Konserven und andere luftdicht verpackte Lebensmittel werden bei Blackout-Panik oft auf Vorrat gekauft.
Foto: imago images/Gerhard Leber

"Gestern in der Nacht beging ich den Kardinalfehler", gestehe ich meinem Nachbarn, dem wilden Künstler. "Statt endlich einzuschlafen, zog ich mir diverse Analysen zum Thema Blackout rein. Inklusive Katastrophen-Checkliste der deutschen Bundesregierung." – "O weh!" – "Und jetzt frage ich dich: Wie stehst du zu Notvorräten? Wasser, Müsliriegel ... Sollten wir so etwas andenken?" Mein Nachbar pfeift durch die Zähne. Schließlich sagt er: "Grundsätzlich keine blöde Idee. Vielleicht spielen die Russen noch komplett verrückt."

Gesagt, getan

Ich wusste, dass auf den wilden Künstler Verlass ist. Ständig surft er auf Polit- und Wissenschaftsblogs. Wenn irgendwo auf der Welt etwas Schlimmes passiert, erfährt man es von ihm brühwarm, ob man will oder nicht. Jetzt begleitet er mich in den nächstgelegenen XXL-Supermarkt. "Ich möchte die Haltbarkeit diverser Lebensmittel recherchieren", erkläre ich, während wir einen Einkaufswagen aus der Verankerung loseisen. "Und vielleicht kaufe ich auch schon die erste Grundausstattung ein."

Sexy, trotz allem

Wir schlendern durch die Regalreihen. Vor uns lädt ein Mann mit goldener Bomberjacke vier Kisten Bier in seinen Trolley ein. In der Cerealien-Zone tanzt eine Frau mit wuscheligen Hasen-Kopfhörern. Ich begutachte das Angebot an Schokoladen: "Mmh, mit Salzkaramell. Hält zwei Jahre." Der wilde Künstler steht hinter mir und schreit: "Das Ablaufdatum kannst du ignorieren. Die kannst du noch deinen Enkelkindern verfüttern!" – "Bio-Energie-Riegel mit Erdnuss und Banane.

"Nicht schlecht!", entgegne ich und lasse drei Riegel in unseren Wagen plumpsen. Jetzt läuft mein Begleiter zur Hochform auf: "Es geht um die Apokalypse! Da ist es egal, ob mit Banane oder nicht!" Er bückt sich ins unterste Regal und greift mit seiner riesigen Hand nach einem Zwanzigerpack Billig-Schokolade. "Du musst praktisch denken!" Trotzig sage ich: "Ich möchte im Ernstfall etwas zum Essen haben, das irgendwie noch sexy ist!"

Backup

Zurück in meiner Wohnung öffne ich eine Packung Nusswaffeln, zu Testzwecken, und esse sie auf. Kurz darauf läutet es an der Tür. Draußen steht mein Nachbar, völlig außer Atem, und sagt: "Hast du eine Tafel Schokolade für mich? Ich bin total unterzuckert und brauche Stoff!" So geht es munter dahin. Seit heute sind alle Notvorräte verbraucht. Zum Glück haben etliche Experten die Blackout-Panik widerlegt. Angeblich gibt es genügend Backups – und daran glauben wir jetzt mal.
(RONDO, Ela Angerer, 30.1.2022)