Vor dem Weltuntergang setzen die Nominierten der Destroy-Theaterpreise an zu letzten diskursiven Gefechten: unter ihnen die Schauspieler Erasmus (Elias Eilinghoff, vorne) und Konrad (Uwe Rohbeck, rechts).

Birgit Hupfeld

Weder die Klimakrise noch eine Pandemie und auch nicht der dritte Weltkrieg geben in Apokalypse Miau dem Planeten den Todesstoß. Im Stück von Kristof Magnusson, das am Donnerstag Uraufführung im Volkstheater feierte, zieht den quasselnden Menschen etwas völlig anderes und Unvorhergesehenes den Stecker. Das relativiert ihre bis dahin engagiert gewälzten Probleme schlagartig.

Die Weltuntergangskomödie, so ihr Untertitel, lässt bei diesen letzten Meinungsschlachten keine Debatte aus, die in den letzten Jahren nicht Familien entzweit oder Internetforen zum Explodieren gebracht hätte. Und sie siedelt das alles im Setting einer Theaterpreisverleihung an. Es kommt halt immer gut, wenn sich das Theater selbst auf die Schaufel nimmt. Wir befinden uns also bei der alljährlichen Verleihung der – Achtung – Destroy-Preise. Ragnarök in Glitzerroben!

Im Backstage-Bereich, der über ein Panoramafenster den Blick auf das nächtliche Wien freigibt (Bühne: Michael Sieberock-Serafimowitsch), sind Typen unserer Zeit versammelt: der in Vergessenheit geratene, kommunistische Regietheatermeister (Andreas Beck), die woke postdramatische Regisseurin (Anke Zillich), der Wiener Großschauspieler mit Nazihintergrund (Uwe Rohbeck), ein schamanistischer Starchoreograf (Mario Fuchs), ein sexsüchtiger Komödienautor (Christoph Schüchner) und ein geschichtsvergessener Millennial-Mime (Elias Eilinghoff).

Wo habt ihr gesteckt?

Gelegentlich bekommen sie von der ebenfalls prototypisch niederländischen Moderatorin (Evi Kehrstephan) Besuch, die sich derweil auf der Bühne für eine glanzvolle Gala die Hacken abrennt. Schließlich soll das Publikum ("Wo habt ihr so lang gesteckt?") beglückt werden. Identifikationsangebote für alle!

Während sich die Nominierten zunehmend in die Haare kriegen ("Du musst race, class und gender mitdenken!"), nimmt auch die äußerliche Bedrohung zu. Supervulkane vernebeln den Globus, und auch ein Asteroid ist im Anmarsch – ein von Jura Soyfer bis Lars von Trier gleichbleibend faszinierender Untergangstopos.

Mit dem allmählich unter Sprühfunken und Donner aus den Fugen geratenden Backstagegelage sind auch bald die guten Sitten dahin. Der Regiealtmeister fällt über die Postdramatikerin her und versucht, sie stöhnend rumzukriegen: "Komm, sag was Gegendertes."

Zuvor aber singt die Hollywood-Celebrity und IT-Größe Celeste (Bettina Lieder) noch den Apokalypse-Song (Musik: Paul Wallfisch) und bekommt der Großschauspieler seine Trophäe, eine goldene Winkekatze mit Superbizeps.

Robust und zünftig

Der in Hamburg geborene, isländisch-deutsche Autor Magnusson (Männerhort; Sushi für alle) ist für saftig abschnurrende Zeitgeiststücke bekannt und trifft auch mit dieser für ein breites Publikum bestimmten Komödie ins Schwarze. Sie bietet in ihrer robusten, schematischen Bauweise viel Zünftiges, hält aber in Kay Voges’ ebensolcher Regie knapp drei Stunden durch, ohne allzu platt zu werden.

Apokalypse Miau, das am Volkstheater auch als diesjähriges Silvester-Stück programmiert ist, hat jedenfalls Integrationspotenzial. Es bildet in einem auch klamottigen Trashrahmen mit Teletubbies-Beteiligung die festgefahrenen Diskurse der Gegenwart ab, ohne dabei selbst Werte zu propagieren.

Hier kann man getrost am Adorno-Gedanken festhalten, wonach Kunst a priori Kritik am tierischen Ernst sei. Anders gesagt, dort, wo in der Realität diskursiv nichts mehr geht, hilft am Theater der Unernst, der Spaß weiter. Und der liegt hier sowohl in überschießend performten Figurenskizzen als auch in auf Österreich gemünzten Bonmots.

Das Volkstheater öffnet erneut seine Arme weit und hatte so viel junges Publikum bei der Premiere wie woanders selten. (Margarete Affenzeller, 3.12.2022)