Ist die Not groß, wächst das Rettende auch: Das der deutschen Nationalmannschaft ist 83 Kilo schwer, 1,88 Meter groß. Hier jubelt Niclas Füllkrug über sein Tor gegen Spanien, das sein Team im Spiel gehalten hat.

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Schland gibt es nicht mehr. Das ist keine besonders neue Erkenntnis. La mannschaft, das so undeutsch-spielwitzige Team, das von Jürgen Klinsmann geformt und von Jogi Löw zum Blühen gebracht wurde, hat sich schon vor vier Jahren verabschiedet. Und hat keinen Nachfolger gefunden. So wie damals, 2018 in Russland, rauft das deutsche Team ums Überleben. Dazu muss es im letzten Spiel der Gruppe E Costa Rica schlagen.

Dass es das überhaupt kann – das Raufen –, verdankt es dem Costa Ricaner Keysher Fuller, der Japan mit seinem Tor in der 81. Minute 1:0 geschlagen hatte. Jetzt muss Deutschland die Mittelamerikaner nur noch schlagen.

Schland mag ja tot sein. Dafür ist das legendäre deutsche Massel zurück. Man geht also mit Zuversicht in die finale Gruppenpartie. Mit Zuversicht und dem 29-jährigen Niclas Füllkrug von Werder Bremen. Der wurde in der 70. Minute eingewechselt. Und er hielt das Team mit seinem Ausgleich zum 1:1 gegen Spanien in der 83. Minute im Spiel ums Achtelfinale.

Ein Erlöser

Auch deutsche Medien neigen gelegentlich zur Hysterie. Haben Beobachter sich zuvor noch gefragt, wer dieser Bremer mit dem so wohlklingenden Familiennamen sei, stand er nach Deutschlands erstem WM-Treffer im Fokus ballesterischer Errettungsvision. Selbst die FAZ meinte: "Füllkrug könnte die Lösung sein." Um nicht zu sagen: die Erlösung.

Na ja: Zumindest der Wunsch danach ist sehr verständlich. Teamtrainer Hans-Dieter Flick, zu dem sie trotz seiner 57 Jahre allgemein "Hansi" sagen, hat ja zweifellos eine Baustelle mitgenommen nach Katar. Vor allem hinten. Vom Dortmunder Innenverteidiger Nico Schlotterbeck bis zum Dortmunder Abwehrspieler Niklas Süle wackelt die Verteidigung in sich. Wäre es nicht ein gar so dummer Wortwitz, ließe sich sagen: Es schlottert.

Vorne aber tut sich mit Niclas Füllkrug ein Lichtblick auf. Interessant, zuzuschauen, wie die deutsche Not da gerade einen Star gebiert. Wehe ihm also, er wird keiner. In der Gerüchteküche wird er gerade eingekocht. Angeblich, so raschelt es, habe Bayern ihn schon auf dem Wunschzettel. Werder, heuer erst wieder aufgestiegen, mit Füllkrug aufgestiegen, überlege, bei einem unmoralischen Angebot unter Umständen schwach zu werden.

Dass gerade ein Spiel auf Leben und Tod bevorsteht, kann da selbst für den abgebrühtesten Spieler ein wenig aus den Augen geraten. Füllkrugs Versprechen klingt darum wie die Beschwörung der eigenen Konzentration: "Ich versuche einfach, demütig und bodenständig zu bleiben." Und auch: "Ich will weiter meine Arbeit machen. Ich denke, dass sich das irgendwann auszahlt." Und vor allem: "Ich bin auch nicht der Mann, der Fußball-Deutschland im Turnier hält. Wir sind die Mannschaft, die Fußball-Deutschland im Turnier hält. Darum geht es am Ende."

Ein Viertelfinale

Einmal hat Deutschland schon gegen Costa Rica gespielt und gewonnen. 4:2 in der Vorgruppe der Heim-WM 2006. Mag sein, das ist ein Omen. Die Mittelamerikaner versprechen allerdings diesmal kräftiges Dagegenhalten.

Kapitän Keylor Navas, Tormann bei Paris Saint-Germain, war 2014 in Brasilien immerhin im Viertelfinale, wo Costa Rica den Niederlanden erst im Elferschießen unterlag. Und er verspricht den Deutschen: "Wir werden wie die Stiere kämpfen, um unserem Land viel Glück und Freude zu bereiten."

Die Deutschen nehmen das, sagt jedenfalls Sturmtank Füllkrug, sehr ernst: "Costa Rica hat bis jetzt ja zwei Gesichter gezeigt. Gegen Japan waren sie unangenehm und hatten ein besseres Positionsspiel."

Die Deutschen müssen gewinnen. Füllkrug also Navas bezwingen. Den Costa Ricanern genügt ein Remis. Dann braucht es aber einen Sieg Spaniens. Dass diese auf Platz zwei spielen, weil die Auslosung dann vielversprechender sein würde (eventuell gegen Marokko), wird dementiert. Wäre aber eine feine ironische Anmerkung zu Gijon, wo Deutschland und Österreich vor vierzig Jahren ihr Duell zuungunsten von Algerien geschoben hatten.

