Der Schatz aus Poliochni, der auf der griechischen Insel Limnos gefunden wurde.
Foto: J. Huber, Ch. Schwall (ÖAI Wien)

Es muss ein sonderbares Bild gewesen sein: Ein Team von Forschenden geht mit einem tragbaren Messgerät ins Museum, richtet einen Laserstrahl auf einige der wichtigsten Goldobjekte der Archäologiegeschichte und brennt winzige Löcher hinein. Genau das hat eine internationale Forschungskooperation unter Beteiligung eines Teams der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) getan und dabei spektakuläre Erkenntnisse gewonnen, die nun "Journal of Archaeological Science" publiziert wurden.

Einige dieser Goldobjekte gehören zum legendären "Schatz des Priamos", einem Depotfund, der 1873 vom deutschen Troja-Entdecker und Sprachengenie Heinrich Schliemann selbst ausgegraben wurde – unter Lebensgefahr, weil das Mauerwerk über ihm einzustürzen drohte. Schliemann traute den lokalen Arbeitern und Behörden nicht und legte selbst Hand an. Heimlich brachte er den Fund nach Deutschland, vorbei an den osmanischen Behörden, denen er die Funde eigentlich versprochen hatte. Welche diplomatischen Spannungen eine solche Aktion heute auslösen würde, lässt sich nur erahnen.

Der Schatz des Priamos auf einer historischen Fotografie.
Foto: Gemeinfrei

Für Schliemann war klar, dass es sich bei einem so großen Goldfund um nichts Geringeres als den Schatz des aus der "Ilias" bekannten trojanischen Königs Priamos handeln kann. Wissenschaftlich ließ sich dieser Schluss nicht belegen, noch heute ist nicht geklärt, wer der Besitzer der 8.000 Gegenstände war, die im Zweiten Weltkrieg eine Odyssee erlebten – von den Ausstellungsräumen in Berlin zuerst in den Keller, dann weiter in den Tresor der Preußischen Staatsbank und schließlich in einen der Berliner Flaktürme. Nach dem Krieg wurden sie nach Russland gebracht, galten zwischenzeitlich als verloren, bevor sie in Moskau in Geheimdepots des Puschkin-Museums neu entdeckt wurden. Heute sind die Funde im Deutschen Museum in Berlin und im Puschkin-Museum in Moskau zu sehen.

So ungewöhnlich waren Goldschätze damals allerdings nicht. In Westanatolien gab es mehrere Goldvorkommen. Laut antiker Überlieferung wurde während des Trojanischen Kriegs vor allem in der Astyra-Mine Gold abgebaut. Woher das Gold tatsächlich stammte, ist allerdings rätselhaft und Gegenstand von Untersuchungen.

Aufschlussreiche Spurenelemente

Normalerweise konzentrieren sich wissenschaftliche Untersuchungen von Goldobjekten auf die metallurgischen Prozesse, die Verarbeitungsmethoden der Goldschmiede und den geologischen Ursprung des Goldes. Seit den Siebzigern untersucht man die Spurenelemente in Goldfunden. Gold ist nicht völlig rein, sondern enthält andere Elemente wie Silber, Kupfer, Zinn, aber auch Platin.

Eine elektronenmikroskopische Aufnahme eines durch den Laser erzeugten Lochs in einer Goldoberfläche. Es hat nur 0,12 Millimeter Durchmesser.
Foto: M. Numrich (CEZA)

Heute ist Massenspektrometrie gängig. Diese extrem genaue Analysemethode kommt mit winzigen Probenmengen aus und kann unter Idealbedingungen buchstäblich einzelne Atome zählen. Allerdings müssen auch in diesem Fall winzige Goldspäne abgeschabt oder aber die Objekte ins Labor transportiert werden. Gerade bei so sensiblen Funden wie dem Schatz des Priamos ist beides nicht möglich. Das ist ein Dilemma, denn nichtinvasive Methoden wie Röntgenfluoreszenz sind nicht genau genug, um die Spurenelemente zu bestimmen. Die Museen warten in so einem Fall meist, bis die Wissenschaft bessere Methoden entwickelt – mit Erfolg, wie es nun scheint.

