Ein paar Fans fanden sich in den USA dann doch, die dem Kronprinzenpaar zujubelten.

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Vereinzelte Buhrufe, na ja. Damit ist immer zu rechnen, wenn britische Royals sich nach Boston, in die Höhle des irisch-amerikanischen Establishments, wagen. Dort wurde noch für den bewaffneten Kampf der republikanischen Terrortruppe IRA gesammelt, als der Friedensprozess für Nordirland längst auf dem Weg war.

Zwei andere Ereignisse haben den ersten offiziellen Auslandsbesuch des neuen Prinzenpaares von Wales, William und Kate, deutlich stärker überschattet. Zum einen war dies die peinliche Rassismus-Episode rund um Williams Patentante, eine enge Vertraute der verstorbenen Queen. Zum anderen erschreckte das abtrünnige Herzogspaar Harry und Meghan die Besucher durch einen Trailer für die Netflix-Miniserie, in der das kalifornische Paar seinen Medienfeldzug gegen die britische Monarchie weiterführt.

Händeschütteln mit Biden

Immerhin durfte William am Freitag nicht nur das nach einem legendären Irisch-Amerikaner benannte Museum besuchen, sondern dort auch dem berühmtesten lebenden Irisch-Amerikaner die Hand schütteln. Weil Präsident Joe Biden für eine Geldsammelaktion seiner demokratischen Partei ohnehin in der Stadt weilte, kam es in der John-F.-Kennedy-Bibliothek zum Handschlag mit dem royalen Besucher.

Abends vergab der Prinz seine fünf alljährlichen, mit je einer Million dotierten Earthshot-Preise, die zur Bewältigung der Klimakrise beitragen sollen. Die Inspiration hatte ihm – daher der Besuch auf den Spuren des 1963 ermordeten Präsidenten – Kennedys sogenannte Moonshot-Rede eingegeben, mit der der junge Präsident Amerikas 1969 erfolgreiche Mission zur Landung auf dem Mond angekündigt hatte.

Auch Prinzessin Catherine ging am Freitag ihren Interessen nach. Die 40-Jährige fördert schon seit Jahren die Aufmerksamkeit für frühkindliche Erziehung, das sei "eine echte Passion", heißt es beim Palast. Über jüngste Forschungsergebnisse sprach Kate mit Wissenschaftern an der Uni Harvard.

Die Frage nach der Herkunft

Ob ältere Mitarbeiterinnen des Buckingham-Palastes auch ein wenig Erziehung brauchen? Die Frage mag das Prinzenpaar beschäftigt haben, als die US-Touristen vom Zwischenfall bei einem Empfang im Palast am Dienstagnachmittag hörten. Dort war die Aktivistin Ngozi Fulani von der Organisation "Sistah Space" auf die 83-jährige Lady Susan Hussey getroffen, die ihr die klassische royale Einstiegsfrage stellte: "Woher kommen Sie?"

Dass Fulani erst ihre Organisation nannte, dann den Londoner Stadtteil Hackney, deutet darauf hin, dass ihr die Frage von Anfang an nicht geheuer war. Hussey aber machte unbeirrt weiter. "Nein, aus welchem Teil Afrikas kommen Sie?" Fulani versicherte, sie sei im Königreich geboren und britische Staatsbürgerin, was ihre Befragerin beiseitewischte: "Nein, woher kommen Sie wirklich, woher kommen Ihre Leute?"

Später machten Freunde der langjährigen treuen Begleiterin von Elizabeth II. geltend, dieser liege jegliche rassistische Einstellung fremd. Vielmehr habe sie echtes Interesse für die Menschen, die ihr über viele Jahrzehnte in der offiziellen Funktion begegnet sind. Mag sein. Umso verwunderlicher wirkt die Unsensibilität der alten Dame gegenüber einer Frau, die sich auf dem Empfang bei Hofe "als Eindringling" behandelt fühlte.

Kein Zweifel an Substanz

Die Befragung durch eine 83-Jährige habe sich "wie Gewalt" angefühlt, teilte Fulani tags darauf in ihrer Tournee durch die Fernsehstudios des Landes mit. Mag die Chefin einer Wohltätigkeitsgruppe, die Opfern häuslicher Gewalt gewidmet ist, also ein wenig zu Übertreibungen neigen – an der Substanz von Husseys krassen und mindestens extrem unhöflichen Äußerungen gab es hinterher keine Zweifel. Der frühere Leiter der Gleichstellungsbehörde, Trevor Phillips, fand klare Worte: "Das war nicht nur geschmacklos und anachronistisch, sondern eindeutig rassistisch."

Wie rasch der Palast der seit Jahrzehnten treu dem Königshaus dienenden Hussey den Laufpaß gab, deutet auf das neue Regiment in der Monarchie hin, nicht zuletzt auf den wachsenden Einfluß des Thronfolgers. Schon um seinen 40. Geburtstag im Juni herum hatten Getreue von der Ambition des Millenials gesprochen, seine "Firma" für den Rest des 21. Jahrhunderts fit zu machen. Dazu gehört gewiss auch eine Anpassung an zeitgenössischen Sprachgebrauch und an die als "Wokeness" bekannte Empfindsamkeit jüngerer Generationen.

Öffentlich ließ William mitteilen, er sei "enttäuscht" von seiner Patentante. Hussey selbst, so ein Palastsprecher, wolle sich in aller Form entschuldigen und ihre Funktion sofort niederlegen.

Das Oprah-Thema

Dem Königshaus sind Rassismusvorwürfe schon deshalb besonders peinlich, weil Herzogin Meghan im vergangenen Jahr bei TV-Beichttante Oprah Winfrey von angeblichem Rassismus bei den Windsors selbst berichtet hatte. Zwar blieben die Einzelheiten bisher unklar; William aber sah sich damals zur öffentlichen Beteuerung veranlasst, seine Familie sei "überhaupt nicht rassistisch".

Kaum war der Londoner Patzer erledigt, erhielt das royale Besucherpaar schon den nächsten Schlag. Mit der Vorschau für die bevorstehende Doku machten Harry und Meghan unmissverständlich deutlich, dass sie mit harten Bandagen um die Gunst des Publikums werben wollen.

Der Trailer zur Doku wurde veröffentlicht.

Der Inhalt des einminütigen Trailers ging in der Furore beinahe unter. Dabei enthält das Filmchen hübsche Hinweise auf die gigantische Selbstbezogenheit des britischen Prinzen und seiner amerikanischen Gattin. "Warum wollten Sie diese Dokumentation machen?", lautet die Eingangsfrage aus dem Off. Statt der ehrlichen Antwort "Um Geld zu verdienen" gibt Harry den Zuschauern Einblick in eine ewige Wahrheit: "Niemand sieht, was hinter verschlossenen Türen vor sich geht."

Damit das nicht so bleibt, darf die staunende Öffentlichkeit von kommender Woche an sechs Folgen lang bei der Selbstinszenierung zuschauen. Netflix soll dafür das bemerkenswerte Honorar von 100 Millionen Dollar gezahlt haben, scheint also lukrative Nachfrage durch zahlende Kunden zu erwarten. (Sebastian Borger aus London, 3.12.2022)