Mit Android, aber offiziell ohne Google Mobile Services: eine schwierige Aufgabe für Huawei-Smartphones.

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Es gab Zeiten, da war der chinesische Hardwarehersteller Huawei drauf und dran, den Smartphone-Markt zu erobern. Doch mit dem Handelsverbot zwischen Google und Huawei im Frühjahr 2019 kam der große Absturz – und mit dem P30 Pro das letzte Smartphone des Unternehmens, das offiziell Google-Dienste (Google Mobile Services) unterstützte.

Außerhalb von China spielt Huawei seither bei Smartphones kaum noch eine Rolle. Dass das Unternehmen im Westen sanktionsbedingt auch keine 5G-Unterstützung für die eigenen Geräte anbietet, erschwert die Marktsituation zusätzlich. Und das dürfte sich auf absehbare Zeit kaum ändern.

Ungewisse Situation in Europa

Angetrieben von rigorosen Verboten in den USA liegt die Vermutung nahe, dass sich Huawei auch langsam vom europäischen Markt zurückziehen dürfte. In einem Beitrag des Magazins "Politico" heißt es sogar von einem Huawei-Manager, der anonym bleiben will, dass das Unternehmen nur noch "seinen Arsch am heimischen Markt" retten wolle.

In einem offiziellen Statement gibt Huawei zwar zu, dass man die bisher existierenden Europagesellschaften zu einer Zentrale in Düsseldorf zusammenlegen werde. Von einem Aus des Europageschäfts sei allerdings keine Rede, man wolle lediglich eine "flachere, agilere und effizientere Struktur" schaffen. Und konkret zu Österreich heißt es: "Die Verbraucher stehen weiterhin im Mittelpunkt unserer Aktivitäten. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, Innovationen voranzutreiben, um smarte Erlebnisse zu ermöglichen, und Verbrauchern in Österreich hochwertige Produkte und Services anzubieten."

Aber wie sehr schmerzt der offizielle Verzicht einer Google-Anbindung bei Huawei-Smartphones wirklich? Welche Probleme können für Huawei-Nutzerinnen und -Nutzer dabei entstehen? DER STANDARD hat sich die Problematik im Alltag exemplarisch anhand des neuen Flaggschiffs Mate 50 Pro angesehen.

Mit Android, ohne Google

Unter der Bezeichnung EMUI (kurz für "Emotion User Interface") greift Huawei nach wie vor auf einen Android-Unterbau zurück, so auch beim Huawei Mate 50 Pro. Hier handelt es sich konkret um Version 13, die auf Android 12 basiert. Um das darüber hinaus fehlende Ökosystem von Google zu kompensieren, hat man über die letzten Jahre das eigene Softwareangebot weiter ausgebaut.

Huawei selbst spricht dabei wenig verwunderlich von einer Erfolgsstory: Unabhängig von den hauseigenen Services, den Huawei Mobile Services (HMS), die nach eigenen Angaben in Europa mehrere Millionen monatlich aktive Nutzer haben sollen, betont man den weltweiten Einsatz lokaler Teams, der eine zeitnahe Umsetzung regionaler Apps für die AppGallery, den eigenen App Store, garantieren soll.

Für Österreich bedeutet das konkret, dass direkt in der AppGallery viele offizielle Apps von Banken und Behörden sowie von regionalen Händlern und Medienhäusern zur Verfügung stehen. Der grüne Pass war beispielsweise schon verfügbar, bevor er in die Stores der Konkurrenz kam. Man scheint zumindest bemüht, auch auf solche Services Rücksicht zu nehmen. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann freilich nicht gewährleistet werden. In der Praxis bedeutet das daher, dass man im Vorfeld eines Smartphonekaufs das Vorhandensein regionaler Apps individuell abklären sollte, wenn man darauf nicht verzichten kann.

AppGallery: Großes Angebot über Umleitungen

Wenn es um die Basics geht, die für den Smartphone-Alltag vorzufinden sein sollten, scheint auf den ersten Blick nichts zu fehlen. Kernstück ist die bereits erwähnte AppGallery, die den Google Play Store ersetzt. Derzeit gibt es laut Huawei mehr als 220.000 native Apps im eigenen Ökosystem, darunter auch populäre Anwendungen wie Tiktok, Snapchat, Tinder oder Telegram. Besonders stark ins Auge sticht dabei tatsächlich die bereits erwähnte Vielzahl regionaler Apps. Mit Google oder Apple lässt sich das Angebot dennoch nicht vergleichen.

Das Angebot der AppGallery wächst stetig, man erreicht es aber oft nur über Umleitungen.
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Huawei kaschiert nämlich etliche Lücken, indem die AppGallery oft auf Ergebnisse der eigenen Suchmaschine Petal Search verweist, die frei zugängliche App Stores von Drittanbietern wie APKPure nach den angefragten Apps durchsucht und gegebenenfalls darauf hinweist. Petal Search, das Äquivalent zur Google-Suchmaschine, kann übrigens auch direkt dazu genutzt werden, nach Apps zu suchen. Andere Apps wiederum können auch direkt auf der Website des Anbieters heruntergeladen werden, prominentestes Beispiel dafür ist der Messenger Whatsapp.

Vorsicht geboten

Das zieht bedenkliche Nebeneffekte nach sich: Zum einen wird man bei jeder Installation darauf hingewiesen, dass man den offiziellen Bereich von Huawei verlässt, und muss mehrere Bestätigungsschritte und Warnhinweise durchlaufen, bis man eine App endlich auf dem Handy hat. Das ist nervig und fördert nicht unbedingt das Vertrauen ins Ökosystem.

