Derzeit liegen deutlich mehr Babys als normal mit RSV-Infektionen im Krankenhaus. Die Lage in den Spitälern ist bereits angespannt.

Foto: www.corn.at Heribert CORN

Schnupfen, hartnäckiger Husten, der schleimig ist, um Atem ringen bis hin zum Erbrechen und immer weniger trinken – wenn Babys in so einem Zustand sind, schrillen bei Eltern die Alarmglocken. Und das zu Recht. Es sind Anzeichen einer schweren RSV-Infektion. Dabei handelt es sich um respiratorische Synzytialviren, die aktuell für besonders viele Erkrankungen sorgen. In den USA und Kanada wird schon seit einigen Wochen von überfüllten Kinderstationen in den Krankenhäusern berichtet, jetzt spitzt sich auch die Lage in Österreich zu.

Allein in der Kinderstation der Wiener Klinik Donaustadt sind 27 von 32 zur Verfügung stehenden Betten mit Babys und Kleinkindern belegt, die eine RSV-Infektion haben. "Das Pflegepersonal leistet mit so vielen kranken Säuglingen und deren besorgten Eltern wirklich Unglaubliches", betont Herbert Kurz, Primar der Pädiatrie in Donaustadt. Ähnlich ist die Lage in Graz. Am einzigen Kinderklinikum der Stadt mit der gesamten Südsteiermark als Einzugsbereich sind mit Stand 29. November 40 Kinder deshalb stationär aufgenommen. Dazu sind die Kinderarztpraxen voll mit erkrankten Babys.

Dabei ist das RS-Virus an sich ein ganz normales respiratorisches Virus, das immer schon da war und grippale Infekte in allen Altersgruppen verursacht hat. Nur war bisher kein Bewusstsein dafür vorhanden. Problematisch werden kann es für ganz kleine Kinder, also Säuglinge und Kleinkinder bis etwa eineinhalb Jahre, weil sich daraus eine Lungenentzündung entwickeln kann. Durch die Verengung der Atemwege bekommen sie schlecht Luft und verweigern das Trinken.

Wenn solche Anzeichen auftreten, sollte man die Erkrankung sofort von einem Kinderarzt oder einer Kinderärztin abklären lassen. Zwei Gründe kann es für eine Krankenhauseinweisung geben: Entweder braucht der Säugling Flüssigkeit wegen des zu wenigen Trinkens, oder die Sauerstoffsättigung im Blut ist durch den Infekt zu niedrig, es braucht Sauerstoff oder muss im schlimmsten Fall sogar beatmet werden.

Ungewöhnlich hoher Ausbruch

Die Infektion an sich ist also nichts Ungewöhnliches, die Intensität in dieser Saison ist es aber schon. "Diese Wellen, auch mit Spitzen, gibt es jedes Jahr, die Pandemie hat ihren Ablauf aber durcheinandergebracht", erklärt Kurz. "Im ersten Jahr ist die Welle komplett ausgefallen, voriges Jahr gab es eine sehr frühe Welle im August und September, die dann durch die neuerlichen Maßnahmen wieder zurückgegangen ist. Und dieses Jahr haben wir eben jetzt diesen besonders hohen Anstieg. Die Kinderabteilungen sind in ganz Österreich voll mit erkrankten Säuglingen."

Warum der Anstieg dieser Infektion so stark ist, darüber kann man nur spekulieren. Aber es gibt mehrere Vermutungen. Ein Grund könnte sein, dass die Immunität der Säuglinge nicht so hoch ist, sagt Kurz. Denn üblicherweise bekommen sie Antikörper von der Mutter über das Nabelschnurblut, die sie während der ersten sechs bis acht Lebensmonate schützen. Da zuletzt aber viele Infektionen aufgrund der Corona-Maßnahmen nicht stattgefunden haben, ist das wohl weniger passiert.

Durch die Lockdowns sind womöglich auch ältere Kinder, die bereits ihre zweite Wintersaison erleben, stärker betroffen. Denn viele hatten noch keine Viruskontakt, der mütterliche Nestschutz besteht aber nicht mehr. Üblicherweise ist eine RSV-Infektion nämlich spätestens mit eineinhalb Jahren kein so großes Problem mehr, es ist meist ein normaler Atemwegsinfekt. "In erster Linie die ganz kleinen Kinder und alte Personen gefährdet", erklärt Volker Strenger, Leiter der Infektiologie an der pädiatrischen Abteilung der Universitätsklinik der Med-Uni Graz.

