Auch in Wien gab es Solidaritätskundgebungen für die Proteste im Iran. Die iranische Botschaft dürfte diese recht genau im Auge behalten.

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Es ist vielleicht nicht die charmanteste Gegend Wiens. Im toten Winkel zwischen Großfeldsiedlung und Brünner Straße dominiert vor allem der Beton – Lagerhallen, Brachflächen, abgestellte Lkws auf Speditionsparkplätzen. Ein typisches Gewerbegebiet im Flächenbezirk Floridsdorf, mit viel Autoverkehr und ein paar Gebrauchtwagenhändlern.

Und auch wer sich dem unscheinbaren Gebäude gegenüber des Vorstadt-Boxklubs nähert, würde wohl kaum erahnen, was sich darin angeblich abspielen soll. Dass führende Politiker aus dem Iran dort ein und aus gehen sollen zum Beispiel. Oder dass die repressive Islamische Republik von hier aus versuchen soll, die iranische Community in Österreich zu beeinflussen.

Aber genau das wirft man dem Islamischen Zentrum Imam Ali (IAZ), wie es offiziell heißt, vor. In Wahrheit soll es als Moschee genützt werden, da sind sich Beobachter und Szenekenner einig. Schon das hat für Kontroversen gesorgt, denn laut Wiener Bauordnung dürfen im Gewerbegebiet keine Gebetsräume geschaffen werden.

Blutige Repression

Verstärkte Aufmerksamkeit erfährt das Zentrum aber gerade wegen der anhaltenden Proteste im Iran gegen das amtierende Mullah-Regime und seine Sittenpolizei. Teheran lässt die Kundgebungen weiter mit repressiver Staatsgewalt niederschlagen. Erst am Montag wurde ein zweiter Demonstrant im Zusammenhang mit den Protesten öffentlich hingerichtet, was für weltweite Empörung sorgte. Man habe es "leider Gottes mit einem Staat zu tun, der auf Konfrontationskurs ist gegenüber der eigenen Bevölkerung", sagte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) bei einem Treffen der Ressortchefs in Brüssel.

Im Lichte der aktuellen Ereignisse bekommen zwei schon länger im Raum stehende Fragen neue Dringlichkeit: Wie eng ist das IAZ in Floridsdorf mit der repressiv-religiösen Islamischen Republik verflochten? Und: Kommt die Finanzierung direkt aus Teheran?

Deutscher Verfassungsschutz ermittelt

Wieder aufgebracht hat diese Fragen jüngst eine ungewöhnliche Allianz, nämlich zwischen der Dokumentationsstelle Politischer Islam und den Grünen, die mit dem türkisen Prestigeprojekt bisher nicht allzu viel Freude hatten. Erstere sieht das IAZ als Außenstelle der Islamischen Republik, die Einfluss auf Exil-Iranerinnen und -Iraner in Österreich gewinnen wolle. Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, erklärt das Zentrum gar zum Teil einer "Drehscheibe für Spionage und politische Einflussnahme" des Mullah-Regimes in Wien. Für den Fall, dass sich die Finanzierung aus Teheran belegen lässt, fordert sie die sofortige Schließung des IAZ. Auch der Historiker Heiko Heinisch forderte in einem Gastkommentar im "Falter", das Zentrum zuzusperren.

Mit ähnlich klaren Worten versucht die deutsche Ampelregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gerade, das Islamische Zentrum in Hamburg zu verbieten, das seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Und was passiert in Österreich? Das Kultusamt von Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) sieht ihr Ressort für das Imam-Ali-Zentrum jedenfalls nicht zuständig. Da sei Wien an der Reihe, heißt es auf STANDARD-Nachfrage. Das Büro des roten Bezirksvorstehers Georg Papai in Floridsdorf ist über das Interesse an dem Zentrum vor allem überrascht.

"Oppositioneller wird nicht Imam sein"

Dabei schlägt das IAZ schon seit längerer Zeit mediale Wellen. Allein schon dessen Umzug aus Wien-Mariahilf nach Floridsdorf sorgte für Querelen. Bei der Suche nach einem neuen Standort dürfte der Verein nämlich nicht auf dem Tapet gehabt haben, dass die Bauordnung hier keine Moschee erlaubt. Wegen zahlreicher Indizien, dass man sich über das Verbot hinweggesetzt haben dürfte, gab es Probleme mit der Baupolizei. Abgehalten werden in den Räumlichkeiten offiziell Seminare und Workshops. Das sei rechtlich gedeckt, heißt es in Papais Büro. Man spricht von einer "Grauzone".

