"Ermöglicher" von Green Jobs, "Verhinderer" von Greenwashing: Karl Wagner zum Green Process.
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Saubere Abläufe, Effizienz, mühsame Dokumentation, Überprüfungen – und ständig neue IT: Beim Thema Prozesse kommt einem nicht zuallererst in den Sinn, dass sie in der Transformation zu einer nachhaltigen Produktions- und Wirtschaftsweise der Knotenpunkt sind – und damit eigentlich die Basis der Umstellungen. Öko-Auflagen, das ESG-Regime der Europäischen Union und die Not durch stotternde Lieferketten sowie enorm gestiegene Rohstoff- und Energiekosten haben nun allerdings den "Green Process" in den Fokus gerückt. Ist das ein alter Wein in zeitgemäßen Schläuchen? Heißen jetzt Prozesse "grün", weil dieses Wording nun angesagt ist?

Karl Wagner, Vorstand der Gesellschaft für Prozessmanagement (GP), in der rund 80 Prozent der derzeit zertifizierten rund 2.700 Prozessmanagerinnen im Land vereint sind, erklärt die Entwicklungen.

STANDARD: Green Process – ist das so etwas, von dem alle Unternehmen behaupten sollten, sie haben es?

Wagner: Sie sollten es haben! Aber wenn ich da gerade den Verdacht nach Greenwashing heraushöre: Green Process ist genau das Gegenteil. Green Process verhindert Greenwashing, indem es strukturiert, dokumentiert, überprüfbar, zertifiziert und in der IT abgebildet regelt, wie grün ein Unternehmen wirtschaftet. Firmen müssen von den Rohstoffen bis zur Wiederverwertung anders wirtschaften – Green Process schreibt fest, wie das gestaltet ist, wie das genau abläuft.

STANDARD: Was wäre dafür ein gutes Beispiel?

Wagner: Nehmen wir den Einzelhandel. Verpackungen und Energiekosten waren in den Prozessen kaum ein Thema. Jetzt sind sie es. Es geht auch um Stoffkreisläufe, die nun in Prozesse eingebunden sind oder eingebunden werden müssen. Also kurz gesagt: Es geht um möglichst wenig Verschwendung. Ideal wäre natürlich keine Verschwendung – so weit sind wir noch nicht. Oder ein Beispiel aus energieintensiven Industrien, etwa der Stahlerzeugung. Da geht es nun auch um neue Anordnungen der Arbeitsschritte, neue Arbeitsorganisation, die den 900 Grad heißen Wärmebehandlungsofen möglichst energieeffizient ausnutzen.

STANDARD: Also nicht bloß ein neues Wording?

Wagner: Der Begriff ist relativ neu, aber die Fakten sind wirksam. Ökologie hat nun ein Preisschild. Oftmals ist ein Green Process schon relevanter als die Personalkosten – enorme Energie- und Rohstoffpreissteigerungen haben uns dorthin geführt.

STANDARD: Wie merke ich das als Konsumentin, dass ein grüner Prozess im Hintergrund steht?

Wagner: Eigentlich ist auch die Umstellung auf regionale Lebensmittel, regional angebautes Gemüse, das Ergebnis eines Green Process. Lieferketten und Ressourceneinsatz – sagen wir beispielsweise bei Heidelbeeren aus Peru – haben gezeigt, dass ein Green Process in allen Dimensionen für eigentlich alle Beteiligten vorteilhafter ist. Es geht immer darum: Wie organisiere ich grüne Arbeit, grüne Beschaffung in der gesamten Prozesskette.

STANDARD: Prozessmanagement als Green Job?

Wagner: Als Ermöglicher von vielen, vielen Green Jobs. Und als Ermöglicher der Transformation. Wenn man sich auf Prozesse berufen kann, dann braucht man über Greenwashing nicht mehr nachzudenken. Es wird transparent, klar, strukturiert und überprüfbar – wie gesagt. Ich glaube, dass Prozessmanagement in den kommenden Jahren eine ganz wesentliche und zentrale Rolle spielen wird in der grünen Transformation.

STANDARD: Ist das eine Ausbildungsempfehlung?

Wagner: Immer! Aber Prozessmanagement ist beides: Know-how und Do-how. Es braucht auch Erfahrung, um eine gute Prozessmanagerin, ein guter Prozessmanager zu sein, nicht nur einen MBA. (Karin Bauer, 5.12.2022)