Thomas Müller muss mit dem DFB-Team die Heimreise antreten.

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Pro: Mangelverwaltung

von Sigi Lützow

Deutschlands Fußball ist praktisch nur noch eine ihm zugeschriebene Tugend. An Selbstkritik mangelt es nach dem neuerlichen Scheitern in der WM-Gruppenphase nicht. Zwar verwahrte sich Bundestrainer Hansi Flick gegen den Vorwurf, seine Spieler hätten nicht gebrannt für den Erfolg. Das Scheitern nannte er allerdings zähneknirschend verdient und zählte die auf der Hand liegenden Gründe selbst auf. Qualitätsmängel in Teilen des Kaders (Defensive!) hätte er zum Beispiel auch schwer bestreiten können.

Von einer Selbstgeißelung hat Flick abgesehen. Dass er dem Amt nicht gewachsen war und ist, bescheinigen ihm ohnehin genügend Experten. Tatsächlich gab es vor und während der WM etliche fragwürdige Entscheidungen, dazu kam der – nicht von Flick verschuldete – Schlingerkurs in Sachen Protest gegen die Lage der Menschenrechte in Katar.

Maximal Teilschuld hat Flick am Fehlen von Typen, die Deutschland einst den Ruf eingetragen haben, eine Turniermannschaft zu sein. Die waren nicht immer sympathisch, aber zumindest nicht von Selbstzweifel angekränkelt. Figuren, die in schwierigen Situationen Verantwortung übernehmen, hatte Flick kaum noch. Die wenigen, wie Thomas Müller und mit Abstrichen auch Manuel Neuer, sind über dem Zenit. Schnelle Besserung ist in keinem einzigen Bereich in Sicht. Da droht für die Heim-EM, die in 18 Monaten angepfiffen wird, wieder nur angemessene Selbstkritik das größte Asset zu bleiben. (Sigi Lützow, 2.12.2022)

Kontra: Einfach blöd gelaufen

von Martin Schauhuber

Juhuhaha, die Deutschen sind draußen. Lauter als die Freudenrufe der hiesigen Fußball seele ist nur die Selbstzerfleischung, die jenseits der Grenze schon mit dem Schlusspfiff begonnen hat. Sie ist übertrieben, denn Deutschland hätte den Einzug ins Achtelfinale verdient. Das Problem: Glück und Zufall sind auch 2022 noch die unterschätzten Herrscher der Fußballwelt.

Jede Mannschaft hatte bei diesem Turnier einmal schlechte 25 Minuten, Deutschland wurde für seine maximal bestraft. Takuma Asano gelingt sein technisch sensationelles 2:1 gegen Deutschland vielleicht bei einem von zehn Versuchen. Dass die Auswahl von Bundestrainer Hansi Flick gegen Japan und Spanien nicht mehr aus ihrer Überlegenheit machte, liegt teilweise an fehlender Spezialisierung – Jamal Musiala ist ein Jahrhundertdribbler, aber mit dem Tor ist der Bursche noch nicht per Du –, teilweise aber eben auch an Pech, diesem langweiligen Teufelchen. Das Parallelspiel lieferte das jüngste Beispiel: Japans Sieg gegen Spanien hing an wenigen Millimetern.

Auch Spanien hat Costa Rica geschlagen, gegen Deutschland unentschieden gespielt und gegen Japan verloren. Dort steht die Fußballwelt noch, weil man emotionsloser analysieren kann: Die Leistungen haben gepasst. Hat Deutschland eine Weltmeistermannschaft? Nein. Aber das Scheitern war einfach eine Verkettung unglücklicher Ereignisse. (Martin Schauhuber, 2.12.2022)