Im Gastblog schildert Rechtsanwältin Theresa Kamp die rechtlichen Rahmenbedingungen von Scheidungen, die weder einvernehmlich noch mit dem Verschulden einer Person beendet werden.

Das Leben ist bunt, und manchmal entwickelt es sich nicht so wie geplant. Wenn man heiratet, verspricht man sich, in guten wie in schlechten Zeiten zusammenzustehen. Aber wie lang und wie schlecht sind diese schlechten Zeiten wirklich zumutbar? Die Ehe ist vor allem auch ein zivilrechtlicher Vertrag, bei dem gesetzlich bestimmte gegenseitige Rechte und Pflichten normiert sind. Eine davon ist die eheliche Beistandspflicht. Verletzt man die Beistandspflicht, kann das als Eheverfehlung gewertet werden. Es gibt aber auch Grenzen der Zumutbarkeit.

Es gibt verschiedene Wege zur Auflösung der Ehe, selbst wenn man der anderen Person nichts vorwerfen kann – etwa beim Vorliegen von Krankheiten.
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Scheidung, aber wie?

In Österreich gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, wie man eine Scheidung durchführen kann. Die häufigste Variante ist die einvernehmliche Scheidung. Die Grundvoraussetzung für eine einvernehmliche Scheidung ist aber, dass beide Eheleute sich scheiden lassen wollen. Es ist gar nicht selten, dass es bereits an dieser Frage scheitert und nicht erst daran, dass man sich nicht auf die wesentlichen Scheidungsfolgen einigen kann. Hat eine Person schuldhaft schwere Eheverfehlungen gesetzt und ist durch das Verhalten dieser Person die Ehe unheilbar zerrüttet, kann auf Scheidung geklagt werden (Scheidung aus Verschulden).

Wenn eine einvernehmliche Scheidung nicht möglich ist und eine Scheidung aus Verschulden ausscheidet, gibt es noch andere Möglichkeiten oder Gründe, aus denen eine Scheidung angestrebt werden kann.

Scheidung wegen ehezerrüttenden Verhaltens ohne Verschulden

Es kann zu Situation im Leben und in einer Ehe kommen, die unerträglich werden, ohne dass man einer Person etwas vorwerfen könnte oder ohne, dass jemand schuld ist. Denkbar sind Lebensrealitäten, wo eine Person zwar nichts dafürkann, durch ihr Verhalten aber dennoch die Ehe so tief zerrüttet hat, dass die "Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft" nicht erwartet werden kann, zum Beispiel aufgrund einer psychischen Erkrankung. In so einem Fall gibt es die Möglichkeit, eine Scheidung unter Umständen auch gerichtlich durchzusetzen.

Für eine derartige Scheidung braucht es einerseits ein Verhalten einer Person, das grundsätzlich als Eheverfehlung gewertet werden würde, aber etwa wegen ihrer psychischen Erkrankung oder einer kognitiven Beeinträchtigung nicht vorgeworfen werden kann. Die Rechtsprechung hat als "geistige "Beeinträchtigung" beispielsweise genannt: Psychoneurose, Zwangsneurose, Melancholie, Hysterie, Eifersuchtswahn, sowie willensmäßig nicht mehr zu beeinflussende Trunk- oder Drogensucht. Es ist nicht notwendig, dass jemand völlig unzurechnungsfähig ist, die Zurechnungsfähigkeit beziehungsweise die Fähigkeit zur Willensbildung bei der erkrankten Person muss aber herabgesetzt sein. Scheidungsgrund ist nicht die Erkrankung des einen, sondern das deshalb gesetzte Verhalten und die damit einhergehende Zerrüttung der Ehe.

Scheidung wegen ansteckender und ekelerregender Krankheit

Der Name dieses Scheidungsgrunds ist schon eher schwer verdaulich und wirkt aus der Zeit gefallen. Es geht darum, dass eine Person die Scheidung begehren kann, wenn die andere an einer schweren ansteckenden oder ekelerregenden Krankheit leidet und die Ehe unheilbar zerrüttet ist. Außerdem kommt es auch auf die Dauer der Ansteckungsgefahr an und ob es Heilungschanen gibt. Beispiele für derartige Erkrankungen können nach der Rechtsprechung sein: offene Tuberkulose, Geschlechtskrankheiten, Aids, nicht aber Erkältungs- und Kinderkrankheiten. Eine bloß vorübergehende Ansteckungsgefahr reicht nicht aus. Aufgrund von punktuellen oder akuten Infektionen wie Covid-19 kann eine derartige Scheidung nicht begehrt werden.

Widerspruch zur ehelichen Beistandspflicht?

Die Ehe ist grundsätzlich rechtlich nicht nur für "Sonnenzeiten" ausgelegt. So geht auch die Rechtsprechung und der Oberste Gerichtshof davon aus, dass die Beistandsplicht auch im Fall einer Erkrankung besteht. Die oben erwähnten Scheidungstatbestände stehen mit der ehelichen Verpflichtung von Leistung gegenseitigen Beistands in einem gewissen Widerspruch.

Härteklausel in Ausnahmefällen

Deshalb gibt es als Schutzmaßnahme die Härteklausel. Nach dieser darf die Ehe in den Fällen nicht geschieden werden, wenn das Scheidungsbegehren "sittlich nicht gerechtfertigt" ist. Das kann der Fall sein, wenn die Auflösung der Ehe eine Seite besonders hart treffen würde, weil sie beispielsweise aufgrund der Erkrankung gerade jetzt auf die andere Person und diesbezügliche Unterstützung sowie Ansprache angewiesen ist. Ein Härtefall liegt nach der Rechtsprechung etwa auch vor, wenn sich die Scheidung auf den Gesundheitszustand der beklagten Person besonders ungünstig auswirken oder dessen Heilungsaussichten vernichten würde oder der Partner oder die Partnerin die Krankheit des anderen verschuldet hat. Die Rechtsprechung ist aber diesbezüglich restriktiv und gesteht die Härteklausel eher in Ausnahmefällen zu. (Theresa Kamp, 6.12.2022)