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Das ist die erste vorweihnachtliche Kochbuchliste seit 2019 – ich habe hier daher Bücher versammelt, die mich in den vergangenen drei Jahren begleitet, geprägt oder beindruckt haben – und von denen ich annehme, dass sie kulinarisch interessierten Menschen als Geschenk Freude machen werden.

Es treten unter anderem auf: ein Essayband über die Auster, ein Mikrowellenkochbuch, ein Lexikon, das auch den Monty Pythons Freude machen würde, und das grandiose Kochbuch jener Frau, die einst die Beatles mit Hare Krishna bekannt machte.

Die meisten davon sind schon vor längerer Zeit erschienen, keine Geheimtipps, sondern Klassiker, und reine Rezeptesammlungen sind sie auch nicht. Wenn Sie nach Neuerscheinungen suchen, werden Sie hier fast nichts finden. Bitte nicht böse sein und woanders schauen, etwa hier.

MFK Fisher, "The Art of Eating"

Bei MFK Fisher geht es oft nur am Rand ums Essen, etwa wenn ein Speisewagen die Bühne wird für eine Geschichte über Liebe und Widerstand oder eine Austernbar zum Ort für den Kampf mit Selbstzweifeln. Für Fischer ist Essen schlicht eine Möglichkeit, über die Welt zu schreiben, die nötige Einschränkung, der Fokus, um die unendliche Vielfalt der Welt erzählbar zu machen.

Manchmal ist Essen das Hauptthema: "How to Cook a Wolf" hat Fisher im Zweiten Weltkrieg geschrieben, das Buch sollte ihren Landsleuten das Kochen im Krieg erleichtern. Es ist tatsächlich fast ein Kochbuch, und zwar eines, aus dem man kochen lernen kann. Es ist voll mit praktischen Tipps, Hinweisen und Ideen, wie man mit wenig Geld besser essen kann, und mit Erklärungen grundlegender Kochtechniken – von einer ausführlichen Anleitung zum Eierkochen bis hin zu Beschreibungen verschiedener Fleisch-Cuts. Klassische Rezepte enthält es natürlich auch.

Am anderen Ende des Spektrums steht "The Gastronomical Me", das mehr philosophische Autobiografie als Kochbuch ist. Die Geschichten handeln von verliebten Mariacchi-Crossdressern in Mexico und Schweizer Speisewagenkellnern, dem ersten Gefühl der absoluten Ohnmacht oder der Veränderung, die in Menschen vorgeht, wenn sie den Ozean auf einem Schiff überqueren. Essen ist trotzdem nie weit.

Andere sind irgendwo dazwischen angesiedelt, etwa "Consider the Oyster", der Beweis, dass man ein ganzes, hervorragendes Buch nur über die Auster schreiben kann und dass es tatsächlich mehr Wege gibt, sie zu genießen, als roh und pur (der Oyster Stew steht recht weit oben auf meiner To-cook-Liste).

Welches auch immer Sie lesen oder verschenken, ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie oder die/der Beschenkte nachher besser essen (und mehr Sherry trinken!) werden. Wer sich nicht entscheiden kann, der greift am besten zum schönen MFK-Fisher-Jubiläumssammelband "The Art of Eating", der alle oben genannten Werke enthält.

Auf Deutsch gibt es, soweit ich das überblicke, leider bisher nur eine Sammlung von Essays, die zwar unter dem Titel "Die Kunst des Essens" erschienen ist, aber nur ein Viertel der Texte des englischen Bands enthält. Ich habe das Buch nicht gelesen und kann daher zur Qualität der Übersetzung nicht viel sagen, außer, dass mir das viel zu wenig erscheint.

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Dave Chang, "Cooking at Home, or how I stopped worrying about recipes and learned to love my microwave"

Es kommt allerhöchstens alle paar Jahre einmal vor, dass ein Kochbuch erscheint, das meinen Kochalltag verändert. Dave Changs neues Buch könnte, glaube ich, genau so ein Fall werden. Es hat mich gelehrt, Fleisch öfter zu kochen und seltener zu braten, mehr zu mixen und weniger zu schneiden, und, vielleicht am auffälligsten, es hat mich dazu gebracht, das erste Mal seit meiner Schulzeit wieder eine Mikrowelle zu benutzen. (1)

Foto: Tobias Müller

Die Ergebnisse waren fantastisch: Ich habe perfekte Kartoffeln in acht (!) Minuten gemacht, Reis, der wunderbar gegart ist (okay, nicht so wunderbar) und genau null am Topfboden klebt, und jede Menge Gemüse (Spinat, Brokkoli, Karotten…), für die ich keine Pfanne mehr schmutzig machen oder einen Topf Wasser zum Kochen bringen muss. So gut, wie ohne Mikrowelle gemacht? Vielleicht nicht immer. Aber definitiv nicht so viel schlechter, den Mehraufwand an einem Dienstagabend zu rechtfertigen.

