Die Stadt Temeschwar wird laut ihrem Bürgermeister auch Klein-Wien genannt.

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"Lassen Sie Ihre Regierungen wissen, dass Sie ein Europa mit Rumänien, Bulgarien und Kroatien im Schengen-Raum unterstützen!" So hat der Bürgermeister von Temeschwar, Dominic Fritz, die Österreicher in einem öffentlichen Video aufgerufen, den Schengen-Beitritt von Rumänien zu unterstützen. Der Appell ging auch an die Schweden und Niederländer, deren Regierungen, ähnlich wie die österreichische, einem Schengen-Beitritt kritisch gegenüberstehen.

Die Entscheidung soll am 8. Dezember im EU-Rat der Innen- und Justizminister gefällt werden. Rumänien und Bulgarien versuchen erfolglos seit mehr als zehn Jahren der Zone mit Personenfreizügigkeit in Europa beizutreten. Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat sich zuletzt dafür ausgesprochen, dass zwar Kroatien Teil des Schengen-Raums werden sollte.

Zu einem Beitritt von Rumänien und Bulgarien hatte er sich allerdings kritisch geäußert und dies mit den steigenden Zahlen von Asylsuchenden in Österreich argumentiert. Zuvor hatte sich Innenminister Gerhard Karner überhaupt gegen jegliche Schengen-Erweiterung gestellt. Karner meinte, dass der Außengrenzschutz einfach nicht funktioniere.

Botschaft aus "Klein-Wien"

Im Gegensatz zu Nehammer und Karner unterstützt der österreichische Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) den Schengen-Beitritt der beiden osteuropäischen Staaten Bulgarien und Rumänien. Und betrachtet man die Asylzahlen, so kommen tatsächlich die meisten Migranten und Flüchtlinge nicht über Kroatien und Slowenien nach Österreich, sondern über Ungarn. Jene, die über Kroatien nach Slowenien reisen, gehen nämlich meist weiter nach Westeuropa, nicht nach Österreich.

Dominic Fritz, der Bürgermeister von Temeschwar, versuchte in seinem Video Verständnis für einen Beitritt zu erlangen und sprach von der Erfahrung von Millionen Rumänen, die im Ausland arbeiten und nach ihrer Rückkehr stundenlang auf die Zollkontrolle warten müssen. "Es ist an der Zeit, dass Europa eins wird. Die Rumänen sind keine Europäer zweiter Klasse." Fritz fügte eine Extrabotschaft an die Österreicher hinzu: "Liebe Österreicher, man nennt Temeschwar auch Klein-Wien, hier seid ihr seit Jahrhunderten präsent, hier ist Europa!"

Kulturhauptstadt Europas

Temeschwar wird 2023 Kulturhauptstadt Europas. Eine der Aufgaben des Programms der EU sei es, das Zugehörigkeitsgefühl der europäischen Bürger zu einem gemeinsamen Kulturraum zu stärken, meinte Fritz.

Sowohl das EU-Parlament als auch die EU-Kommission unterstützen den Beitritt aller drei Staaten, also Kroatiens, Bulgariens und Rumäniens zu dem Schengen-Raum, der 22 Staaten umfasst. Zuletzt weilte auch eine Schengen-Kommission – unter anderem mit niederländischen Experten – in Rumänien, um vor Ort die Situation zu erkunden. Es ging um Visapolitik, Datenschutz und die Zusammenarbeit in Strafsachen.

Als Europäer fühlen

Bulgarien und Rumänien hatten das Expertenteam eingeladen, um ihre rechtlichen Rahmenbedingungen und ihr Grenzmanagement, den Austausch von Sicherheitsinformationen und die Effizienz der polizeilichen Zusammenarbeit bewerten zu lassen. Die EU-Kommissarin für Inneres, Ylva Johannsson sagte, dass nach der jüngsten Erkundungsmission klar sei, dass "die drei Nationen es verdienen, sich voll und ganz als Europäer zu fühlen".

Rumänien und Bulgarien erfüllen bereits seit 2011 die Kriterien. Dennoch wurde ihr Beitritt von mehreren westlichen Ländern wegen Vorfällen der Korruption und organisierter Kriminalität blockiert. Nun scheint es immer wahrscheinlicher, dass in einer Woche die EU-Staaten die Aufnahme Kroatiens und Rumäniens unterstützen werden, Bulgarien aber außen vor bleiben könnte. Für einen Skandal sorgte in Bulgarien, dass in den Jahren unter der Regierung von Bojko Borissow beim größten Grenzübergang zur Türkei eine dubiose Firma tätig war und die Einfuhren von Lebensmitteln nicht ausreichend kontrolliert wurden.

Rumänien und Bulgarien unterstehen seit ihrem Beitritt zur EU im Jahr 2007 einem Monitoring-Mechanismus. Die EU-Kommission plädierte kürzlich dafür, dass der Überwachungsmechanismus im Fall von Rumänien aufgehoben werden soll, weil der Staat Fortschritte gemacht habe. Entscheidend ist aber die Haltung der anderen EU-Mitgliedsstaaten. (Adelheid Wölfl, 2.12.2022)