Kanzler Nehammer auf dem Weg zum U-Ausschuss. Einen Kameraschwenk dort ließ er – wie zuletzt viele Auskunftspersonen – nicht zu.

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Der Mann, der am Mittwoch erneut ins Camineum der Hofburg kam, ist für den U-Ausschuss zu mutmaßlicher ÖVP-Korruption gleich auf vierfache Weise interessant: Erstens war er Generalsekretär der ÖVP, als diese ihren umstrittenen Wahlkampf von 2019 durchgeführt hat. Zweitens war er von 2020 bis 2021 Chef im Innenministerium, das als besonders interventionsanfällig gilt. Drittens und viertens ist er ÖVP-Obmann und Bundeskanzler und somit erster Ansprechpartner für die Frage, wie Partei und Regierung mit dem Erbe der Ära Kurz umgehen.

Viel Auskunft gab dieser Mann namens Karl Nehammer am Mittwoch freilich nicht. Eine einzige Botschaft hatte er mitgebracht, sie betrifft das Kanzleramt. Das liegt ja im Clinch mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA): Die Ermittler wollen E-Mails und andere Daten zahlreicher Mitarbeiter, das Kanzleramt leistet dem bislang nicht Folge. Dazu sagte Nehammer, man sei in einer "Zwickmühle", weil die Sicherstellungsanordnung der WKStA zu unpräzise sei und man nicht die Rechte der Kanzleramtsmitarbeiter verletzen wolle.

"Austausch" mit WKStA

Dass ihm das wichtig war, zeigte sich auch daran, dass Kanzlersprecher Daniel Kosak die wichtigsten "Talking Points" dazu gleich an Medien versandte: "Derzeit sind die Beamten des BKA mit der WKStA im Austausch, um die Sicherstellung durchzuführen und die notwendigen Schritte abzuarbeiten", ließ er die Journalistinnen und Journalisten wissen.

Das war aber auch schon alles, was Nehammer von sich aus kommunizieren wollte. Der Rest der Befragung gestaltete sich erwartbar mühsam. Die Opposition brachte erneut ihre Thesen vor, die sie im Lauf des U-Ausschusses erarbeitet hatte. Da geht es darum, dass die ÖVP angeblich günstigere Angebote von Agenturen bekäme, die sie dafür mit Ministeriumsaufträgen versorge.

Als Beispiel nennt die SPÖ etwa die Media Contacta, sie soll der ÖVP für deren Megaevent in der Stadthalle 500.000 Euro erlassen haben. "Keine Wahrnehmung", sagte Nehammer dazu.

Hitzige Stimmung

Eine weitere Vermutung der Opposition: ÖVP-Teilorganisationen oder der Partei nahestehende Initiativen würden durch Inserate von Ministerien mitfinanziert werden. FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker legte da etwa das Magazin Österreich sicher vor, in dem unter Minister Karl Nehammer allein in einer Ausgabe 76.000 Euro "verschalten" wurden.

Mit fortschreitender Befragungsdauer wurde die Stimmung immer hitziger. SPÖ-Fraktionschef Jan Krainer bezeichnete die Wortmeldungen seines türkisen Pendants Andreas Hanger als "Folter", die Befragung an sich "Farce".

"Österreich sicher"

Der heutige Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer hatte einst als Vizepräsident der Wiener Polizei ÖVP-intern für Österreich sicher geworben, da habe man "vollen redaktionellen Zugriff", schrieb er in einer Nachricht an das Kabinett des einstigen Innenministers Wolfgang Sobotka.

Vom erhöhten Kommunikationsbedarf während der Pandemie erzählte Nehammer als Antwort auf die Frage, warum in seiner Zeit als Innenminister ganze 456.000 Euro zu Österreich sicher flossen – das Magazin fiel zuletzt übrigens mit kruden verschwörungstheoretischen und prorussischen Thesen auf, Nehammers Nachfolger Gerhard Karner verbot ihm deshalb, als "Partnermagazin des Innenministeriums" zu werben.

Und wie sei das mit Interventionen bei Personalentscheidungen gewesen? Da war etwa Anfang 2021 Christian Stella zum Leiter der Flugpolizei geworden, obwohl eine Bewerberin gleichrangig gewertet worden sei und somit den Vorzug hätte erhalten müssen. Die Frau galt als SPÖ-nah, Stella ist heute Karners Kabinettschef. Wie hat der damalige Minister Nehammer die Sache wahrgenommen? Er habe den betreffenden Mann, also Stella, ernannt, an die rechtlichen Folgen – Schadenersatz – könne er sich aber nicht mehr erinnern, behauptete der Bundeskanzler.

Für das Protokoll

So ging es bis in den Nachmittag dahin. Der Erkenntnisstand hielt sich in Grenzen. Anderes hat sich die Opposition wohl auch nicht erwartet.

Vielmehr geht es bei solchen Befragungen darum, die eigenen Erkenntnisse noch einmal öffentlichkeitswirksam zu präsentieren und den Kanzler unter Wahrheitspflicht mit den Sachverhalten zu konfrontieren. Zumindest diesen U-Ausschuss hat Nehammer somit überstanden: Der endet regulär nächsten Mittwoch.

Davor widmen sich die Abgeordneten noch der niederösterreichischen ÖVP, das passierte am Mittwoch in Gestalt von Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner. Recht viel flüssiger als bei Nehammer lief die Befragung allerdings auch nicht. Vor allem wollten die Mandatare mehr zu den Geschäftsbeziehungen der ÖVP NÖ (Stichwort Media Contacta) erfahren, da bissen sie bei Ebner aber großteils auf Granit. Am Donnerstag geht es mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) weiter. (Fabian Schmid, Renate Graber, 30.11.2022)