Zum anderen – und das ist eigentlich das Hauptproblem – können Drittanbieter sicherlich eine Alternative für die gewünschte App sein, die es sonst nicht gäbe. Außerhalb des Ökosystems weiß man aber nicht mit Sicherheit, ob die App einwandfrei funktioniert und vor allem ob man sich nicht doch Schadsoftware auf sein Smartphone geladen hat. Besonders bei Streaming-Applikationen oder generell bei Anwendungen, die die Herausgabe von persönlichen Daten erfordern, kann sich diese Entscheidung als besonders riskant entpuppen. Bekannte Beispiele sind in diesem Zusammenhang Netflix, Disney+, aber auch Spotify.

Problematisch können zudem Apps sein, die offizielle Google-Dienste und Google-Schnittstellen benötigen. Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, funktioniert die App nicht richtig oder lässt sich vielleicht noch installieren, aber möglicherweise gar nicht erst starten.

Solide Grundausstattung, zu viel Werbung

Bei der Umsetzung eigener Apps ließ sich Huawei augenscheinlich von der Konkurrenz "inspirieren". Die Ersatz-Apps sind in Anlehnung an ihre Google-Pendants zahlreich vorhanden und erleichtern neuen Nutzerinnen und Nutzern somit auch ein wenig den Umstieg. Von Browser, Navigation und E-Mail-Programm über Kurznachrichten, Notizen und Fotogalerie bis hin zu eigener Cloud und Bezahldienst wird eine solide Grundausstattung angeboten. Es gibt sogar eine eigene Video-App, die man am besten als Mischung aus Youtube und Tiktok bezeichnen kann.

Die Eindrücke über die Qualität der Apps sind natürlich sehr subjektiv. Die meisten Anwendungen scheinen durchaus alltagstauglich, im Detail können sie mit dem Gegenüber von Google dann oft doch noch nicht mithalten. Das ist besonders bei der mangelhaften Genauigkeit von Petal Maps ersichtlich, dem Pendant zu Google Maps.

Was vermutlich die meisten Nutzer unabhängig vom individuellen Usability-Geschmack richtig nerven dürfte, ist das Ausmaß direkter, aber auch versteckter Werbung. Nach dem Start einer App das Display mit einer großflächigen Werbung zu verkleinern ist genauso wenig in Ordnung wie als Nutzer ständig "Empfehlungen" suggeriert zu bekommen, die mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zum Vorteil des Betrachters sind.

Gspace: Google mit Abstürzen

Will man auf aktuellen Huawei-Smartphones direkten Zugang zu den meisten Google-Services, kommt man an GSpace kaum vorbei. Dabei handelt es sich auch um den Dienst eines Drittanbieters, der standardmäßig und ohne Umwege über die AppGallery installiert werden kann. Auf dem Handy betreibt Gspace vereinfacht formuliert ein System im System, das zu Google Mobile Services kompatibel ist. Dadurch lässt sich der Google Play Store direkt ansteuern und somit auch all jene Apps, die in Huaweis AppGallery fehlen.

Ein Ticket für Google Mobile Services: Gspace ermöglicht für Huawei ein System im System. Die Sache hat aber Haken.
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Doch auch dieser Workaround hat Haken: Nicht alle Apps aus dem Play Store sind mit Gspace kompatibel, und auch in diesem Fall bestehen ähnliche Sicherheitsbedenken, die man gegen die anderen Drittanbieter über die Suche via Petal Search oder AppGallery hegen sollte. Insbesondere deshalb, weil man in diesem Fall die Logindaten seines Google-Accounts hergibt. Zudem ist es beim Testgerät Mate 50 Pro öfter vorgekommen, dass Gspace mitten im Betrieb einfach abgestürzt ist. Passiert das hin und wieder bei einem Spiel, mag das ärgerlich, aber verkraftbar sein. Beim Bearbeiten wichtiger Dokumente sollte das aber beispielsweise nicht vorkommen. Den Eindruck einer zuverlässigen, alltagstauglichen Emulation hat Gspace jedenfalls nicht hinterlassen.

Die Möglichkeit für ganz Experimentierfreudige, den Bootloader zu entsperren und sich somit eine alternative Variante von Android auszusuchen, ist mit neuen Geräten von Huawei gar nicht mehr möglich. Und bei den Geräten, wo das noch möglich wäre, sind die Google Mobile Services ohnehin noch vorhanden.

Workaround – aber warum eigentlich?

Zum jetzigen Zeitpunkt fällt es letztendlich schwer, eine Empfehlung für Huawei-Smartphones im Alltag auszusprechen. Auch wenn die Hardware aktueller Geräte auf Augenhöhe zur Konkurrenz stehen mag, bleibt die Software eine Achillesferse der Geräte. Es stimmt zwar, dass Huawei über die Jahre ein in rudimentären Zügen brauchbares Alternativangebot zu Google auf die Beine gestellt hat. Das gilt aber insbesondere für Leute, die bis auf das Betriebssystem selbst kaum oder keine Berührungspunkte zu Google brauchen oder auch nicht haben wollen. Alle anderen Nutzerinnen und Nutzer von Android-Geräten – und das wird die überwältigende Mehrheit sein – werden früher oder später ein Problem bekommen.

Es gibt einige Workarounds, mit denen man auch auf Huawei-Smartphones Apps von und speziell für Google zum Laufen bekommt – sicherheitstechnische Restrisiken, die dadurch entstehen könnten, sollte man aber nicht unterschätzen. Und wirklich komfortabel sind sie alle nicht. Mangels echter Alleinstellungsmerkmale und preislicher Attraktivität der Smartphones stellt sich somit letztlich die Frage, wozu man sich das ganze Prozedere überhaupt antun soll. Und darauf dürften in unseren Breitengraden vermutlich immer weniger Nutzer eine Antwort finden. (Benjamin Brandtner, 1.12.2022)