kittete und dem Beton einen strahlend weißen Anstrich verpasste, steht wohl im Gegensatz zur Intention des Werks, das als "Archäologie der Zukunft" auch die Vergänglichkeit von Kulturen und deren Verhältnis zur Naturgeschichte thematisiert.

Beziehung von Kultur und Natur

Naturkulturen, die zeigen, dass Natur und Kultur untrennbar verbunden sind, waren auch in der Ausstellung in der Stadtgalerie Mozartplatz zu sehen, die "Nachhaltig vergänglich" begleitete. Elisabeth Eiter bringt in Gletscherfließen Sand aus von Eis zermahlenem Felsgestein auf die Leinwand. Das Künstlerinnenkollektiv ὑφή (yphi) kreierte eine Duftkomposition aus Flechten, die auf politisch aufgeladenem Gestein wuchsen.

Sybille Neumeyer zeigte mit Interior überraschende, attraktive, aber auch beklemmende Bilder: Scans von eingezwängtem Zimmerpflanzenwurzelwerk von unten. Angesichts der ökologischen Krisen müssen wir nach einem neuen Verhältnis zur mehr als menschlichen Umwelt suchen, sagte Neumeyer. Forschung, Kunst und Aktivismus nehmen uns als Gestalterinnen und Gestalter zukünftiger Erdschichten in die Verantwortung, indem sie fragen: Was und wie viel soll von uns überbleiben? (Julia Grillmayr, 4.12.2022)