Vögel sind zu erstaunlichen Navigationsleistungen imstande. Junge Falken etwa finden nur anhand ihrer genetischen Programmierung ihren Weg von Europa nach Madagaskar, unerklärliche Richtungswechsel inklusive. Eine wichtige Rolle spielen dabei sogenannte Cryptochrom-Proteine. Sie sind nicht nur ein wichtiger Teil der Inneren Uhr von Zellen, sondern werden auch verdächtigt, in der Netzhaut der Zugvögel das Erdmagnetfeld in optische Signale zu übersetzen.

Ein Team um Innsbrucker Zoologinnen hat nun die Wirkung eines medizintechnischen Geräts auf dieses Protein in Mäusezellen untersucht. Dabei stolperten sie über einen Quanteneffekt mit überraschend großen biologischen Auswirkungen, deren genauer Mechanismus rätselhaft ist.

An Cryptochrom seien schon seit Jahrzehnten zahlreiche Forschergruppen interessiert, erklärt die Leiterin der im Fachjournal "iScience" erschienenen Studie, Margit Egg, vom Institut für Zoologie der Universität Innsbruck. Das Eiweiß bildet die Grundlage des Magnetsinns von Tieren, die sich, wie Zugvögel, bei ihren Wanderungen nach dem Magnetfeld der Erde orientieren können. Laut aktuellem Wissenstand ist dafür der Radikalpaarmechanismus verantwortlich, der die Basis für eine Art "Quantenkompass" darstellt.

Zugvögel nutzen für ihre erstaunlichen Navigationsfähigkeiten innere Kompasse.
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Dabei entstehen in bestimmten Molekülen wie dem Cryptochrom durch die Interaktion mit blauem Licht freie Radikale, deren Menge und Art vom äußeren Magnetfeld abhängt. Diese quantenmechanisch verbundenen Radikal-Paare können somit als Sensor fungieren, der den Tieren die Wahrnehmung des Magnetfeldes der Erde erlaubt. Hier handle es sich um eine spannende Schnittstelle zwischen Quantenphysik und Biologie – die "Quantenbiologie", sagte Egg.

Gerät zur Behandlung von Osteoporose

Da sich Cryptochrom in allen Körperzellen befindet, dachte die Forscherin darüber nach, dass auch Zellen außerhalb der Netzhaut, wo der Magnetsinn der Tiere verortet wird, durch Magnetfelder von außen angeregt werden könnten. Auf ihrer Suche nach möglichst stabilen Feldern stieß Egg auf ein Gerät zur Therapie mittels Kernspinresonanz. Hier handelt es sich laut Egg um eine "Light-Version" eines Magnetresonanztomographen (MRT), die seit zwei Jahrzehnten in der Therapie von Arthrose, Osteoporose sowie zur Regeneration von Bändern und Sehnen eingesetzt wird.

Das Gerät kombiniert ein Magnetfeld mit einer Radiowelle, um Wasserstoffprotonen in Zellen und Geweben in Resonanz zu bringen, und dadurch energetisch anzuregen, wie die Forscherin erklärte. Das hat offenbar einen therapeutischen Effekt.

Die Innsbrucker Forschenden bearbeiteten mit tNMR zunächst Zebrafisch-Zellen – allerdings ohne größere Effekte. Im Jahr 2020 versuchte es Egg mit ihrer Dissertantin Viktoria Thöni bei Säugetierzellen. "Da waren wir total überrascht, weil wir hoch signifikante Veränderungen gesehen haben", sagt Egg.

Es sah alles danach aus, dass hier der Radikalpaarmechanismus zum Tragen kommt. Die Rückmeldungen eines Quantenbiochemikers im Begutachtungsprozess der Arbeit wies aber darauf hin, dass man einen derartigen Effekt bei einer so niedrigen Radiofrequenz, wie sie bei tNMR verwendet wird, eigentlich gar nicht sehen dürfte. Das könnte laut Egg so zustande kommen, dass die durch die Kernspinresonanztherapie angeregten Wasserstoffprotonen in der Umgebung der Cryptochrome den Radikalpaarmechanismus "in irgendeiner Weise verstärken" könnten.

Starke Auswirkungen auf den Zellstoffwechsel

Die Auswirkungen der noch nicht ganz geklärten Abläufe auf die Zellen seien jedenfalls erstaunlich groß: Denn der tNMR-Einfluss auf das Cryptochrom führte dazu, dass die Säugetierzellen ihren Stoffwechsel vollkommen umlenkten. Wenn Lebewesen und Zellen unter Sauerstoffarmut leiden, produzieren diesen im Normalfall viel Laktat.

Wurden die Zellen allerdings mit tNMR bestrahlt, wiesen sie "Laktatspiegel wie unbeeinflusste Zellen auf, obwohl sie die gleiche Hypoxiedauer hatten", berichtet Egg. Diese erstaunliche Stabilität der Zellatmung könnte sich sogar therapeutisch nutzen lassen, etwa um durch einen Schlaganfall oder Herzinfarkt länger von der Sauerstoffzufuhr abgeschnittene Zellen vor Schädigungen zu schützen. Auch im Zusammenhang mit der starken Laktatbildung von Krebszellen könnte der Effekt interessant sein. (red, APA, 3.12.2022)