Die Ausgrabung (vorn) mit Blick in Richtung Festung von Samikon.
Foto: ÖAW-ÖAI

In antiken Schriften ist die Rede von einem berühmten Heiligtum, das Poseidon, dem Meeresgott aus der griechischen Mythologie, gewidmet wurde. Lange Zeit wusste man nicht genau, wo es zu verorten ist, wenngleich Fachleute vermuteten, dass sich das Gebäude in der Nähe der Festung von Samikon in Griechenland befindet. Diese liegt auf einer Bergkuppe an der Westküste der Peloponnes, wenige Kilometer vom Meer entfernt. In diesem Jahr konnten archäologische Grabungsarbeiten eines deutsch-österreichischen Teams endlich ein Heiligtum enthüllen, das zum Tempelbezirk des Poseidon gehören dürfte.

An der Westküste der Peloponnes ist Samikon oder Samiko zu finden, in der Nähe wurde ein lange dort vermutetes Poseidon-Heiligtum entdeckt.

Dem griechischen Geograf Strabon (etwa 63 vor bis 23 nach Christus) zufolge befand sich an dieser Stelle ein wichtiges Kulturzentrum der Region. Für die Archäologinnen und Archäologen war es jedoch kein leichtes Unterfangen, den Standort des entsprechenden Heiligtums in der weitläufigen Landschaft einzugrenzen. Dabei halfen geophysikalische Untersuchungen der Böden aus den Vorjahren.

Weihwasser für Poseidon

Nun konnte den Indizien gefolgt und erstmals Teile der bedeutsamen Anlage freigelegt werden. Dafür wurde ein neues Forschungsprogramm des Österreichischen Archäologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften (ÖAI-ÖAW) initiiert, in Kooperation mit der zuständigen griechischen Abteilung des Kulturministeriums. Das Ausgraben der ersten Teile des Tempels gelang schon im ersten Grabungsabschnitt im August und September 2022.

Das Drohnenfoto zeigt die bisher ausgegrabenen Teile des Gebäudes, das derzeit etwa auf das 6. Jahrhundert v. Chr. datiert wird.
Foto: ÖAW-ÖAI

Die Fachleute stießen auf Fundamentteile eines Gebäudes, das einst wahrscheinlich knapp zehn Meter breit und mindestens 28 Meter lang war. Der Bau könnte selbst dem Meeresgott Poseidon geweiht gewesen sein und bestand aus zwei Innenräumen, einer Tempelvorhalle und einer Rückhalle. Überreste des Dachs wurden ebenso entdeckt wie Keramik und ein Wasserbecken aus Marmor, das – vergleichbar mit christlichen Weihwasserbecken – für Rituale genutzt und als Perirrhanterion bezeichnet wurde.

Entdeckt wurde ein Teil eines großen Wasserbeckens aus Marmor. Ein solches Becken kommt typischerweise in antiken Tempeln vor.
Foto: ÖAW-ÖAI

Archaisches Heiligtum

Die Funde liefern Hinweise darauf, dass der Tempel aus der archaischen Epoche stammt, die von etwa 800 bis 500 v. Chr. reichte. Grabungsleiterin Birgitta Eder und ihr Team vermuten, dass es das Heiligtum bereits im sechsten und fünften vorchristlichen Jahrhundert gab. Genauere Angaben liefert hoffentlich die weitere Erforschung innerhalb der nächsten fünf Jahre.

Dadurch könnten auch neue wertvolle Erkenntnisse über diese Region und Zeit gewonnen werden, aus der verhältnismäßig wenig bekannt ist. Der Tempel für Poseidon dürfte jedenfalls für die Gemeinschaften Triphyliens im Westen der peloponnesischen Halbinsel eine wichtige Stellung eingenommen haben: Es sei "das Zentrum ihrer religiösen und ethnischen Identität" gewesen, heißt es in einer Mitteilung des ÖAI. (red, 5.12.2022)