Aber was steckt hinter dem IAZ? Dieses sei der Islamischen Republik Iran zuzuordnen wie der Verein Atib der Türkei, sagt der Politikwissenschafter und Islamexperte Thomas Schmidinger zum STANDARD. "Ein Oppositioneller wird dort eher nicht Imam sein." Als "primäres Propagandainstrument" Teherans in Österreich sieht Schmidinger das Zentrum allerdings nicht. Ebenso vertrete es keineswegs alle Schiitinnen und Schiiten hierzulande. In der schiitischen Szene in Wien gebe es rivalisierende Gruppen – darunter die Islamische-Schiitische Glaubensgemeinschaft, die in Österreich als religiöse Bekenntnisgemeinschaft anerkannt und am ebenfalls mehrheitlich schiitischen Irak statt am Iran orientiert ist.

Der legale Umweg

Dass das IAZ Zuwendungen aus Teheran bekommt, gilt unter Fachleuten als unumstritten. In welcher Höhe und auf welchen Wegen genau, ist weniger klar – und aktuell Gegenstand von Nachforschungen der Dokumentationsstelle Politischer Islam. Eine Anfrage des STANDARD zu dessen Finanzierung ließ das IAZ unbeantwortet. Über das Grundbuch lässt sich lediglich eruieren, dass die Islamische Republik Iran das Gebäude für das IAZ im August 2017 erstanden hat – laut Kaufvertrag für mehr als 2,5 Millionen Euro.

Gegen das heimische Islam-Gesetz verstoßen würde das Zentrum jedenfalls nur bei permanenter Finanzierung, etwa von Gehältern, durch den Iran. "Wenn man zum Beispiel einen Fonds in Österreich gründet, der ein Moscheennetzwerk finanziert, dann wäre es schon wieder legal", sagt Schmidinger. (Nachträgliche Anm. d. Red. Gemäß Islamgesetz darf die "Aufbringung der Mittel" allerdings grundsätzlich nur im Inland erfolgen, das geht auch aus einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs hervor)

Ein bekanntes Gesicht

In der iranischen Diaspora in Wien sieht man das IAZ zudem mitunter nur als Spitze des Eisbergs. Netzaktivisten berichten etwa von einer regen Tätigkeit an Vereins- und Firmengründungen mit Bezug zum Iran in Wien – auch und gerade, seit die Protestwelle über die schiitische Großmacht im Nahen Osten zieht. Von Gründungen von Scheinfirmen durch iranische Geschäftsleute ist da etwa die Rede. Das IAZ wird mitunter als eine Art Dreh- und Angelpunkt für Unterstützer des iranischen Regimes gesehen. Auch enge Verbindungen zur Botschaft in Wien – die wiederum die regimekritischen Proteste in Wien recht genau im Auge haben dürfte – werden vermutet.

Der enge Draht des iranischen Regimes Richtung Wien wird unter anderem auch an der Person Reza Ramezani festgemacht. Der Geistliche sitzt im mehr als 80-köpfigen iranischen Expertenrat, der niemand Geringeren als den obersten Führer des Landes wählt. Ramezani leitete vor etlichen Jahren nicht nur das Imam-Ali-Zentrum in Wien, sondern später auch für längere Zeit das Islamische Zentrum in Hamburg.

"Wie Saudi-Arabien oder Katar"

Dass die islamische Republik versucht, zumindest über "soft power" Einfluss auf Auslands-Iraner auszuüben, "ähnlich wie die Türkei, Saudi-Arabien oder Katar", bestätigt auch Experte Schmidinger. Er glaubt aber, dass das dem Iran deutlich schlechter gelinge als etwa den türkischen Netzwerken in Österreich. Denn viele Iranerinnen und Iraner hierzulande seien politische Flüchtlinge beziehungsweise Personen mit hoher formaler Bildung und höherem ökonomischem Status, die vom iranischen Regime oft wenig wissen wollen. Deshalb versuche Teheran zuletzt verstärkt, die afghanischen Hazara anzusprechen, die dort zur schiitischen Minderheit gehören und in Österreich – im Gegensatz zur iranischen Community – noch wenig etabliert sind.

Die Erfolge des IAZ seien insgesamt aber bei weitem nicht mit der türkischen Atib-Union vergleichbar, sagt Schmidinger. Dementsprechend glaubt er auch nicht, dass eine etwaige Schließung des Zentrums in der Praxis allzu viel bewirken würde. "Ich halte das nicht für ein adäquates Druckmittel gegenüber der Regierung in Teheran", sagt Schmidinger, eine Schließung wäre wohl eher ein symbolischer Akt. Gezielte Maßnahmen, die das iranische Regime treffen – nicht die dortige Bevölkerung, die unter den Sanktionen leide –, befürwortet der Politikwissenschafter aber. (Jan Michael Marchart, Martin Tschiderer, 13.12.2022)