Als Standort für das DÖW wurde der Pavillon 15 auserkoren.

Foto: Heribert Corn

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, kurz DÖW, hat ein Problem. Allerdings eines, für das sich eine Lösung anbahnt. Aus dem aktuellen Standort im Alten Rathaus, wo die Institution seit den 1960er-Jahren ansässig ist, ist sie mittlerweile herausgewachsen. Rund 40.000 Akten, Druckschriften, Plakate und Fotos sind inzwischen in Sammlung und Archiv in der Wipplingerstraße im ersten Bezirk untergebracht. Dazu kommen eine Bibliothek und ein Schauraum. Und: Die Räumlichkeiten dienen noch dazu als Forschungsstätte, Beratungsstelle und Erinnerungsort. Weil der Platz für all das nicht mehr ausreicht und der Standort in die Jahre gekommen ist, soll das DÖW nun eine neue Heimat bekommen.

Auserkoren wurde dafür das Gelände des Otto-Wagner-Spitals auf der Baumgartner Höhe in Wien-Penzing. Das geht aus einem Antrag der Magistratsabteilung 7 an den Kulturausschuss des Wiener Gemeinderats hervor. Das Papier liegt dem STANDARD vor und soll am Dienstag beschlossen werden. Die Stiftung DÖW beabsichtige eine "Übersiedlung des Gesamtbetriebs auf das Gelände des ehemaligen Otto-Wagner-Spitals", heißt es darin. Konkret sei als Objekt der Pavillon 15 in Aussicht genommen worden.

Ziel sei es, dort einen Forschungs- und Archivbetrieb nach modernen Maßstäben zu ermöglichen. Die Klinik Penzing wird bis 2032 komplett stillgelegt und von dem Areal abgesiedelt. Bis zum diesjährigen Sommer gab es den Plan, die Central European University (CEU) als Nachnutzung auf dem Gelände unterzubringen. Die private Hochschule sprang aber ab und ist, wie der STANDARD berichtete, derzeit intensiv auf der Suche nach einer neuen Bleibe – dem Vernehmen nach auch in Niederösterreich. Die Ansiedlung des DÖW kommt angesichts dieser Vorgeschichte gelegen: Im Rathaus verspricht man sich davon, Wien als Universitäts- und Forschungsstandort abzusichern bzw. auszubauen.

Museumsbetrieb soll bleiben

Weiters ist die Schaffung einer DÖW-Bleibe offenbar als bewusster Schritt zur Auseinandersetzung mit der dunklen Historie des Otto-Wagner-Geländes gedacht. Denn in dem Antrag wird auf die "historische Verantwortung" für das Areal verwiesen. Während der Zeit des Nationalsozialismus fungierte das Krankenhaus als Zentrum für sogenannte Euthanasieprogramme. In der "Kinderfachabteilung" wurden 800 Kinder mit Krankheiten oder Behinderungen ermordet, insgesamt wurde 7.500 Patientinnen und Patienten das Leben genommen. Um auf diese Geschichte aufmerksam zu machen, betreibt das DÖW im unteren Bereich des Areals eine Ausstellung und bietet Führungen für Schulklassen an. Dieser museale Betrieb soll erhalten werden.

Für den Pavillon 15 sind übrigens auch nach Ende des NS-Regimes schreckliche Geschehnisse dokumentiert – und zwar in der psychiatrischen Unterbringung von Kindern und Jugendlichen. In einer Studie im Auftrag des heutigen Wiener Gesundheitsverbunds wurden im Jahr 2017 Berichte von Mitarbeitern über Gewalttaten bestätigt. Ab Herbst 2020 wurde das Gebäude schließlich zur Betreuung von Patientinnen und Patienten mit leichten Covid-Symptomen genutzt.