Tragbares Gerät brennt winzige Löcher

Die Lösung kommt nun in Form tragbarer Laserabtragungsgeräte, die in der Lage sind, winzige Löcher in Goldoberflächen zu brennen und dabei gerade so viel Material zu gewinnen, dass eine Untersuchung im Labor möglich ist. Die Löcher sind dabei so winzig, dass sie mit freiem Auge nicht zu erkennen sind. Das Team, das aus Forschenden der Universität Tübingen, des Curt-Engelhorn-Zentrums für Archäometrie in Mannheim und einer Gruppe um Barbara Horejs vom Österreichischen Archäologischen Institut der ÖAW besteht, untersuchte 61 Objekte aus der Zeit zwischen 2.500 und 2.000 vor unserer Zeitrechnung.

Gold und charakteristischer Schmuck waren in der Bronzezeit von der Ägäis bis zum Industal verbreitet.
Foto: Ch. Schwall, M. Börner, ÖAI Wien

Das Ergebnis: Der chemische Fingerabdruck des Goldes aus dem Schatz des Priamos stimmt mit dem eines anderen bedeutenden Goldschatzes überein. In der bronzezeitlichen Siedlung Poliochni auf der griechischen Insel Limnos wurden ebenfalls Goldobjekte gefunden. Deren Charakteristik stimmt mit jener aus dem Schatz des Priamos überein. Das Gold stammt aus sogenannten sekundären Lagerstätten wie Flüssen. Darauf deuten die vergleichsweise großen Mengen von Zinn, Palladium und Platin hin.

Das Gold aus Ur

Doch Vergleiche mit älteren Daten brachten eine Überraschung: Das Gold aus Troja ähnelt auch Goldfunden aus einer weiteren legendären Stadt eines völlig anderen Kulturkreises. Das mesopotamische Ur war eines der Zentren der sumerischen Hochkultur. Die Sumerer gelten als Erfinder der Schrift, die Tierkreiszeichen gehen auf sie zurück. Auch in der Bibel wird Ur erwähnt, sie soll die Geburtsstadt Abrahams sein. In 4.500 Jahre alten Königsgräbern aus Ur fand man ebenfalls Gold. Doch in Mesopotamien selbst gab es das Edelmetall nicht. Es musste auf dem Handelsweg gekommen sein. Die neuen Ergebnisse belegen nun, dass es aus der gleichen Quelle wie das Gold des Priamos stammt.

Das Gold aus Troja. Ein Teil des Schatzes kann heute in Berlin besichtigt werden.
Foto: J. Huber, Ch. Schwall (ÖAI Wien)

Das ist ein Hinweis für die Korrektheit der schon bisher gehegten Vermutung, das frühe mesopotamische Gold könnte aus Westanatolien stammen. Schon früher war eine Ähnlichkeit von Gegenständen wie Siegeln, standardisierten Gewichten und Ohrringen mit identischen Spiralmustern von der Ägäis bis zum Industal im heutigen Pakistan festgestellt worden. "Die neuen archäometrischen Daten eröffnen uns einen soliden und globalen Rahmen für unsere Modelle von Gesellschaften, ihren Netzwerken und die Bedeutung von Ressourcen vor rund 4.500 Jahren", zeigt sich Barbara Horejs zufrieden.

Die genaue Herkunft des Goldes aus Troja bleibt allerdings ein Rätsel: "Wenn wir den Anteil von Spurenelementen im Gold aus Troja, Poliochini und Ur betrachten, so zeigt bronzezeitliches Gold aus Georgien die größte Übereinstimmung mit den genannten Fundorten", sagt Horejs. Es fehlten aber noch Daten von Vergleichsobjekten.

Die Forschenden werden also wohl bald in weitere Museen gehen, um dort winzige Löcher in die Goldschätze zu bohren. (Reinhard Kleindl, 30.11.2022)