Greentree-Betriebsleiterin Daniela Poredos inmitten "topfgewachsener" Tannenbäume.
Heribert Corn

Sein Auftritt ist kurz: Wenige Wochen erleuchtet er, festlich geschmückt, die Wohnzimmer. Nach den Feiertagen landet das vertrocknete Gerippe am Straßenrand. "Diese toten Bäume, die nach Weihnachten überall rumliegen … Wenn man Pflanzen mag, tut einem das leid." Daniela Poredos mag Pflanzen. Seit acht Jahren ist sie Betriebsleiterin von Greentree, einem Unternehmen, das lebende Christbäume verkauft.

Die Bäume werden nicht gefällt, sondern im Topf zu den Kunden nach Hause geliefert. Dort können sie nach Weihnachten wieder nach draußen verpflanzt werden. Wer keinen Garten oder Balkon hat, kann den Baum wieder abholen lassen, er wird dann an Forstbetriebe im Waldviertel und der Steiermark abgegeben. So findet der ausgediente Christbaum ein zweites Leben.

Ende November herrscht bei Greentree Hochbetrieb. Im kalten Morgenwind sind zwei Mitarbeiter dabei, einen weißen Transporter mit Bäumen für die Wiener Kundschaft vollzupacken. Dicht beisammen stehen die Tannen im Innenhof der Gärtnerei, die das Unternehmen am Stadtrand im 22. Bezirk angemietet hat. Hinter der grünen Armee warten viele weitere noch darauf, aus Holzkisten und Netzen ausgepackt zu werden. Gestartet hat Greentree vor neun Jahren mit rund zwei- bis dreihundert Bäumen. Mittlerweile liege die Zahl im vierstelligen Bereich, sagt Poredos.

Baumwiederverwertung

Das Jahr über verkaufen sie auch Pflanzpakete und Gemüsekisten. Die Christbäume aber seien das Hauptgeschäft, weshalb im derzeit verwaisten Gewächshaus ein improvisiertes "Zwischenbüro" eingerichtet wurde: eine Biergartengarnitur, daneben – auf aufgetürmten Paletten – eine kleine Kaffeestation sowie ein handtaschengroßer Heizlüfter, der ein wenig warme Luft in die Kälte pustet.

80 Prozent der verkauften Bäume sind Nordmanntannen mit weichen Nadeln.
Heribert Corn

Die große Mehrheit der verkauften Bäume, rund 80 Prozent, sind Nordmanntannen. Hinzu kommen einige Fraser-Tannen – dichter und höher im Wuchs – sowie Rotfichten. Früher ein Klassiker, heute aufgrund der spitzen Nadeln zunehmend unbeliebt, wie Poredos erzählt. Sie greift in die Äste einer Nordmanntanne. Weich und geschmeidig sind sie. Verkauft wird nur über den Onlineshop. In der kleinsten Ausführung sind sie mit An- und Abholung für 78 Euro zu haben – teurer als jene, die man auf Märkten und in Gartencentern bekommt, theoretisch aber auch mehrere Jahre nutzbar. Anders als sonst bekommen die Kunden ihren Christbaum erstmals zu Hause zu sehen. Klagen über unschön geformte Exemplare gebe es dennoch sehr selten, meint Poredos. Am meisten Schwierigkeiten mache die Größe: Im heimischen Wohnzimmer sehe der Baum dann doch kleiner oder größer aus als gedacht.

2,8 Millionen Stück Biomüll

Die Kleinsten sind mit einem Meter so kompakt und leicht, dass Poredos sie sich fürs Foto unter den Arm klemmen kann. Die größten Exemplare erreichen knapp zwei Meter. "Da haben wir heuer leider keine. Die müssen erst nachwachsen." Den meisten Leuten sei gar nicht bewusst, wie lange so eine Tanne zum Wachsen brauche, sagt sie. Rund 15 Jahre sind es im Falle eines kleinkindgroßen Bäumchens.

15 Jahre – nur um nach wenigen Wochen als Biomüll auf der Straße zu landen. Über 190.000 Bäume sammelt die MA 48 in Wien alljährlich ein, rund 835 Tonnen. Landesweit kommen 2,8 Millionen Stück zusammen. Der Großteil geht in die Müllverbrennungsanlage. In Wien werden sie thermisch verwertet, liefern Wärme und Strom für Haushalte. Manche werden an Zoos gespendet, Elefanten etwa lieben die trockenen Bäume – wie auch die Wiener Ziegen auf der Deponie Rautenweg.