Es gibt aber auch noch einen anderen Ansatz, der die hohe Zahl der Fälle erklären könnte – und vor allem auch, dass ältere Kinder betroffen sind. Es gibt eine Diskussion unter Epidemiologen, dass eine durchgemachte Covid-19-Infektion das Immungedächtnis beeinträchtige und eine eventuell bereits vorhandene Immunität nicht mehr so stark ist, wie man annehmen sollte. Dass Covid-19 das Immunsystem angreift, ist bekannt, wie genau sich das auswirken kann, darüber weiß man noch zu wenig. Strenger betont: "Bei den ganz Kleinen ist das eher nicht das Problem, die meisten hatten ja noch gar nie Covid. Doch bei den älteren Kindern könnte das ein Grund sein. Da weiß man aber noch zu wenig Konkretes."

Schlechte Immunität durch Covid-19-Infektion?

Dass Covid-Infektionen mit den derzeit überpräsenten Infekten zu tun haben können, vermutet auch Monika Resch, Leiterin der Neugeborenenstation an der Privatklinik Goldenes Kreuz und Kinderärztin in niedergelassener Praxis. "Durch die Pandemie, Hygienemaßnahmen und Lockdowns ist das Immunsystem der Kinder komplett heruntergefahren, viele kommen mit den banalsten Infekten nicht mehr zurecht." Außerdem arbeitet nach einer Covid-Infektion das Immunsystem für zumindest drei bis vier Wochen reduziert. "Dann sind virale Infekte bei den Kindern sehr häufig."

Und Resch betont: "Momentan gehen wirklich alle Infekte um, Mittelohrentzündung, Scharlach, Angina, Kehlkopfentzündung, Pseudokrupp, Bronchitis, Lungenentzündung. Die Kinderärztinnen und Kinderärzte sind momentan rund um die Uhr beschäftigt, arbeiten am Wochenende, und es hört einfach nicht auf." Zusätzlich zieht jetzt noch die Influenzawelle an, die vor allem für Kleinkinder auch gefährlich werden kann.

Vor der Influenza kann man die Kinder mit der Impfung schützen, gegen RSV gibt es derzeit keine Immunisierung. Pädiater Strenger weiß aber, dass daran geforscht wird. Es gibt außerdem eine "passive" Impfung: "Da werden Antikörper verabreicht, die vorübergehend schützen. Das ist vor allem für Kinder mit Risikofaktoren wichtig, also ehemalige Frühgeborene mit Lungenproblemen oder jene mit angeborenen Lungenproblemen, für Kinder mit ausgeprägtem Herzfehler, mit Immunschwäche oder Babys mit Trisomie 21."

Und zumindest für Ältere, ab 60 Jahren, könnte es bald eine richtige Impfung geben. Die Zulassung ist bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA schon beantragt, sie könnte also im kommenden Winter bereits zur Verfügung stehen. Das ist wichtig, erklärt Strenger, weil "auch ältere Menschen von RS-Viren ausgelöste Pneumomien bekommen können. Außerdem werden indirekt auch die Säuglinge geschützt, wenn die Großeltern immunisiert sind."

Richtig handeln bei Infektion

Fällt einem auf, dass das eigene Baby verschnupft ist, stark hustet, womöglich nach Atem ringt und nicht mehr trinken mag, dann sollte man die Situation unmittelbar ärztlich abklären lassen. Kinderärztin Resch erklärt: "In der Praxis wird die Sauerstoffsättigung gemessen und die absolute minimale Trinkmenge in 24 Stunden bestimmt. Wenn beide Parameter nicht mehr passen, muss das Baby ins Krankenhaus."

Dort wird dann, je nach Bedarf, die fehlende Flüssigkeit über Infusionen ersetzt oder auch beatmet. Kurz von der Klinik Donaustadt erklärt: "Die Kinder werden über Monitor überwacht, um rechtzeitig zu erkennen, falls die Atmung ganz schlecht wird." Vieles davon passiert auf der Normalstation, Mütter oder Väter können anwesend sein. Nur wenige Babys müssen deshalb auf die Intensivstation.

Dass ihr Baby sterben könnte an einer RSV-Infektion, das müssen Eltern zumindest hierzulande, mit der richtigen Betreuung, nicht fürchten. Strenger betont: "ist die Gesundheitsversorgung nicht gut, dann ist das natürlich möglich. Aber bei uns kommt das in der Regel nicht vor. Umso wichtiger ist es aber, dass Eltern so eine Infektion ärztlich abklären lassen. Die Lage kann sich rasch verschlechtern, der Arzt oder die Ärztin kann einschätzen, ob das Kleine ins Krankenhaus muss." (Pia Kruckenhauser, 30.11.2022)