Frühmorgens, wir waren auf dem Weg in den Kindergarten. Mika sehr bestimmt: "Heute bitte die lange Runde." Sie ahnen schon, wir saßen nicht im Škoda: sondern in einem Porsche – und nicht in irgendeinem 911er, sondern im 718 Spyder, rot noch dazu. Wir fuhren also die lange Runde, einen ordentlichen Umweg, und Mika grunzte vor Vergnügen. Endlich vor dem Kindergarten angekommen, wollte Mika nicht aussteigen. Wir mussten warten. Es könnte nämlich sein, dass Emma vorbeikommt, seine große Kindergartenliebe, und in diesem Augenblick wollte er dem roten Spyder entsteigen, seinen gelben Bärenrucksack lässig über der Schulter. Was für ein kleiner Angeber. Von wem er das wohl hat? Doch nicht etwa vom großen Angeber?

Der 718 Spyder ist nicht unbedingt für den kürzesten Weg gebaut. Das versteht auch schon Mika.
Foto: Andreas Riedmann

Emma erwischten wir jedenfalls nicht, sie wird Mika auch so mögen, aber wenigstens kam Anton vorbei, da federte Mika sportlich aus dem Porsche, während ich mich daneben etwas ungelenk aus dem Wagen schälte. Anton hatte die Kinnladen unten, wie sich das gehört, sein Papa fragte mich hingegen hämisch: "Bandscheiben?"

Die Herren Kompott und Gartenschlauch

"Geht schon", erwiderte ich gequält, während ich versuchte, mich aufzurichten. Weil eines muss ich zugeben: So lässig der Porsche in vielerlei Hinsicht ist, gemütlich ist er nicht. Das ist definitiv kein Alltagsauto, falls Sie jetzt überlegen sollten. Zum Angeben vor dem Kindergarten perfekt, aber der Weg dorthin ist holprig. Der Kanaldeckel klopft an und sagt laut und deutlich: "Grüß Gott, Herr Kompott", dann mischt sich die Fahrtrille ein "Grüß Sie auch, Gartenschlauch", und schließlich meldet sich erst recht die Bodenwelle zu Wort: "Grüß Sie sehr, Preiselbeer!" Zumindest war das am Weg zum Kindergarten so.

Von allen Schokoladenseiten ist dies eine der schokoladigsten.
Foto: Andreas Riedmann

Die Kommunikation mit der Straße fällt insgesamt recht intensiv aus. Der Belag ist geschwätzig wie nur was. Das Fahrwerk gibt alles ungefiltert weiter und verbirgt keinerlei Unebenheit, da erkennt man sogar bei einer überfahrenen Münze, ob das ein Euro oder doch nur fünf Cent sind.

Reden wir übers Geld

Apropos. Der nackte 718 Boxster Spyder kostet 127.000 Euro. Mit ein paar Extras, wie dem Doppelkupplungsgetriebe (fast Pflicht, aber darüber kann man diskutieren) oder den "adaptiven Sportsitzen plus" (das sind Hardcore-Schalen, tauglich für die Rennstrecke) in unserem Testwagen, ergibt sich ein Preis von knapp 150.000 Euro. Nur zur Information: Darin sind ziemlich genau 30.000 Euro an Normverbrauchsabgabe (NoVA) enthalten, mit der in Österreich PS-kräftige und emissionsstarke Autos sanktioniert werden.

Das Doppelkupplungsgetriebe ist eigentlich fast Pflicht – notfalls können wir ja drüber diskutieren.
Foto: Andreas Riedmann

Das und nicht nur das unterscheidet diesen Porsche grundsätzlich von einem Elektroauto. Der 718 Spyder ist ungefähr das Gegenteil davon: laut, hart, ruppig – und so unvernünftig. Insgesamt also herrlich, wenn man dem sinnbefreiten Spaß etwas abgewinnen kann und ambitionierte Fortbewegung mag.

