Aurelia Figueroa, die ursprünglich aus den USA stammt, kam nach ihrem Studium der Politik, Philosophie, Wirtschaft, internationalen Angelegenheiten und Journalismus in den USA, Europa und Indien in die Schweiz und verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Entwicklung und Leitung von Nachhaltigkeitsinitiativen im öffentlichen und privaten Sektor, in der internationalen Diplomatie und im sozialen Unternehmertum. 2020 wurde sie zur ersten Head of Sustainability bei Breitling ernannt.

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"Der neue Bericht bekräftigt unseren Willen zu Transparenz und unterstreicht unser Engagement für Nachhaltigkeit – kompromisslos und ohne Ausreden", sagt Christoph Grainger-Herr, CEO von IWC Schaffhausen.

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Chopard, im Bild Co-Präsident Karl-Friedrich Scheufele, begann bereits im Jahr 2013 damit, sich nachhaltigem Luxus zu verschreiben und sich entsprechende Richtlinien zu geben.

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Zahlreiche Uhrenmarken setzen seit Jahren auf Umweltschutz und soziales Engagement. Bereits 1945 wandelte Rolex-Gründer Hans Wilsdorf sein Unternehmen in eine Stiftung um und legte fest, dass Teile des Gewinns fortan zur Förderung von "Wissen und Wohl der Menschheit" einzusetzen seien. Rolex' Engagement für die Umwelt zeigt sich unter anderem in der 2019 ins Leben gerufenen Kampagne Perpetual Planet.

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Orbis, Good Planet, Five Deeps, Nekton, Clear Space und Privateer heißen die Nachhaltigkeits- und Sozialprojekte von Omega. Wer Näheres darüber in Erfahrung bringen möchte, kann sich die entsprechende Sonderausstellung in der Omega Boutique in Wien zu Gemüte führen. Die Ausstellung ist während der Öffnungszeiten der Boutique bis ins Frühjahr 2023 zu sehen.

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Es ist jetzt fünf Jahre her, dass der WWF der Schweizer Uhrenbranche ein schlechtes Zeugnis ausstellte. Sie verfolge keine vorbildlichen Umweltpraktiken, war in dem einschlägigen Report mit dem Titel "A Precious Transition" zu lesen. Warum man gerade die Schweizer Uhrenhersteller in die Pflicht nahm, ist klar – sie beherrschen den globalen Markt, damals wie heute: Der Gesamtexportwert aller von den Schweizer Uhrenherstellern ausgelieferten Armbanduhren erreichte allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 11,3 Milliarden Franken (rund 11,5 Milliarden Euro). Ein Rekord für ein erstes Halbjahr.

Zentrale Forderungen der Umweltschutzorganisation wurden schon im Untertitel des Schriftstücks formuliert: Man wünsche sich mehr Transparenz, die Industrie müsse mehr Verantwortung übernehmen. Seither hat sich in der Branche etwas getan, die dafür berüchtigt ist, ebenso konservativ wie verschwiegen zu sein.

Druck von außen

Das liegt an mehreren Faktoren: Luxusunternehmen sehen sich heute wachsendem Druck von Aktivisten, Investoren und Verbrauchern ausgesetzt, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen offenzulegen, einschließlich der Quellen ihrer Rohstoffe, deren Lieferkette und der Auswirkungen ihres Handelns auf Mensch und Umwelt. Folgt man einer aktuellen Deloitte-Studie, sind es aufseiten der Konsumentinnen und Konsumenten vor allem die Kohorten der Millennials und der Generation Z, die Nachhaltigkeitsthemen zugetan sind.

Zudem werden die meisten großen Unternehmen, die in der EU tätig sind, unabhängig davon, ob sie börsennotiert sind oder sich in Privatbesitz befinden, bald keine Wahl mehr haben, was die Bereitstellung entsprechender Informationen angeht. "Dazu gehören auch viele der großen Akteure in der geheimnisumwitterten Welt der Spitzenuhrmacherei", befindet Victoria Gomelsky in der "New York Times". Sie spielt damit auf vieldiskutierte "Corporate Sustainability Reporting"-Direktive der Union an.

