Vor allem Johanna Mikl-Leitners ÖVP hätte bei vergangenen Wahlen mit der neuen Regelung Stimmen eingebüßt.

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Bei der niederösterreichischen Landtagswahl am 29. Jänner 2023 sind nach einer Reform mehr als 90.000 Zweitwohnsitzer nicht mehr stimmberechtigt. Durch die Änderung verliert laut einer Sora-Analyse vor allem die ÖVP Stimmen, während SPÖ und FPÖ profitieren. Christoph Haselmayer vom Institut für Demoskopie & Datenanalyse (IFDD) sieht dagegen ein "Nullsummenspiel". Das Prinzip "Name vor Partei" nutzt laut Einschätzung der Experten hauptsächlich der ÖVP.

Aufgrund der heuer im Juni in Kraft getretenen Reform des Wahlrechts gilt nun "Eine Person – eine Stimme". Nach Unklarheiten bei vergangenen Urnengängen gebe es nun in Niederösterreich – wie in vielen anderen Bundesländern – Rechtssicherheit, betonte Haselmayer im Gespräch mit der APA. Demokratiepolitisch sei die Änderung daher zu begrüßen.

SPÖ und Grüne hätten profitiert

Bei der niederösterreichischen Landtagswahl 2018 hat die ÖVP bei Zweitwohnsitzern laut Sora überdurchschnittlich stark abgeschnitten. Rund 72 Prozent der gültigen Stimmen in dieser Gruppe gingen an die Volkspartei, sagte Christoph Hofinger von Sorazur APA. Die ÖVP wäre 2018 ohne Stimmen von Zweitwohnsitzern nur auf 28 (statt 29) Sitze im Landtag und rund 48 (statt 49,63) Prozent gekommen. Das Mandat wäre zur SPÖ gewandert, die damit 14 Abgeordnete gestellt hätte.

Auch die Grünen haben der Analyse zufolge 2018 von Zweitwohnsitzern profitiert. Rund acht Prozent in dieser Gruppe stehen 6,43 Prozent beim Gesamtergebnis gegenüber. Alle anderen Parteien waren bei den Zweitwohnsitzer-Stimmen schwächer als im Gesamtresultat, sagte Hofinger. So erreichten die Sozialdemokraten in dieser Gruppe lediglich 14 (statt 23,92) Prozent, die Freiheitlichen vier (statt 14,76) Prozent und die NEOS zwei (statt 5,15) Prozent. SORA hat dabei mit der Methodik der Wählerstromanalyse das Wahlverhalten der Zweitwohnsitzer geschätzt.

"Nullsummenspiel"

"Am Ende des Tages ist es ein Nullsummenspiel für alle", lautet hingegen die Einschätzung von Haselmayer. Zu den Zweitwohnsitzern zählen etwa viele Studierende, wodurch die Änderung auf Kosten von NEOS, Grünen und SPÖ gehe. Ihr Stimmrecht verloren haben auch Wohlhabende und Wiener, die im Umland der Bundeshauptstadt einen Nebenwohnsitz haben. "Das geht tendenziell mehr auf Kosten der ÖVP", sagte Haselmayer. Weiters betroffen sind "Parkpickerl-Flüchtlinge", die einen Hauptwohnsitz bei Freunden oder Familie in Wien angemeldet haben. Die FPÖ habe in der Vergangenheit kaum von Zweitwohnsitzern profitiert, so Haselmayer.

Bis 2017 waren Personen mit Nebenwohnsitz in Niederösterreich wahlberechtigt. Die Regelung führte immer wieder zu Problemen aufgrund fragwürdiger Zweitwohnsitze. Bei der Landtagswahl 2018 durften Nebenwohnsitzer nicht mehr automatisch ihre Stimme abgeben. Entscheidend war wirtschaftliche, berufliche oder gesellschaftliche Nähe zur Gemeinde. Kommunen waren aufgerufen, Eintragungen in die Wählerverzeichnisse zu überprüfen und – wenn nötig – zu berichtigen.

Nebenwohnsitzer nur in Burgenland

Die im Februar im Landtag beschlossene Änderung betrifft mehr als 90.000 Personen. Die Zahl ergibt sich aus der Differenz der Wahlberechtigten bei der Landtagswahl 2018 (mehr als 1,386 Millionen) und der Nationalratswahl 2019 (rund 1,293 Millionen). Seit der Wahlrechtsreform in Niederösterreich sind Nebenwohnsitzer nur mehr im Burgenland – unter bestimmten Kriterien – stimmberechtigt.

Weiterhin gilt in Niederösterreich der Grundsatz "Name vor Partei". Davon profitiere vor allem die ÖVP mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, meinte Haselmayer. Diese Einschätzung teilt auch Hofinger: Das Prinzip nutze jener Person, die den prominentesten Namen habe. Beziffern ließe sich der Landeshauptleute-Bonus aber nicht. (APA, 3.12.2022)