Kristen Scott Thomas und Gary Oldman geraten in "Slow Horses" immer wieder aneinander. In der zweiten Staffel der Apple-TV+-Serie ist das nicht anders.

Foto: Netflix

"Es ist sehr britisch, alles mit einem ironischen Unterton zu machen." Jack Lowden spielt den ambitionierten Agenten River Cartwright.

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"Strange Game" heißt der Song, den Mick Jagger der Serie "Slow Horses" auf den, äh, Leib geschrieben hat. "Surrounded by losers misfits and boozers, hanging by your fingernails" fasst alle Figuren dieser Geheimdienstserie zusammen. Im "Slough House" arbeiten jene Spioninnen und Spione, die jemandem im Weg waren, der Karriere machen wollte, oder selbst ordentlich etwas in den Sand gesetzt haben, wie der junge ambitionierte River Cartwright (Jack Lowden). Unter permanenter Beschimpfung vom Chef Jackson Lamb (Gary Oldman) – Bauch, leichte Trunksucht, gelbe Zähne, abgefuckter Trenchcoat – und auf der ewigen Suche nach Anerkennung schafft die Partie aus der zweiten Reihe dann aber doch unterm Radar, das eine oder andere große Ding. Nur die MI5-Vizechefin Diana Taverner (Kristin Scott Thomas), seine alte Gegenspielerin, ist darüber nicht erfreut … Staffel zwei ist auf Apple TV+ abrufbar.

STANDARD: Warum faszinieren uns Spionage-Geschichten noch immer so?

Lowden: Liegt es vielleicht daran, dass wir tatsächlich so wenig darüber wissen? Der MI6-Officer, den wir getroffen haben, wollte mir persönlich dafür danken, was unsere Industrie für seine Industrie geleistet hat, in Sachen Recruitment.

Scott Thomas: Ach echt, weil alle Spione werden wollen?

Lowden: Ja, alle lassen es so sexy wirken. Aber das war, bevor er unsere Serie gesehen hat (lacht).

Scott Thomas: Und ist es nicht auch nicht einfach nett, Leuten dabei zuzuschauen, wie sie richtig clever sind? Und das triumphale Gefühl, das man hat, wenn man etwas verstanden hat, bevor es auf dem Bildschirm aufgelöst wird.

STANDARD: Was ist die größte Freude an diesen Rollen?

Scott Thomas: Ich hatte von den Büchern von Mick Herron noch nie gehört, mich interessiert das Genre an und für sich überhaupt nicht. Aber alle um mich herum haben mir erzählt, dass das wirklich sehr populär ist bei Leuten, die Spionage-Literatur lieben. Ich habe dann immer erzählt, dass ich für die Serie angefragt wurde und die Leute sind alle vor Freude auf und ab gehüpft, dass daraus eine Serie gedreht wurde. Und die Leute so: Und wen spielen Sie? Doch nicht Diana Taverner! Ich bin da sehr einfach gestrickt, wenn es den Leuten gefällt, dann möchte ich es machen.

STANDARD: Auf Instagram haben Sie Taverner so beschrieben: "Great lines, great clothes, great hair".

Scott Thomas: Sie wird immer faszinierender, wenn auch nicht liebenswerter. Sie ist wirklich sehr gut darin, sich Leute unfassbar unwohl fühlen zu lassen.

STANDARD: Sie haben jetzt das erste Mal Regie geführt bei "My Mother's Wedding" mit Scarlett Johansson, Sienna Miller und Freida Pinto …

Scott Thomas: Ich habe in meinem Leben wirklich viele Filme gedreht und mit fantastischen Leuten gearbeitet. Ich habe versucht mit dem zu arbeiten, was ich in all den Jahren am hilfreichsten gefunden habe. Menschen anleiten, das konnte ich am besten, Film als visuelles Medium, die starken Bilder zu finden, das fiel mir nicht so leicht. Und ich liebe den Schnittprozess, ich stecke gerade mittendrin. Das ist alles eine ganz neue Erfahrung, ein bisschen wie " Slow Horses". Ich habe noch nie langformatiges Fernsehen gemacht, das ist eine völlig andere Technik als alles, was ich vorher je gemacht habe. Es hat seine eigenen Herausforderungen, einen ganz eigenen Nervenkitzel und ist auf eine andere Art befriedigend, unter anderem auch deshalb, weil das Publikum, das wir für diese Serie gefunden haben, mehr davon will und jetzt liefern wir das.

STANDARD: Jackson Lamb beleidigt quasi jeden, mit dem er im Raum ist – Wie ist es, wenn Gary Oldman so mit einem spricht?

Lowden: Wenn man mit jemandem von seinem oder Kristens Format arbeitet, wünschte man sich natürlich, sie würden nette Dinge zu einem sagen, man könnte ewig davon zehren. Aber seltsamerweise ist es sehr beruhigend, wenn sie dich die meiste Zeit beleidigen. Da wo ich herkomme, fühlt man sich nur wohl, wenn mit Unflätigkeiten gearbeitet wird.

Scott Thomas: Du meinst aus Schottland.

Lowden: Ja, Schottland, aber auch meine ganze Familie. Wir sind so Leute, ganz am Ende sagen wir vielleicht etwas Nettes und alle schmelzen dahin. Alle tun sich etwas schwer miteinander und die einfachste Art miteinander umzugehen ist, jemanden herunterzuputzen.

Scott Thomas: Also ich bleibe ihm nichts schuldig, meine Figur hat vielleicht eine andere Art, jemanden niederzumachen, aber sie ist mindestens genauso bösartig. Das perlt an mir völlig ab.

STANDARD: Was definiert eigentlich britischen Humor? Zu "Slow Horses" gehört er ja genauso wie die Spionage …

Lowden: Ich denke, es ist eine Art Unfähigkeit, irgendetwas zu ernst zu nehmen. Es ist sehr britisch, alles mit einem ironischen Unterton zu machen. Hier ist es noch effektiver, weil diese unglaublich smarten Leute so große Dinge tun, aber immer mit einem Hang zur Ironie, da macht es noch mehr Spaß.

Scott Thomas: Ich frage mich schon, warum wir alles mit dieser Selbstironie machen müssen. Vielleicht ist es auch einfach die Angst zu versagen, in dem man die ganze Zeit so tut, als meint man es nur witzig. Schützt einen das vorm Versagen? Ich weiß es nicht. (Julia Pühringer, 3.12.2022)

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