Neue Offenheit

Breitling veröffentlichte Ende Oktober seinen zweiten jährlichen Nachhaltigkeitsbericht, in dem die Marke die Herkunft des Goldes und der Diamanten für ihre erste "rückverfolgbare" Uhr, die Super Chronomat Automatic 39 Origins, darlegte. Im Bericht steht sogar, woher Breitling das Gold bezieht: aus der Touchstone-Mine in Kolumbien, einem Kleinbetrieb, der die Kriterien der Swiss Better Gold Association erfüllt, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für die Förderung von verantwortungsbewusstem Gold aus kleinen Betrieben einsetzt. Und Breitling nannte die Schweizer Unternehmen, in denen das Gold verarbeitet wird. Ebenso wird die Quelle der im Labor gezüchteten Diamanten genannt, die die Lünette der Uhr zieren.

Eine derart hohe Transparenz ist man von einer Uhrenmarke nicht gewohnt, lautet das Urteil von Expertinnen und Experten. Ein Lob, das Aurelia Figueroa, seit 2020 (der erste) Global Head of Sustainability bei Breitling, gerne annimmt. Und ein guter Anlass, um mit der US-stämmigen Expertin, die seit 15 Jahren an diversen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsinitiativen beteiligt ist, darüber zu plaudern.

STANDARD: Wie gehen Nachhaltigkeit und Luxusuhren zusammen?

Figueroa: Das ist eine zentrale Frage, die ich mir selbst immer wieder gestellt habe. Wie passt das zusammen? Ich war lange Zeit mit Entwicklungsarbeit beschäftigt und bin erst seit ein paar Jahren in der Luxusgüterindustrie. Ich hatte Zweifel und musste für mich selbst erst Antworten finden. Eine Antwort ist, dass die Luxusgüterindustrie eine Art Gatekeeper-Funktion in der Gesellschaft hat. Sie definiert die gesellschaftlichen Vorstellungen von Status. In diesem Zusammenhang lassen sich Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und Umweltschutz gut kommunizieren – als eine Sache des Status.

STANDARD: Ist das nicht ein elitärer Ansatz? Nicht jeder kann sich eine Luxusuhr leisten …

Figueroa: Wir verfolgen einen inklusiven Ansatz. Als wir 2020 damit begonnen haben, befragten wir alle unsere Stakeholder – Kunden, Angestellte, Zulieferer, Journalisten, Experten, etc. – worauf wir uns als Marke bei diesem Thema konzentrieren sollten, welche Prioritäten wir bei Breitling, und alle die mit uns zu tun haben, setzen sollten. So konnten wir jene Bereiche identifizieren, auf die wir unsere Aufmerksamkeit lenken.

STANDARD: Was kam dabei heraus?

Figueroa: Wir haben zehn Schwerpunktthemen identifiziert, von denen drei die höchste Priorität für unsere Stakeholder hatten: soziale Auswirkungen und Umweltauswirkungen entlang der Wertschöpfungskette und Produktintegrität. Herausgekommen ist dabei, dass unser Produkt ein "rückverfolgbares" sein soll. Es geht also um Transparenz: Jeder Schritt in der Wertschöpfungskette kann genau nachvollzogen werden. Aus welcher Mine das Gold stammt oder in welchem Labor die Diamanten hergestellt werden. Mit der Lancierung der Super Chronomat 39 Origins bekommt der Konsument nun all diese Informationen und kann sich dann entscheiden, ob es seinen Wertvorstellungen entspricht. Denn ich bin überzeugt, dass Nachhaltigkeit auch ein sehr persönliches Thema ist.

STANDARD: Im Zusammenhang mit Transparenz setzt Breitling auf die Blockchain. Dazu gibt es Bedenken bezüglich des Energieverbrauchs. Haben Sie sich dazu schon Gedanken gemacht?

Figueroa: Das ist ein herausfordernder Punkt dieser Technologie. Deshalb hat sich unser Digital Team für das Arianee-Protokoll entschieden, welches das Netzwerk Proof of Authority (eine Sidechain der Ethereum-Blockchain) nutzt. In Bezug auf den Energieverbrauch kommt dies dem Proof of Stake sehr nahe, der beim jüngsten Ethereum-Merge erreicht wurde und wodurch das Ethereum-Netzwerk 99,95 Prozent weniger Energie verbraucht als das vorherige Proof of Work.