Unglaublich analog

Den Spyder spürt man tatsächlich mit allen Sinnen, man hört ihn, man ertastet ihn, man schmeckt regelrecht den Asphalt und das Öl und das Benzin. Alles kommt recht direkt daher, und obwohl der 718 längst im digitalen Zeitalter angekommen ist und der Bordcomputer alle Spielarten beherrscht, fühlt sich der Wagen unglaublich analog an. Bremsen, lenken, Gas geben, da wird nicht diplomatisch vermittelt, da werden Befehle gebellt und sofort umgesetzt – aber wirklich sofort.

Die Verdeck-Bedienung erfolgt halbautomatisch, etwas Handarbeit ist angesagt.
Foto: Andreas Riedmann

Unmittelbar hinter dem Fahrer sitzt der Sechszylindermotor, der einem aus vier Liter Hubraum seinen heißen Atem in den Nacken bläst und dabei irgendwas Vulgäres brabbelt. So hört es sich jedenfalls an. Ich möchte das gar nicht ausführen, was ich mir da alles anhören musste, da würde ich sofort bei meinen Accounts auf Twitter, Facebook und Tiktok gesperrt und auf Only Fans verwiesen.

Scharf und schärfer

Jedenfalls ist Mika bereits im Kindergarten, und wir, der Porsche und ich, röhren fluchend los. Das Fahrwerk ist ohnedies schon irrwitzig straff, lässt sich aber noch einmal sportlicher machen. Mit dem Rennstrecken-Modus lassen sich Flügel, Motormanagement, Schaltung und Auspuffanlage scharf, also noch schärfer stellen. Schade, dass ich meinen Helm nicht mithabe.

In dieses Cockpit passt auch ein Helm ganz gut.
Foto: Andreas Riedmann

Weil es sind nicht nur die 420 PS, es ist diese Unmittelbarkeit, mit der sie entfesselt werden. Und es ist Arbeit, das alles geschmeidig auf der Strecke zu halten. Das geht nicht beiläufig, da muss man bei der Sache sein. Die Beschleunigung von null auf hundert erwischt einen in weniger als vier Sekunden, mir kam’s ja noch schneller vor. Null auf 200 km/h, und das ist bei dieser Kategorie Fahrzeuge der relevantere Wert, geschieht in 13,4 Sekunden. Falls Sie das interessiert und die deutsche Autobahn das hergibt: Die Spitze liegt bei 300 km/h.

Den Teller in der Hand

Wir haben das nicht ausprobiert, ehrlich. Nur am Abend, als wir im Kinderzimmer den Tag Revue passieren haben lassen, die Kindersitze zusammengestellt und den Teller als Lenkrad in die Hand genommen haben, da sind wir sogar 400 km/h gefahren, und der Papa musste so laut die Motorengeräusche beisteuern, dass die Mama ins Zimmer gestürmt ist und gefragt hat, ob er blöd ist. 2025 werden wir dann flüstern. Zu diesem Zeitpunkt soll die 718er-Reihe von Porsche auf elektrisch umgestellt werden.

Laut ist er halt schon, bei 400, mit dem Teller in der Hand.
Foto: Andreas Riedmann

Am Vormittag, auf dem Weg zum Fleischhauer Höllerschmid, man braucht schließlich Ziele, ging es nicht so wild zu, aber das Auto ist schon arg, das muss man ehrlich sagen. Und zu Hause trennen wir Müll, ehrlich!

Kompromisslose Grundkondition

Also über die Sinnhaftigkeit eines solchen Fahrzeugs braucht man nicht diskutieren, das ist keine Frage. Das ist ein kompromissloses Sportgerät, und es setzt eine gewisse geistige und körperliche Grundkondition voraus, gesunde Bandscheiben jedenfalls.

Türschlaufen in einem Auto um rund 150.000 Euro.
Foto: Andreas Riedmann

Ein lustiges Detail am Rande: Es geht nicht wirklich ums Gewichtsparen, aber das Verdeck ist natürlich Leichtbau, ein Fetzen Stoff eigentlich, und die Türgriffe sind keine Türgriffe, sondern Schlaufen aus Stoff. Das kann man schon witzig finden. Sehen vielleicht nicht alle so. (Michael Völker, 4.12.2022)