Wie schon "101 Asian Recipes" aus Lucky Peach Zeiten ist es voll von tatsächlich einfachen, alltagstauglichen, 100 Prozent unauthentischen aber köstlichen Ideen. Er verzichtet auf klassische Rezepte mit genauen Mengenangaben und Garzeiten, die ich persönlich ebenfalls überbewertet und eher einschüchternd und mühsam denn nützlich halte, und schreibt stattdessen von einem ordentlichen Schuss hiervon, einer Prise davon, ein wenig dies und das oder, wenn dieses aus ist, eben jenes. Das macht Spaß, ist entspannt, und funktioniert tadellos.

Und, vielleicht am wichtigsten: es liefert Baupläne für Essen, die einen frei statt rezeptabhängig machen. Koche/Brate dies, mische eine Sauce dazu, serviere es mit Reis und Nudeln, lässt sich hundertfach nach eigenen Vorstellungen variieren.

Bisher habe ich mehrmals mehr oder weniger seiner Chipotle Sauce für Tacos gemacht, koreanischen Rindfleischeintopf, Juk und alle möglichen (Gemüse)Dressings. Und ich habe zum ersten Mal seit "101 Asian Recipes" eine andere, erfolgreiche Methode ausprobiert, gebratenen Reis zu machen. Bloß beim Dal habe ich mich an das Rezept seiner indischstämmigen Co-Autorin gehalten, von dem er im Buch zugibt, dass es besser ist als seines, und war ebenfalls sehr zufrieden.

Ich habe die englische Ausgabe, mittlerweile ist es als "Zu Hause Kochen" aber auch auf Deutsch erschienen.

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"The Oxford Companion to Food"

Für viele Jahre war Harold McGee mein allwissendes Standard-Nachschlagewerk für wichtiges und unnützes Küchenwissen. Vor zwei Jahren habe ich dann doch noch den "Oxford Companion to Food" dazu gekauft, das Buch zum gleichnamigen Symposium – und staune, wie ich es so lange ohne ausgehalten habe.

Das Buch ist weniger naturwissenschaftlich angelegt als McGee, widmet sich dafür aber viel ausführlicher der Kulturgeschichte des Essens. Zudem ist es besser als McGee, wenn es um asiatische Zutaten geht, die beim (amerikanischen) Meister oft etwas zu kurz kommen.

Der Companion ist von zahlreichen Autoren geschrieben, entsprechend variiert die Qualität der Beiträge mitunter ein wenig. Die meisten sind aber höchst informativ, voll historicher Zitate, und von einem mir sehr sympathischen, britischen Humor geprägt – das perfekte Geschenk für Menschen, die Essen und Monty Python lieben.

(Über die Durian, die berühmte Stinkfrucht Südostasiens, ist etwa zu lesen: Duri’ is the Malay word for spike, and the tree takes its name from the hard, spiky shell which the fruit develops", steht im Eintrag zur Durian etwa. "A full-grown fruit may weigh 2 kg or more. Since the tree may be as high as 30 m and the fruit drops off when ripe, it is wise to take care when walking near such trees in the durian season. Death by durian is not uncommon.")

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"Punch – The Delights (and Dangers) of the Flowing Bowl"

Was haben Englands Aufstieg zum Weltreich, George Washingtons Wahlkampf und die amerikanische Unabhängigkeit gemeinsam? Sie alle wurden mit unzähligen Schüsseln Bowle begossen. Bowle – und zwar richtig gute! – war nämlich viele Jahrhunderte lang Kult.

David Wondrich versammelt in seinem Buch viel mehr, als Sie jemals über Punsch, dem Großvater des Cocktails wissen wollten – schlicht, weil Sie keine Ahnung hatten, wie interessant es ist. Er erzählt von der Geburt des Punschs auf Schiffen der britischen Marine vor der Küste Indiens, seinem Aufstieg zu Weltruhm und von der wildesten Punschparty der Geschichte, bei der 4.000 Liter Punsch aus einem Brunnen geleert wurden. (2)

Foto: Verlag

Daneben wird grundlegendes Misch-Wissen vermittelt, etwa, wie man Oleo Saccharum macht, den aromatischen Auszug mit Öl von Zitrusschalen, in welcher Reihenfolge Zutaten am besten gemischt werden, und welches Eis warum für welche Bowle besonders geeignet ist. Einige historische Rezepte, modern interpretiert, gibts auch.