Stadt zapft Zuschuss vom Bund an

Recht konkrete Vorstellungen gibt es bereits über die Finanzierung der DÖW-Übersiedlung. Organisiert ist die Einrichtung als Stiftung, die vom Verein DÖW, der Republik Österreich und der Stadt Wien getragen wird. Letztere beide stellen jährlich jeweils 475.000 Euro als Stiftungsbeiträge zur Verfügung. Für die Sanierung und Adaptierung der neuen Unterkunft in Penzing beabsichtigt die Stadt laut dem Antrag, gemeinsam mit der Republik Österreich die erforderlichen Mittel einzubringen – und zwar zu gleichen Teilen.

Bund und Stadt hätten sich grundsätzlich darüber geeinigt, dass das Verhältnis der beiden Beiträge zueinander jedenfalls bestehen bleiben soll, teilt das Wissenschaftsministerium mit. "Im Kontext der Übersiedlung" wäre aber der Wert der Beiträge neu zu ermitteln, dafür müssen Bund und Stadt eine Satzungsänderung ausverhandeln. Konkrete Summen sind in dem Antrag nicht genannt. Gespräche dazu und über eine "zeitnahe Umsetzung des Vorhabens" seien ehestmöglich vorgesehen.

Die Stadt weiß offensichtlich auch schon, woher sie das Geld dafür nehmen wird. Dem Antrag zufolge soll der Jubiläumszuschuss verwendet werden, der Wien im Vorjahr vom Bund– nach einigem Hin und Her – anlässlich der 100 Jahre der Trennung von Niederösterreich gewährt wurde. Ursprünglich hätte nur Niederösterreich die neun Millionen Euro erhalten sollen, schließlich zahlte das Finanzministerium aber auch Wien einen Zuschuss in gleicher Höhe aus. Die Mittel seien zur "Stärkung der Identität und Vielfalt für kultur-, bildungs- und gesellschaftspolitische Projekte" zu verwenden. Dieser Zweck sei mit der Ansiedlung des DÖW "in hohem Ausmaß" gegeben.

Ludwig: "Bekenntnis gegen das Vergessen"

"100 Jahre Wien als eigenständiges Bundesland sind ein geschichtsträchtiger Anlass und zugleich ein Auftrag, historische Verantwortung wahrzunehmen", sagt Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zum STANDARD. Er freue sich, dass den Zuschuss "inhaltlich stimmig und würdig" verwenden zu können. Das DÖW auf dem Otto-Wagner-Areal zu verankern sei "ein Bekenntnis, auch in Zukunft niemals zu vergessen und die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus am Areal zu bewahren".

Eine inhaltlich angemessene Nachnutzung zu finden sei "extrem schwierig und heikel" gewesen, betont Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ). "Umso wichtiger ist es, dass gemeinsam mit dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands die Entscheidung getroffen wurde, eine Institution, die sich auch mit diesen Inhalten auseinandersetzt, dort anzusiedeln." Das DÖW sei im Grunde "der einzig passende Nutzer für den Pavillon 15".

Als "exzellente Idee" bezeichnete Michael Häupl, Wiener Altbürgermeister und seit einem Jahr Vorsitzender des DÖW, am Dienstag die geplante Übersiedlung. Auf dem Otto-Wagner-Areal habe das DÖW 2,7-mal mehr Platz als in der Innenstadt, erklärte er. Das ermögliche es, etwa Gästeforschungszimmer einzureichen. Fast noch wichtiger sei aber eine gute Unterbringung des Archivs am neuen Standort. Im Alten Rathaus seien eine exakte Regelung der Raumtemperatur und andere Rahmenbedingungen, die es für ein Archiv brauche, nicht in der erforderlichen Form herstellbar.

Nächster Schritt: Machbarkeitsstudie

Als nächster Schritt ist eine Machbarkeitsstudie "zu Raumbedarf und Realisierbarkeit" vorgesehen, in der Folge können vertiefte Planungen aufgenommen werden. Abgewickelt werden soll die Übersiedlung vom DÖW und einer Tochter der Wiener Standortentwicklung GmbH. Diese arbeitet derzeit auch an einem Konzept für die Nachnutzung anderer Pavillons. (Stefanie Rachbauer, 6.12.2022)