Darüber, dass beim Spiel zwischen Deutschland und Costa Rica alles seine Ordnung hat, wacht – erstmals bei einer Männer-WM – eine Frau. Die Französin Stéphanie Frappart hat auch in der Liga bewiesen, dass sie es versteht, sich Respekt zu verschaffen. (Wolfgang Weisgram, 1.12.2022)

Ausgangslage

SPANIEN erreicht das Achtelfinale ...

... bei einem Sieg oder Remis gegen Japan

... bei einer Niederlage gegen Japan, wenn gleichzeitig Deutschland und Costa Rica remis spielen und die Tordifferenz weiter besser ist als die von Costa Rica

... bei einer Niederlage gegen Japan, wenn gleichzeitig Deutschland gegen Costa Rica gewinnt und die Tordifferenz weiter besser ist als die von Deutschland

JAPAN erreicht das Achtelfinale ...

... bei einem Sieg gegen Spanien

... bei einem Remis gegen Spanien, wenn gleichzeitig Deutschland und Costa Rica remis spielen

... bei einem Remis gegen Spanien, wenn gleichzeitig Deutschland und Costa Rica gewinnt und die Tordifferenz trotzdem besser ist als die deutsche

COSTA RICA erreicht das Achtelfinale ...

... bei einem Sieg gegen Deutschland

... bei einem Remis gegen Deutschland, wenn gleichzeitig Spanien gegen Japan gewinnt

... bei einem Remis gegen Deutschland, wenn gleichzeitig Japan gegen Spanien gewinnt und die Tordifferenz besser ist als die spanische

DEUTSCHLAND erreicht das Achtelfinale ...

... bei einem Sieg gegen Costa Rica, wenn gleichzeitig Spanien gegen Japan gewinnt

... bei einem Sieg gegen Costa Rica mit mindestens zwei Toren Differenz, wenn gleichzeitig Spanien und Japan remis spielen

... bei einem Sieg gegen Costa Rica mit einem Tor Differenz, wenn gleichzeitig Spanien und Japan remis spielen und Deutschland mehr Tore geschossen hat als Japan (Beispiel: Deutschland siegt 1:0, Japan spielt 0:0)

... bei einem hohen Sieg gegen Costa Rica, wenn gleichzeitig Japan gegen Spanien hoch gewinnt (Beispiel: Deutschland gewinnt 5:0, Japan 4:0)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen

Gruppe E – 3. Runde:
Costa Rica – Deutschland (Al Khor, Al Bayt Stadium, 20 Uhr, live ORF 1, SR Stephanie Frapport/FRA)

Costa Rica: 1 Navas – 4 Fuller, 19 Waston, 6 Duarte, 3 Vargas, 8 Oviedo – 12 Campbell, 5 Borges, 23 Tejeda, 17 Torres – 7 Contreras

Ersatz: 18 Alvarado, 23 Sequiera – 16 Martinez, 22 Matarrita, 2 Chacon, 14 Salas, 9 Bennette, 20 Aguilera, 21 Lopez, 24 Wilson, 26 Zamora, 25 Hernandez, 10 Ruiz, 11 Venegas

Es fehlt: 15 Calvo (gesperrt)

Deutschland: 1 Neuer – 16 Klostermann, 15 Süle, 2 Rüdiger, 3 Raum – 6 Kimmich, 21 Gündogan – 13 Müller, 14 Musiala, 19 Sané – 9 Füllkrug

Ersatz: 12 Trapp, 22 ter Stegen – 4 Ginter, 5 Kehrer, 23 Schlotterbeck, 20 Günter, 25 Bella-Kotchap, 8 Goretzka, 10 Gnabry, 11 Götze, 17 Brandt, 18 Hofmann, 7 Havertz, 24 Adeyemi, 26 Moukoko

Japan – Spanien (Al Rayyan, Khalifa International Stadium, 20 Uhr, live Servus TV, SR Victor Gomes/RSA)

Japan: 12 Gonda – 19 Sakai, 4 Itakura, 22 Yoshida, 5 Nagatomo – 6 Endo – 14 J. Ito, 15 Kamada, 17 Tanaka, 11 Kubo – 25 Maeda

Ersatz: 1 Kawashima, 23 Schmidt, 2 Yamane, 3 Taniguchi, 16 Tomiyasu, 26 H. Ito, 7 Shibasaki, 8 Doan, 9 Mitoma, 10 Minamino, 13 Morita, 24 Soma, 18 Asano, 20 Machino, 21 Ueda

Fraglich: Sakai (angeschlagen)

Spanien: 23 Simon – 20 Carvajal, 16 Rodri, 24 Laporte, 18 Alba – 9 Gavi, 8 Koke, 26 Pedri – 11 F. Torres, 7 Morata, 21 Olmo

Ersatz: 1 Sanchez, 13 Raya, 2 Azpilicueta, 3 Garcia, 4 P. Torres, 14 Balde, 15 Guillamon, 5 Busquets, 6 Llorente, 19 Soler, 12 Williams, 17 Pino, 10 Asensio, 22 Sarabia, 25 Fati

Fraglich: Gavi, Rodri (beide angeschlagen)