Achtung: das englische Wort "Punch" entspricht eher dem deutschen Bowle und meint nicht zwingend ein Heißgetränk. Weil Punch aber auch durchaus warm getrunken werden kann und wird, passt das Buch sowohl zur Glühweinsaison als auch als Geschenk für/vor der Gartenparty. Ich verspreche: Sie werden nach der Lektüre Glühwein und Bowlen mit neuen Augen sehen!

"The Art of Indian Vegetarian Cooking"

Yamuna Devi wurde als Joan Agnes Campanella geboren, in Montana, und wurde in den 1960er Jahren eine Anhängerin von Hare Krishna in den USA. Sie baute mehrere Hare Krishna Kirchen auf, brachte George Harrisson und die Beatles in Kontakt mit der Philosophie, und begleitete ihren indischen Guru mehrere Jahre auf Reisen – als seine persönliche Köchin. In den 1980er brachten sie dann "The Art of Indian Vegetarian Cooking" heraus.

Foto: Tobias Müller

Das Buch ist ein Grundlagenwerk, ähnlich, wie Shizuo Tsujis "Japanese Cooking – a simple Art" oder "The fundamental Techniques of Classic Cuisine": Devi erklärt darin indische Backtechniken und Milchprodukte, schreibt ausführlich über verschiedene Gemüsekochmethoden, und stellt unterschiedliche Hülsenfrüchte und ihre Zubereitungsarten vor – ein ganzes Kapitel ist den Dals gewidmet.

Es ist inspirierend und lehrreich zu lesen, und hat mich dazu gebracht, mehrere mehrgängige indische Abendessen zu kochen. Mir kommt vor, es räumt der südinischen Küche mehr Platz ein als jener des Nordens, eine Schwerpunktsetzung, die ich voll und ganz unterstütze.

Wenn Sie jemanden beschenken wollen, der lernen möchte, wie aufregend Gemüse schmecken kann, dann ist dieses Buch eine ziemlich gute Wahl. Achtung: nicht ganz günstig. Nach spätestens drei vegetarischen Essen haben Sie die Anschaffungskosten aber wieder drinnen.

"Sri Lanka – The Cookbook"

Apropos Südindien. Dank meiner Zeit in Neapel habe ich mich in den vergangenen Jahren ein wenig mit der Küche Sri Lankas beschäftigt – die Sri Lanker sind nämlich die größte Minderheit in Süditalien, und ihre Lokale oft die einzige Möglichkeit, der kulinarischen Monokultur zu entkommen. Das Buch "Sri Lanka – The Cookbook" hat mir dabei sehr geholfen.

Foto: Verlag

Das saure Fischcurry ist ein regelmäßiger Begleiter und das Gericht der Wahl, wenn mir reichlich Makrele oder ein ähnlicher Fisch unterkommt, und einige der Sambals sind unverschämt einfach und süchtigmachend gut. Ein super Geschenk für alle, die einen halbwegs gut sortierten indischen Laden in der Nähe haben und den Geschmack von Kokosnuss unwiderstehlich finden.

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Archestraturs – "The Life of Luxury"

Zugegeben, das ist eher was für Fans, aber die werden ihre Freude haben. "The Life of Luxury" ist der älteste kulinarische Text der westlichen Welt, geschrieben im vierten Jahrhundert vor Christus von einem sizilianischen Griechen, Archestratus von Syrakus (oder Gela, so genau weiß das niemand mehr). Es ist eine Art Reiseführer, und erzählt, in welchen Städten der antiken Welt man welche Köstlichkeiten bekommt, und die ältesten Rezepte der westlichen Welt gibt's als Draufgabe auch.

Foto: Tobias Müller

Leider ist das Gedicht nur in Fragmenten erhalten. In diesem schönen Büchlein sind sie gesammelt, übersetzt und von Shaun Hill und John Wilkins ausführlich kommentiert. Die beiden sind ein gutes Duo für den Job: Hill ist Koch, Wilkins Professor für antike Geschichte.