STANDARD: Welchen Nutzen möchte man bei Breitling aus diesen Bemühungen ziehen? Gibt es eine Kosten-Nutzen-Rechnung?

Figueroa: Unsere Nachhaltigkeitsinitiativen und -ziele basieren auf fünf Säulen: Produkt, Planet, Menschen, Wohlstand und Fortschritt. Als Global Head of Sustainability hoffe ich, dass alle fünf Säulen miteinander verschmelzen und gleichwertig behandelt werden. Ich hoffe, dass jedes Produkt, das wir auf den Markt bringen, unsere Wohlstandssäule positiv beeinflusst, ebenso wie unsere Säule "Planet" usw. Das heißt, wir verfolgen einen holistischen, ganzheitlichen Ansatz.

STANDARD: Meinen Sie, dass man damit auch neue Kunden gewinnen kann?

Figueroa: Das möchte ich nicht ausschließen. Ein nachhaltiges Unternehmen kann für neue Kunden anziehend sein. Wir haben jedenfalls jede Menge recherchiert und Tonnen von Unterlagen gesichtet. Jede Generation interessiert sich für Nachhaltigkeit, da dieses Thema uns alle betrifft.

STANDARD: Wobei die Uhr an sich ist ja bereits ein nachhaltiges Produkt ist ...

Figueroa: Da stimme ich zu: Eine Uhr hat kein Ablaufdatum. Man kauft sich schließlich keinen teuren Zeitmesser, um ihn nach Gebrauch in den Müll zu werfen.

STANDARD: Welche Projekte sind noch in der Pipeline?

Figueroa: Wir forcieren die Themen "better gold", "better diamonds" und die Rückverfolgbarkeit. Zudem wollen wir alle unsere Partner entlang der Lieferkette dabei unterstützen, nachhaltige Standards in ihren Bereichen umzusetzen. 70 Prozent von unseren direkten Lieferanten sind bereits in unserem Nachhaltigkeitsprogramm engagiert. Es sollen noch mehr werden. Wir verstärken die Bemühungen unsere Treibhausgasemissionen weiter zu senken, Plastikmüll zu vermeiden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleichwertig zu entlohnen, etc. Wir haben noch viel zu tun – aber unsere wertebasierten Partnerschaften werden unsere Mission gut und effizient unterstützen.

Gute Vorbilder

Wie es der Konkurrenz mit dem Thema geht, darüber möchte Aurelia Figueroa nicht urteilen. Als "early adopter" zu nennen aber wäre Chopard. Das Familienunternehmen, das sowohl Schmuck als auch Uhren herstellt, hat bereits 2013 damit begonnen, sich nachhaltigem Luxus zu verschreiben und sich entsprechende Richtlinien zu geben. Es ist Mitglied des Responsible Jewellery Council (RJC). Einer Plattform für Standards der Schmuck-Lieferkette, das sich für verantwortungsvolle Praktiken in der gesamten Lieferkette einsetzt, externe Audits inklusive. "Blutdiamanten" sollen so gar nicht erst in Umlauf kommen. Zudem setzt Chopard auf "fairmined gold" aus verantwortungsvollen Quellen und zwar zu hundert Prozent.

Ein weiteres Unternehmen, das bereits im WWF-Report gut wegkam, ist IWC Schaffhausen. Es gehört zum Luxuskonzern Richemont. Im Jahr 2021 hat die Luxusuhrenmarke die Chain-of-Custody-Zertifizierung (CoC) des RJC erhalten, die die lückenlose Rückverfolgbarkeit des verwendeten Goldes und Platins garantiert. So könne man "die Geschichte unserer Uhren von ihrem Ursprung bis ins Verkaufsgeschäft nachweislich und transparent erzählen", berichtet das Unternehmen. Mittlerweile habe man auch auf 100 Prozent erneuerbare Energie weltweit umgestellt. Stolz ist man weiters auf die erfolgreiche Erneuerung der Zertifizierung von "Great Place to Work" und die "Equal Salary"- Zertifizierung in der Schweiz. Nachzulesen im Nachhaltigkeitsbericht der Schaffhausener. (Markus Böhm, 10.12.2022)