Sieben Minuten lang hatte sich David Joyce im sonntäglichen Politmagazin "This Week" des US-Senders ABC als moderater Republikaner präsentiert, dem es vor allem darum gehe, pragmatische Politik zu machen. Doch als der Moderator den Abgeordneten aus Ohio fragte, ob er Donald Trump wählen würde, verweigerte der 65-Jährige dreimal die Antwort. Selbstverständlich werde er jeden Präsidentschaftskandidaten unterstützen, den die Republikaner nominieren, räumte er schließlich ein. "Auch einen Verfassungsfeind?" – "Trump sagt eine Menge Dinge. Aber er meint nicht, dass das wirklich passieren soll."

Die Reaktion des freundlichen Ex-Staatsanwalts, der kürzlich mit den Demokraten für den Schutz der gleichgeschlechtlichen Ehe stimmte, ist typisch für die Republikaner. Auch nach dem jüngsten Ausfall des Ex-Präsidenten gegen die US-Verfassung gibt es (wie schon nach dessen Treffen mit den Antisemiten und Neonazis Kanye West und Nick Fuentes) nur vereinzelte Kritik.

Ron DeSantis: Trumps rechter Konkurrent im Video-Porträt. Der Republikaner DeSantis: wurde in Florida mit mehr als 20 Prozentpunkten Vorsprung als Gouverneur bestätigt. Er gilt als Hardliner, möglicher Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2024 und Konkurrent Donald Trumps
DER STANDARD

Trump hatte am Wochenende auf seiner Internetplattform Truth Social mit Hinweis auf die von ihm verbreitete Wahlbetrugslüge gepostet: "Ein massiver Betrug dieser Art und Größenordnung ermöglicht die Aufhebung von allen Regeln, Verordnungen und Paragrafen, selbst jenen, die sich in der Verfassung finden."

Trump verbreitet nach wie vor vielfach widerlegte Verschwörungslegenden über die Wahl 2020. Hintergrund seines jüngsten Ausfalls ist die Veröffentlichung von Unterlagen durch den neuen Twitter-Eigentümer Elon Musk, die interne Abstimmungen des Unternehmens zu einem Artikel über Hunter Biden, den Sohn des heutigen Präsidenten, darlegen.

Nur vereinzelte Kritik

Das Boulevardblatt "New York Post" hatte kurz vor der Wahl E-Mails und intime Fotos von Hunter Bidens Laptop veröffentlicht. Twitter sperrte damals den Link zu dem Artikel, da die Verantwortlichen davon ausgingen, das Material stamme von einem Hackerangriff. Die Unterlagen liefern jedoch keine Belege für Trumps Behauptung, dass die Demokraten die Sperre durchgesetzt hätten.

Nach Trumps Ausritt blieb der republikanische Abgeordnete Mike Turner zunächst der prominenteste parteiinterne Kritiker. Er widersprach den Äußerungen "vehement", verurteilte sie "absolut". Bisher ist Turner ranghöchster Republikaner im Geheimdienstausschuss. Es ist unklar, ob er nach dem Machtwechsel im Kongress dessen Vorsitz übernimmt. Weder der künftige Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, noch der Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, distanzierten sich von Trump.

Walker gegen Warnock

Das Schweigen dürfte noch durch die Stichwahl im Bundesstaat Georgia am Dienstag verstärkt werden. Dort tritt der von Trump unterstützte Ex-Footballstar Herschel Walker gegen Amtsinhaber Raphael Warnock an. Dieser lag in letzten Umfragen knapp vorne.

Trump-Anhänger Herschel Walker (links) und der Demokrat Raphael Warnock (rechts) kämpfen um einen Senatssitz des US-Bundesstaates Georgia.
Foto: AP Photo/Brynn Anderson

Sollte es den Demokraten gelingen, das Mandat zu verteidigen, würden sie ihre Mehrheit im Senat auf 51 Sitze ausbauen. Das würde das Regieren für Präsident Joe Biden tendenziell leichter machen, da er nicht jedes Mal sämtliche Stimmen seiner Partei bräuchte und sich ein abweichendes Votum, etwa des notorischen Quertreibers Joe Manchin, erlauben könnte.

Mindestens so wichtig ist die Stichwahl aber als Stimmungstest für die Republikaner. Walker gilt als extrem schlechter Kandidat: Er wird von mehreren Frauen der häuslichen Gewalt bezichtigt und soll zwei Ex-Freundinnen zu Abtreibungen gedrängt haben, während er politisch für ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen kämpft. In Georgia halten ihn nur 27 Prozent qualifiziert. Dass er trotzdem in Umfragen fast gleichauf mit Warnock liegt, illustriert die überwiegend konservative Struktur der Wählerschaft in dem Südstaat.

Auftritte ohne Trump

Bei der Wahl am 8. November war der republikanische Gouverneur Brian Kemp, der sich von Trump distanziert hat, klar im Amt bestätigt worden. Walker erhielt damals 200.000 Stimmen weniger als Kemp. Das Abschneiden von Walker bei der jetzigen Stichwahl sagt also auch etwas darüber aus, wie stark die Wähler der Republikaner trotz Trump weiter zu ihrer Partei stehen. Vorsorglich hat Walker auf Auftritte des Ex-Präsidenten während seiner Kampagne verzichtet. (Karl Doemens aus Washington, 6.12.2022)