Abgesehen von viel Hintergrundwissen über Essgewohnheiten im Antiken Griechenland oder ungewöhnlichen Zutaten wie Schweinsuterus oder das verschollene Silphium ist es meiner Meinung nach besonders spannend, zu lesen, was sich in mehr als 2000 Jahren NICHT geändert hat. Meine Lieblingsstelle ist wahrscheinlich Archestratus Betrachtung über den Hasen:

"There are many ways and many laws for the preparation of it. Now the best way is to bring the meat roasted to each guest during the drinking. It should be hot, simply sprinkled with salt, and taken from the spit while it is still a little undercooked. Do not let it distress you to see the divine ichor dripping from the meat, but eat it greedily. All other methods are mere sidelines to my mind, thick sauces poured over, cheese melted over, too much oil over – as if they were preparing a tasty dish of dogfish."

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Achtung, Eigenwerbung: "Tutto Napoli – der Geschmack der Stadt"

Am Schluss noch etwas Eigenwerbung: Wenn Ihnen dieser Blog gefällt, dann werden Sie vielleicht auch mein neues Buch mögen. Es heißt "Tutto Napoli – der Geschmack der Stadt", es geht, wenig überraschend, um Neapel, und ich habe es gemeinsam mit Peter Mayr und Maria Fuchs gemacht. Wir haben gerade damit Gold beim Deutschen Kochbuchpreis geholt, und weil man sich nicht selber loben soll, zitiere ich hier einfach aus der Jurybegründung:

Foto: Tobias Müller

"Braucht man heutzutage noch ein weiteres italienisches Kochbuch? Ja, braucht man! Wie der Name schon verrät, dreht sich in Tutto Napoli alles um die Stadt Neapel. Die Autor:innen betrachten Neapel aber nicht nur durch die kulinarische, historische und gesellschaftliche Linse, sondern auch durch ihre eigene Kameralinse und erwecken das Buch dadurch für die Leser:in zum Leben. Großformatig und in höchster Qualität dürfen wir alle Ecken Neapels kennenlernen, vom Fischmarkt, pulsierendem Stadtleben bis hoch in die Berge. Denn aufgeteilt ist das Buch in Stadt, Land, Meer und Leute. Besonders spannend finde ich neben den ästhetischen Aspekten die wirkliche Auseinandersetzung mit der Kultur, deren Einflüsse und den Menschen. Vergleichbar wenige Rezepte hat das Buch, aber diejenigen, die es beinhaltet, sind grundlegend für die Esskultur und geben mit historischen und gesellschaftlichen Hintergründen einen Zusammenhang zum Ort. Die Rezepte sind einfach und geben den Produkten eine Bühne, die momentan in der Saison sind und die typisch für die Gegend sind. Tutto Napoli ist viel mehr als ein Rezeptbuch, es vermittelt eine besondere Atmosphäre, berührt und gibt uns einen Einblick in das wahre Neapel. Erfrischendes Konzept, inhaltlich spannend und tiefgreifend aufgearbeitet sowie wunderschön umgesetzt! So soll ein Kochbuch sein."

(Tobias Müller, 4.12.2022)

(1)

Das mag eine späte Erkenntnis meinerseits sein. Ich bin in den 80er und 90er Jahren aufgewachsen, als furchtbare Dinge mit und im Namen der Mikrowelle angestellt wurden. Ich habe als Kind eine beträchtliche Anzahl an aufgewärmten Fertiggerichten gegessen, was mir diese Maschine nachhaltig vermiest hat. Ich schätze, das ist ähnlich wie beim Räuchern und Vergären, bei denen es erst eine Generation gebraucht hat, die diese Geschmäcker nicht essen musste, um nicht zu frieren/zu verhungern, damit eine neue kommen konnte, die sie wieder super findet.

(2)

1694, während des englisch-spanischen Kriegs gegen Frankreich, schmiss der britische Admiral Edward Russel in Cadiz eine Gartenparty für seine spanischen Verbündeten, und ließ den Brunnen seiner Residenz mit knapp 4.000 Litern Bowle füllen. Ein kleiner Bub, der in einem Miniatur-Schiff auf der Bowle trieb, schenkte sie an die Gäste aus. Der Erfolg war so überwältigend, dass die Partygesellschaft nach den ersten Kostbechern in den Brunnen stieg und ihn laut Augenzeugen trocken trank. "Ohne Eitelkeit kann ich sagen", schrieb Russel kurz darauf an seine Vorgesetzten nach Hause, "dass mein Ansehen bei den Spaniern nicht größer sein könnte."