Trotz dieser "Müllverwertung" hadern immer mehr Menschen mit dem Gedanken, für wenige Weihnachtswochen extra einen Baum zu "töten". Unser Blick hat sich gewandelt. Bäume gelten als Klimahelden, unerlässlich für Klima- und Umweltschutz.

Gestartet hat Greentree vor neun Jahren mit rund zwei- bis dreihundert Bäumen. Mittlerweile liege die Zahl im vierstelligen Bereich.
Foto: Heribert Corn

Dabei war es die Idee der immergrünen Tanne als Symbol für ewiges Leben, die Christen dazu brachte, den einst heidnischen Brauch des Weihnachtsbaums zu übernehmen. Ursprünglich waren es grüne Zweige, die Ende Dezember zur Wintersonnwende ins Haus geholt wurden. Der erste geschmückte Baum soll im 15. Jahrhundert in Freiburg gestanden sein. Nach Österreich kam die Tradition vermutlich mit der Bankiersgattin Fanny von Arnstein, die den Christbaum aus ihrer Berliner Heimat kannte und 1814 erstmals in ihrem Wiener Salon aufgestellt haben soll.

Die Nachfrage nach den nachhaltigen Bäumen war von Anfang an da, sagt Daniela Poredos. In den letzten Jahren aber sei sie immens gestiegen. Auch in vielen Gartencentern gibt es mittlerweile eingetopfte Exemplare, die als "lebende Bäume" vermarktet werden. Der große Unterschied: Während diese Bäume meist "topfgedrückt" sind, sind jene von Greentree "topfgewachsen". "Unsere Tannen stehen von klein auf mit Topf in der Erde", erklärt Poredos. Sind sie groß genug, werden sie samt Topf und Wurzeln aus der Erde geholt. Die topfgedrückten Bäume hingegen werden aus dem Boden gefräst, wobei das Wurzelwerk – das bei Tannen sehr ausladend sei, wie die Expertin sagt – verletzt werde. Die Folge: Der vermeintlich lebende Baum stirbt nach kurzer Zeit ab.

Immer mehr Menschen mit dem Gedanken, für wenige Weihnachtswochen extra einen Baum zu "töten".
Heribert Corn

Nachhaltige Produktionskette

Die topfgewachsenen Tannen hingegen können bei richtiger Pflege lange weiterleben. Wichtig sei, dass sie in der Weihnachtszeit nicht zu nah an der Heizung stehen und nicht zu stark gegossen werden. "Der Tod jeder Zimmerpflanze", sagt Poredos. Wer seinen Baum im Folgejahr erneut als Christbaum verwenden will, kann ihn mit Topf in die Erde pflanzen oder eingetopft nach draußen stellen. Da sie so langsam wachsen, reiche es auch, wenn man sie alle paar Jahre umtopfe.

Derzeit gibt es die Bäume nur in Niederösterreich und im Burgenland sowie in Wien, Graz, Salzburg und München. Anfragen kommen auch aus anderen Landesteilen, doch derzeit schaffe man es noch nicht, alle Regionen zu beliefern, meint Poredos. "Wir werden nicht wegen eines Baums nach Bad Vöslau fahren, sondern erst, wenn das Auto voll ist."

Nachhaltigkeit betreffe die ganze Produktionskette, samt Transport und Anbau: Um die Artenvielfalt zu fördern, arbeiten sie mit Nützlingen wie Marienkäfern und Bienen. Anders als auf herkömmlichen Plantagen verzichtet das Unternehmen auf Pestizide. Nicht nur die Bäume, auch die rundherum existierende Tierwelt soll das Weihnachtsfest überleben.

Daniela Poredos hat ihre Tanne schon seit vier Jahren auf der Terrasse stehen. Bis auf die paar Wochen im Jahr, in denen diese ins Wohnzimmer umzieht. Wer wie sie am Stadtrand oder im Umland lebe, behalte den Baum in der Regel. Städter hingegen würden meist auf den Abholservice zurückgreifen. "Diese Bäume dürfen dann nach einer Saison in Pension gehen und im Wald auswachsen." (Verena Carola Mayer, 2.12.2022)