Die drei Angeklagten entschuldigten sich in ihren Schlussworten grundsätzlich dafür, was passiert ist. Zu der Tat an sich wollte sich weiterhin keiner von ihnen bekennen.

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Das Prozessfinale im Fall um die getötete 13-jährige Leonie W. nahm am Freitag auch aus rein rechtlichen Gründen viel Zeit in Anspruch. Die Geschworenen mussten darüber entscheiden, ob es sich nicht doch mehr um Mord gehandelt hat als um eine Vergewaltigung mit Todesfolge. Und sie kamen schließlich zu diesem Urteil: Der Hauptangeklagte, Zubaidullah R. (24), wurde des Mordes und der Vergewaltigung schuldig gesprochen, er war zur Zeit der mutmaßlichen Tat bereits älter als 21 Jahre und wurde zur Höchststrafe verurteilt: lebenslänglich.

Bei Ibraulhaq A. (19) und Ali H. (20) lautete das Urteil auf Mord durch Unterlassung und Vergewaltigung, die Strafe beträgt 20 beziehungsweise 19 Jahre. Den jungen Afghanen wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, das Mädchen in einer Nacht im Juni 2021 zunächst unter Drogen gesetzt und anschließend sexuell missbraucht zu haben – mit Todesfolge. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Für das Morddelikt muss ein Vorsatz nachgewiesen werden können, dass die drei Afghanen den Tod von Leonie W. "ernstlich" für möglich gehalten und sich damit abgefunden haben. Also "es den Tätern egal ist", wie die Staatsanwältin knapp formulierte. Dafür sah die Juristin vor dem Urteil durchaus Indizien. Leonie W. habe eine dreifach tödliche Dosis Ecstasy im Körper gehabt. Dabei soll der mehrfach wegen Drogendelikten vorbestrafte Zubaidullah R. seinen Kunden stets empfohlen haben, nur ein Viertel einer solchen Tablette einzunehmen. Vor allem er selbst wurde damit belastet, Leonie W. die Drogen in ein Getränk gemischt zu haben, um sie gefügig zu machen.

"Von Reue keine Spur"

Sie sei "fassungslos" gewesen, was die Angeklagten in dem Verfahren von sich gaben, wurde die Staatsanwältin in ihrem Schlussplädoyer deutlich. Keiner davon sei sich einer Schuld bewusst, "von ehrlich gemeinter Reue ist keine Spur".

Alle drei Männer wollen bloß einvernehmlichen Sex mit der Minderjährigen gehabt, in der Einzimmerwohnung nichts mitbekommen und vorbildlich Erste Hilfe geleistet haben, monierte die Staatsanwältin. Vor allem gegen den freiwilligen Geschlechtsverkehr würden blaue Flecken und Blutungen in der Gebärmutter des Opfers sprechen, führt sie aus.

Aber nicht nur das. Bei Zubaidullah R. konnte ein Video sichergestellt werden, das einen Ausschnitt der mutmaßlichen Tat zeigt – und unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgespielt wurde. Zu sehen seien die nackte Leonie W., die sich in den Morgenstunden im Todeskampf befunden habe, und zumindest zwei leicht bekleidete Angeklagte.

Die Verteidiger der Angeklagten versuchten in ihren Plädoyers noch etwas für ihre Mandanten herauszuholen. Einer davon erhoffte sich etwa ein milderes Urteil, da die Männer aus seiner Sicht sehr wohl versucht hätten, den Tod des Mädchens "mit hektischen Aktivitäten" wie der Gabe von Zitronensaft abzuwenden, auch wenn es sinnlos gewesen sei. Die beiden Anwälte von Ali H. plädierten gar für einen Freispruch.

Anwalt beklagt Drohungen

Danach entbrannte im Gericht eine Diskussion darüber, wie politisch ein Gerichtsurteil sein darf. Ausgangspunkt dafür war das Schlussplädoyer des Opferanwalts Florian Höllwarth. Mit seinem Kollegen Johannes Öhlböck habe er den Fall Leonie wegen der vielen Femizide in Österreich absichtlich massiv medial verbreitet, erläuterte er. Kein anderer Frauenmord sei "in dieser Qualität abgehandelt worden". Denn Opfer hätten Angst, dass das, was passiert sei, vor allem von der Politik unter den Teppich gekehrt werde. Es liege bei den Geschworenen, dem entgegenzutreten, sagte Höllwarth – um Asylwerbern und Männern klarzumachen: "Mädchen und Frauen haben ihre Rechte, die kann ihnen niemand nehmen."

Dem stellte sich der Verteidiger von Ali H., Andreas Schweitzer, mit lauter Stimme entgegen. Seit der Fall Leonie bekannt wurde, werde versucht gemeinsam mit den Medien alle drei Angeklagten zu kriminalisieren und vorab einen Urteilsspruch herbeizuführen. Diese Stimmung führe dazu, dass er von den "Leuten draußen" Drohungen zugeschickt bekomme, bis hin zu: "Stirb, du Schwein", erzählt Schweitzer. Seit mehr als einem Jahr werde der Prozess in Richtung Mord gelenkt. Ein "politisch motiviertes Ergebnis" herbeizuführen sei allerdings nicht die Aufgabe der Geschworenen, betonte Schweitzer.

Zum Ende der Verhandlung traten Zubaidullah R., Ibraulhaq A. und Ali H. in die Mitte des Gerichtssaals. In ihren Schlussworten entschuldigten sie sich zwar einmal mehr grundsätzlich dafür, was passiert ist. Zu der Tat an sich wollte sich weiterhin niemand bekennen. (Jan Michael Marchart, 2.12.2022)