Im herabschauenden Hund frage ich mich plötzlich, was Yoga und Töpfern eigentlich gemeinsam haben. Während alle um mich entspannt die Yogaposition halten, beginnen meine Arme zu zittern und meine Gedanken zu kreisen. Manche erzählen von einem Flowzustand, den sie beim Yoga mit anschließendem Töpfern erreichen – sie können alles ausblenden, was rundherum passiert, und kommen zur Ruhe. Wie machen die das bloß?

Die einen kommen wegen dem Yoga, die anderen wollen töpfern – oder brunchen.
Foto: Christian Fischer

Da fällt mir eine Gemeinsamkeit auf: Es geht bei beidem nicht um die Geschwindigkeit, im Gegenteil. Wer hudelt, macht Fehler. Und noch eine Parallele fällt mir trotz meines immer unregelmäßiger werdenden Atems ein: Yoga wird ein erdender Effekt nachgesagt – und beim Töpfern hantiert man, nun ja, mit Erde.

Aktivitäten für urbane Hipster

Es ist Samstagvormittag, und ich probiere das "Clay Date with Yoga & Brunch" der Wiener Yogatrainerin Andrea Schauer in der ehemaligen Turnhalle Brick-15 in Wien aus. Seit Herbst gibt es das Yoga-Brunch-Töpfern-Paket, bei dem die drei derzeit wohl angesagtesten Aktivitäten für urbane Hipster kombiniert werden. Erst gibt es eine entspannende Yogaeinheit, dann wird im Lokal gemeinsam gebruncht und im Anschluss noch getöpfert. 59 Euro kostet das Paket, das bisher jedes Mal ausgebucht war.

Ich weiß, wo meine Talente liegen – und vor allem, wo nicht. Bei der heutigen Kombination ist es der Brunch, keine Frage. 24 Frauen sind dabei und nur ein einziger Mann. Yoga ist hierzulande immer noch weiblich. Die meisten sind mit einer Freundin gekommen. Die einen erzählen, dass sie sich aufs Yoga freuen, die anderen wollen an ihrer Töpfertechnik arbeiten. Denn die Arbeit mit Ton liegt seit der Corona-Pandemie sehr im Trend, Kurse sind so gut wie immer ausgebucht, erzählt mir eine Teilnehmerin. Eine junge Frau spricht mir aus der Seele, als sie sagt, dass sie hauptsächlich wegen des Brunchs hier ist. Zuerst rollen wir aber mit einem schnalzenden Geräusch unsere Matten aus. Die erste Reihe füllt sich, wie immer, nur zögerlich. Dann beginnen wir vor riesigen Kassettenfenstern und mit Blick in den regnerisch-grauen Tag mit Yoga.

Yoga mit Bier oder Ziegen

Später, am Brunchbuffet, erklärt mir Andrea Schauer, dass sich Yoga gut mit Kunst kombinieren lässt, weil man in beiden Bereichen kreativ sein kann. Ihre Freundin Antonia Hinterleitner bietet Töpferworkshops an, so führte das eine zum anderen. Vorstellbar seien aber auch andere Kombinationen, etwa mit Poetry oder Malen. Und der Brunch? "Dazwischen muss man ja essen", sagt Schauer, eine studierte Ernährungswissenschafterin. Sie weiß, wovon sie spricht.

Yoga und Töpfern hat einiges gemeinsam, wenn man genauer drüber nachdenkt.
Foto: Christian Fischer

Ja, die Kombination aus Yoga und Töpfern klingt erst einmal schräg. Aber nur, wenn man bereits auf Bier- und Ziegenyoga vergessen hat, das vor einigen Jahren vor allem mediale Aufmerksamkeit bekommen hat und bei dem es echten Yogis wohl die Zehennägel aufstellt. Dass sich Yoga gut im Paket verkaufen lässt, haben viele Studios erkannt (siehe Infokasten). Die Kombination mit Brunch ist mittlerweile ein Klassiker, es gibt aber auch ungewöhnlichere Mischungen mit Dinner, Techno oder Zimtschnecken. Mit ihrem Unternehmen, dem Insync Club, hat Andrea Schauer auch Ecstatic Dance und Pizza im Angebot. Wie passt das alles zusammen?

Emotionales Gesamterlebnis

Der Tourismus- und Freizeitforscher Peter Zellmann sieht einen allgemeinen Trend im Freizeitverhalten. "Die Hauptaktivität alleine genügt nicht mehr", sagt er, es gehe heute um ein emotionales Gesamterlebnis. Corona habe diese Entwicklung noch einmal beschleunigt.

Oder wird in unserer Leistungsgesellschaft mittlerweile sogar die Freizeit bis ins letzte Detail optimiert?

Unser Ziel: Ohne Ziel an das Töpfern herangehen.
Foto: Christian Fischer

"Viele wollen ihre Freizeit heute sinnvoll und lustvoll gestalten", sagt die Wiener Yogatrainerin Andrea Filseker. Auch sie bietet den Klassiker Yoga und Brunch an. Seit Corona seien viele regelrecht "ausgehungert nach Gemeinschaft". Die Idee hinter der Kombi: Mit der Yogaeinheit tue man sich selbst etwas Gutes, beim Brunch gehe es mehr ums Gemeinschaftsgefühl. Auch Junggesellinnenabschiede wurden so schon gefeiert: "Einmal war eine Gruppe im Tigerkostüm da, das wurde ihnen aber bei Yoga schnell zu heiß", sagt Filseker.

Töpfern ohne Ziel

Aber zurück zur Yoga-Brunch-Töpfern-Kombi: Hier gibt es nach dem Essen noch einen letzten Programmpunkt. Wir gehen hinauf in den Yogaraum, in dem lange Holztische aufgestellt wurden. Nun geht es darum, etwas mit unseren Händen zu formen. "Das muss nichts sein, was einen Zweck hat", betont Andrea Schauer. Den meisten Erwachsenen komme die Fähigkeit abhanden, auch ohne fixes Ziel kreativ zu arbeiten.

Antonia Hinterleitner erklärt uns, wie wir dem beigen Tonbatzen erst die Luft rauskneten und ihn dann auf die Tischplatte schmettern, was der gesamten Runde erstaunlich viel Spaß macht. Mir offenbar am meisten, denn ich pfeffere meinen Klumpen in eines der Teelichter auf dem Tisch, das prompt umkippt. "Wie verträgt sich Wachs mit Ton?", frage ich und fange lieber noch einmal von vorne an. Noch eine Gemeinsamkeit von Yoga und Töpfern: Man kann immer wieder neu starten – solange der Tonofen noch nicht angeheizt ist.

Zwei Stunden haben wir, um zur Pop-Playlist unserer Kreativität freien Lauf zu lassen. Ich bohre meinen Daumen in den Klumpen und forme einen Behälter mit, sagen wir, gewollt ungleichmäßigen Rändern. Das Resultat erinnert an einen Chinese Dumpling. Ich bin so wenig perfektionistisch, dass ich lange vor den anderen fertig bin und mich seltsam zufrieden fühle. "Bis bald", sage ich, als ich mich von der Runde verabschiede – und merke, dass ich es ernst meine. (Franziska Zoidl, 6.12.2022)